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Debatte: Die tödliche Gewalttat am Königsplatz hat Augsburg nicht gespalten

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Die tödliche Gewalttat am Königsplatz hat Augsburg nicht gespalten

Jan Kandzora
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    Am Nikolaustag vergangenen Jahres starb ein 49-jähriger Mann am Königsplatz in Augsburg an den Folgen eines Schlages. Bald soll der Prozess zu dem Fall starten.
    Am Nikolaustag vergangenen Jahres starb ein 49-jähriger Mann am Königsplatz in Augsburg an den Folgen eines Schlages. Bald soll der Prozess zu dem Fall starten. Foto: Annette Zoepf

    Am 16. Dezember vergangenen Jahres kam es in Augsburg zu einer Demo der rechtsextremen Pegida-Bewegung. Thema war ein "tödlicher Angriff auf einen Bürger unserer Stadt, unseres Landes“, wie es hieß. Die Demonstranten versuchten, eine Gewalttat in der Stadt zu instrumentalisieren; wenige Tage zuvor war ein 49-Jähriger am Königsplatz von einem Schlag getötet worden, den mutmaßlich ein 17-jähriger Augsburger mit Migrationshintergrund ihm verpasst hatte. Es war eine in jeder Hinsicht jämmerliche Veranstaltung. Man sah bei der Kundgebung nicht mehr als eine Handvoll Teilnehmer, einer von ihnen wurde zuletzt wegen einer Hetzrede auf der Demo zu einer Geldstrafe verurteilt. Die Gegendemonstranten, die für Toleranz und Menschlichkeit eintraten, waren erheblich zahlreicher, sichtbarer, das war ein gutes Signal.

    Ohnehin hielt sich der Zuspruch für Aktionen von politisch rechten Gruppen, die das Ziel hatten, den Vorfall für ihre Zwecke zu nutzen, in der Stadt in überschaubaren Grenzen. Von Szenen wie in Chemnitz ein Jahr zuvor, als es nach einem tödlichen Messerangriff auf einen Mann Ausschreitungen eines rechten Mobs gegeben hatte, war die Situation in Augsburg zum Glück jederzeit weit entfernt.

    In Augsburg herrschten nach der Tat Trauer und Anteilnahme vor

    Es dominierten in Augsburg Bilder von Trauer und Anteilnahme, nicht von ausländerfeindlicher politischer Vereinnahmung. Im Internet, in sozialen Netzwerken wie Twitter und Facebook sah die Situation anders aus: Dort gab es jede Menge Hass-kommentare. Es wurde geurteilt, lange bevor die Ermittlungen abgeschlossen waren, geschweige denn ein Prozess stattgefunden hatte. Lokale Verantwortungsträger beteiligten sich allerdings nicht an der teils dumpfen Stimmungsmache.

    Prozess beginnt: 17-Jähriger wegen tödlichen Angriffs am Königsplatz vor Gericht

    Stattdessen betonte etwa der damalige Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU), dass man aufgrund der tödlichen Attacke keine verallgemeinernden Rückschlüsse beim Thema Integration ziehen dürfe. Man kann Gribl vorhalten, dass es gegenüber Teilen der Stadtgesellschaft nicht gerade sensibel war, Horst Seehofer als Ehrenbürger der Stadt durchzudrücken, der Migration als "Mutter aller Probleme" bezeichnet hatte - immerhin hat die Stadt einen Migrantenanteil von fast 50 Prozent. Aber in den aufgeheizten Wochen nach der tödlichen Attacke traf Gribl den richtigen Ton, mahnte zur Differenzierung und sagte, dass "die Integration in Augsburg nicht gescheitert" sei, was man festhalten kann, ohne bestehende Probleme zu ignorieren.

