Der Goldene Saal und das Schaezlerpalais sind gute Beispiele: Wo Bürgerinnen und Bürger sich engagieren, wird scheinbar Unmögliches machbar. Der Prunksaal im Rathaus konnte rekonstruiert werden, weil Privatleute jahrelang Geld dafür sammelten. Das Schaezlerpalais wurde aus demselben Grund von der "Bruchbude" (so lautete damals der provokante Titel der Marketingaktion) zum repräsentativen Ausstellungshaus. Ohne den Rückenwind aus der Bürgerschaft hätte die Stadt die beiden Projekte so wohl nie umsetzen können - das ist ein Fakt, der bis heute Gültigkeit hat.
Das Engagement von Bürgerinnen und Bürgern ist essenziell für die Weiterentwicklung einer Kommune. Ob sie sich dafür in Vereinen organisieren oder Stiftungen gründen, ist erst einmal nebensächlich. Wichtiger ist, was vorher geschieht: Wer sich aktiv einbringt, lebt nicht "einfach nur " in einer Stadt und konsumiert, was dort gerade so geboten ist. Wer sich einbringt, identifiziert sich, erkennt, woran es mangelt, und entwickelt in einem zweiten Schritt die Bereitschaft anzupacken, anstatt sich zurückzulehnen und abzuwarten, mit welcher Lösung Politik und Verwaltung ums Eck kommen.
In Augsburg war und ist diese Bereitschaft stark ausgeprägt: Rund 170 Stiftungen gibt es, die meisten mit regionalem Zweck - und immer wieder kommen neue hinzu. Ein Ehepaar vermachte der Stadt vor Kurzem sein Erspartes - zwei Millionen (!) Euro -, um damit eine Stiftung zu gründen, die Auszubildende vornehmlich in Pflegeberufen unterstützt. Wie diese dienen viele Stiftungen einem sozialen oder kulturellen Zweck und decken damit Bereiche ab, in denen Kommunen oft nicht einmal das Geld für die Pflicht aufbringen können und an die Kür deshalb erst gar nicht denken.
Stiftungen können Herausforderungen meistern helfen, an denen Kommunen alleine scheitern
Weltweit stehen Staaten und Kommunen heute vor Herausforderungen, die sie kaum meistern können, der Mangel an (bezahlbarem) Wohnraum ist eine. Jakob Fugger, Stifter der Fuggerei, sah seine Stadt vor 500 Jahren in einer ähnlichen Lage und beschloss, seinen Teil zur Linderung beizutragen. Dass er sich damit eventuell auch ein Denkmal setzen wollte, schmälert nicht die Tat an sich - neue Stiftungen tragen ebenfalls oft den Namen ihrer Initiatoren. Auch, dass Jakob Fugger sein Geld mit Methoden machte, die aus heutiger Sicht zweifelhaft sind, darf die Idee der Fuggerei nicht per se infrage stellen. So richtig es ist, die Vergangenheit mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu ergänzen und somit eine Debatte anzuregen, so falsch wäre es, eine über 500 Jahre alte Stiftung zu verteufeln, die bis heute ihren Zweck erfüllt.
Die Nachkommen Jakob Fuggers sind sich ihrer Vergangenheit bewusst, sie haben sie bei anderen Gelegenheiten immer wieder aufgearbeitet. Das Jubiläum der Fuggerei allerdings wollten sie nutzen, um in die Zukunft zu blicken und dabei eine wichtige Frage aufzuwerfen: Was kann bürgerschaftliches Engagement, was können Stiftungen dazu beitragen, die gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit zu lösen? Im Pavillon auf dem Rathausplatz haben die Fugger dieses Thema aus vielen Gesichtspunkten betrachtet und damit eine Diskussion anstoßen wollen, die mit dem Abbau des Holzbaus nicht endet. Vielmehr wurden dadurch weltweite Verbindungen geknüpft, die irgendwann gemeinsame Projekte nach sich ziehen könnten.
Die Stadt ließ die Chance verstreichen, für ihre Stiftungen zu werben
Schade ist, dass die Stadt Augsburg die Gelegenheit verstreichen ließ, im Pavillon auch ihre eigenen Stiftungen zu präsentieren. Zwar gab es 2021, im eigentlichen Fuggerei-Jubiläumsjahr, im Maximilianmuseum eine interessante Ausstellung zur Stiftungsgeschichte dieser Stadt. Jetzt aber wäre die Gelegenheit gewesen, Bürgerinnen und Bürger für aktuelle Projekte zu sensibilisieren. Denn es gibt sie (noch), die Augsburgerinnen und Augsburger, die sich gerne finanziell für ihre Stadt engagieren würden. Sie wissen oft nur nicht, welche Möglichkeiten es gibt.
Eine große Rolle werden hier in den nächsten Jahren sicherlich die Sanierung des Theaters, des Perlachturms und vielleicht auch der Dominikanerkirche spielen. Ein Blick nach Dresden zeigt, was Privatleute leisten können: Rund drei Viertel der Summe für den Wiederaufbau der Frauenkirche kamen durch Spenden von Bürgerinnen, Touristen und Geschäftsleuten zusammen - befeuert durch eine gut organisierte Marketingaktion. Bei einem der größten und teuersten Projekte in Augsburg, der Theatersanierung, lässt eine solch konzertierte Aktion bislang auf sich warten. Im Gegenteil, die Stadt ruderte zuletzt sogar zurück: Das Theater-Spendenkonto, das bislang schon sehr versteckt ins "Haus der Stifter" der Sparkasse eingegliedert war (aber immerhin den Namen "Theater" trug), ist unter dem neuen Kulturreferenten Jürgen Enninger in eine allgemeine und damit leider auch sehr undifferenzierte "Kulturstiftung" überführt worden. Nur: Wer gibt schon Geld, wenn er gar nicht weiß, welches Projekt damit unterstützt wird? Hier sollte nachjustiert werden: Wer Bürgerinnen und Bürger für ein Projekt gewinnen will, muss dieses auch deutlich ausflaggen.
Noch ein Punkt zum Schluss: Das Engagement von Spenderinnen und Stifter soll nicht dazu dienen, die Aufgaben des Staats zu übernehmen. Sich um den Erhalt von Schul- oder Kulturbauten zu kümmern, ist Aufgabe der öffentlichen Hand. Bürgerschaftliches Engagement aber kann sie dabei unterstützen, sie kann manchmal auch der notwendige "Schubser" sein, um die Dinge überhaupt erst in Bewegung zu bringen.