    Es stimmt ja: Junge Männer mit ausländischen Wurzeln sind beim Thema Kriminalität überproportional oft vertreten, auch in Augsburg. Es gibt keinen Grund, das zu verschweigen. Aber die Ursachen dafür sind komplex und haben viel mit dem sozialen Hintergrund der Menschen zu tun, der Art, wie sie aufwachsen und leben, nicht mit der Nationalität. Und es stimmt eben auch, dass Augsburg eine der sichersten Städte des Landes und zugleich eine der Städte mit dem höchsten Migrantenanteil ist, was die Stadt ein "Stück weit auch ausmacht", wie es Polizeipräsident Michael Schwald formulierte, der nach der Tat ebenfalls sachliche, differenzierte Stellungnahmen abgab.

    Augsburg ist statistisch gesehen eine vergleichsweise sichere Stadt, was offenbar auch das Gefühl der Bürger trifft, die in ihr leben. Bei einer Bürgerumfrage im Jahr 2017 gaben jedenfalls nur rund 13 Prozent der Teilnehmer an, dass sie die Kriminalität und die Sicherheit in Augsburg als größeres Problem sehen.

    Tödlicher Schlag am Königsplatz: So soll der Prozess ablaufen

    Die öffentliche Bewertung der Tat ist heute vielfach eine andere, als Anlass zu einer Grundsatzdebatte über Gewalt und Migration wird sie nicht mehr herangezogen. Was daran liegt, dass schnell klar war, dass sie sich vermutlich anders abspielte, als es zunächst auch von den Ermittlern angenommen und dargestellt wurde. Vom ursprünglich geschilderten Tathergang in einer viel beachteten Pressekonferenz ist in der Anklageschrift vieles nicht mehr zu finden.

    Konnte man zunächst den Eindruck gewinnen, dass der Getötete Opfer einer gewaltbereiten, siebenköpfigen Gruppe wurde, die ihn umringte, stellt sich die Situation mittlerweile anders dar. Eine Auseinandersetzung, ein Schubser des späteren Opfers, ein tödlicher Schlag, mit dem der 49-Jährige nicht rechnen konnte, so steht es sinngemäß in der Anklage. Angeklagt sind auch nur noch drei der ursprünglich sieben Verdächtigen - und nur der Hauptverdächtige wegen des tödlichen Schlags, und zwar wegen Körperverletzung mit Todesfolge, nicht wegen Totschlags, was einen Tötungsvorsatz voraussetzte.

    Bundesverfassungsgericht entließ sechs Verdächtige aus der U-Haft

    Es brauchte freilich einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes, damit sechs der sieben jungen Männer und Jugendlichen endgültig aus der U-Haft entlassen wurden, das ganze Prozedere dürfte das Vertrauen vieler Menschen in die Justiz nicht gerade bestärkt haben. Von einem "Justiz-Skandal" zu sprechen, wäre zu hoch gegriffen, aber die Staatsanwaltschaft hat erhebliche Fehler gemacht, indem sie lange an der Hypothese festhielt, dass die Umstände der Tat es ermöglichen, sie allen aus der Gruppe zuzuordnen. Das hat junge Menschen zu Unrecht Monate in Untersuchungshaft gebracht.

    Warum wurden die Haftbefehle wieder in Kraft gesetzt?

    Der Druck, der durch die Tragweite der Tat und die öffentliche Aufmerksamkeit auf den Ermittlungsbehörden und Gerichten lastete, muss groß gewesen sein, dennoch sind manche Entscheidungen nur schwer nachvollziehbar. Was insbesondere das Oberlandesgericht dazu bewegt hat, die vom Landgericht Augsburg nach intensiver Beschäftigung mit der Materie aufgehobenen Haftbefehle mit halbgaren Begründungen zwischenzeitlich wieder in Kraft zu setzen, ist eines der größeren Rätsel der jüngeren bayerischen Rechtsgeschichte.

    Unabhängig von allen juristischen Wendungen bleibt der Fall eine Tragödie. Im Dezember vergangen Jahres kam am Königsplatz ein 49 Jahre alter Familienvater durch eine schwere Gewalttat zu Tode, ein Mann, der mitten im Leben stand. Am Dienstag startet der Prozess, in den kommenden Wochen wird das Landgericht aller Voraussicht nach ein Urteil fällen.

    Hier finden Sie alle Artikel über den Prozess in Augsburg zum tödlichen Schlag am Kö.

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