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Das Sozialkaufhaus in Haunstetten wächst

Haunstetten

Sozialkaufhaus wird vom eigenen Erfolg überrollt

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    Roswitha Kugelmann leitet das Sozialkaufhaus im Augsburger Stadtteil Haunstetten. Von außen wirkt das Haus unscheinbar, im Innenbereich laufen die Geschäfte famos.
    Roswitha Kugelmann leitet das Sozialkaufhaus im Augsburger Stadtteil Haunstetten. Von außen wirkt das Haus unscheinbar, im Innenbereich laufen die Geschäfte famos. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Es ist ein Freitagmittag im Sommer und die Parkplätze vor dem Flachbau sind gut belegt. Menschen steigen nahezu im Minutentakt aus, andere bringen ihre Einkäufe zurück ins Fahrzeug. Das Geschäft in Haunstetten wirkt von außen unscheinbar. Ein wenig Baumarkt, ein wenig Freizeitausstattung, zig Kartons stehen am Boden. Wer durch das Drehkreuz eintritt, taucht ab in eine Welt voller Waren. Regale sind gefüllt mit Büchern, Geschirr, Rädern, Elektroartikeln und viel Kleidung. Wer hier unterwegs ist, wird in der Regel fündig. Nahezu kein Kunde verlässt den Laden ohne Einkäufe. Wer hier einkauft, spart zudem Geld. Die Situation im Sozialkaufhaus mit der Adresse „Im Tal“ ist an diesem Freitagmittag keine Ausnahme. Das Kaufhaus wird vom eigenen Erfolg überrollt. Dies führt zu Konsequenzen: Der Platz reichte nicht mehr, es gibt jetzt eine Filiale in Haunstetten. Die Feuerwehr hatte Druck gemacht wegen der Brandschutzauflagen.

    Das ist der Eingangsbereich zum Sozialkaufhaus in Haunstetten.
    Das ist der Eingangsbereich zum Sozialkaufhaus in Haunstetten. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Das Sozialkaufhaus ist das etwas andere Kaufhaus in Augsburg. Es verfährt nach einem besonderen Prinzip: Die Waren, die hier verkauft werden, wurden gespendet. Sie sind daher auch vergleichsweise günstig abzugeben. Roswitha Kugelmann ist seit den Anfängen dabei, sie gilt als treibende Kraft, wehrt selbst aber ab: „Ich habe genügend Unterstützung.“ 180 Personen helfen mit, damit das Sozialkaufhaus funktioniert. 130 Mitarbeiter haben feste Verträge, viele sind in Teilzeit tätig. Es gehört zum Konzept der Einrichtung, dass ein Teil der Mitarbeiter finanziell schwer über die Runden kommt. Das Einkommen dient zum Lebensunterhalt, der teils mit staatlicher Unterstützung gefördert wird. 50 Personen arbeiten als Ehrenamtliche, sie bekommen eine Aufwandsentschädigung.

    Sozialkaufhaus: Kunden kommen aus allen Bildungsschichten

    Roswitha Kugelmann kennt sie alle, auch viele Kunden sind ihr vertraut: „Es freut mich, dass unser Haus zu einer Anlaufstation für Menschen geworden ist, die sich nicht sehr viel leisten können.“ Die Geschäftsführerin widerspricht jedoch dem Eindruck, es handle sich ausschließlich um arme Menschen. „Kunden kommen aus allen Bildungsschichten, jedes Alter und jede Nationalität ist vertreten.“ Früher sei es aus ihrer Sicht mitunter der Fall gewesen, „dass sich einzelne Besucher geschämt haben, wenn sie zu uns gekommen sind“. Ihnen sei es peinlich gewesen, wenn man sie erkannt hätte. Dies habe sich längst geändert. „Zum Glück“, wie Roswitha Kugelmann betont.

    Das Sozialkaufhaus sei eine Adresse für viele Menschen, die mit wenig Geld auskommen müssen. 800 Kunden sind es im Durchschnitt am Tag. Das Sozialkaufhaus hat montags bis samstags von jeweils 10 bis 18 Uhr geöffnet. Abweichende Öffnungszeiten gab es früher einmal. „Das jetzige Konzept hat sich bewährt“, sagt Roswitha Kugelmann.

    So sieht es innen im Sozialkaufhaus in Haunstetten aus.
    So sieht es innen im Sozialkaufhaus in Haunstetten aus. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Die Frau ist aktiv, auch wenn sie gegenwärtig Probleme beim Laufen hat. Gefragt ist die Geschäftsführerin von vielen Seiten - Mitarbeiter haben Wünsche, Spender haben Anliegen. Das Organisatorische mit Personalplanung ist ein zentraler Aspekt ihrer Arbeit, erläutert Roswitha Kugelmann. Nur die wenigsten Menschen würden ahnen, um welche Beträge es im Sozialkaufhaus gehe. Die Geschäftsführerin nennt eine Zahl: Jeden Monat werden derzeit 250.000 Euro an Ausgaben fällig. Es sind Kosten für Personal, Miete, Energie, Fahrzeuge, Benzin und anderes. Roswitha Kugelmann: „Im Jahr sind es drei Millionen Euro an Ausgaben. Man sieht, unter welchen Konditionen wir aufgestellt sind.“

    Der Verein Contact trägt das Sozialkaufhaus in Haunstetten

    Kunden, die im Sozialkaufhaus einkaufen, kennen diese Hintergründe in den seltensten Fällen. Sie freuen sich über günstige Angebote. Eine Frau, die am Parkplatz ihr Einkäufe ins Auto lädt, sagt: „Wenn es die Sozialkaufhäuser nicht geben würde, dann müsste man sie erfinden.“ Das Projekt ist bundesweit am Markt. Auch in Augsburg gibt es noch weitere solcher Einrichtungen, Haunstetten allerdings agiert eigenständig, geführt wird es vom Verein Contact. Roswitha Kugelmann ist auch Vorsitzende des Vereins, der Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen unterstützt, dazu gehören unter anderem Obdachlose.

    Kisten- und regalweise Bücher: Im Sozialkaufhaus Haunstetten finden Kunden Waren aus nahezu allen Bereichen.
    Kisten- und regalweise Bücher: Im Sozialkaufhaus Haunstetten finden Kunden Waren aus nahezu allen Bereichen. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Kunden, die im Sozialkaufhaus einkaufen, benötigen keinen Berechtigungsschein. Dies ist anders geregelt als bei der Tafel. Das Sozialkaufhaus lebt von gespendeter Ware, die verkauft wird. Roswitha Kugelmann sagt, täglich würden sechs Tonnen an Ware gespendet. Die Spendenbereitschaft sei weiterhin hoch, sagen die Verantwortlichen der Einrichtung. Weil das Sortiment immer größer wurde, nutzte man am Standort weitere Räume. Wo Platz war, stand Ware. Einzelne Hallen wurden genutzt, um Saisonware zu lagern.

    Feuerwehr drängt auf kleinere Verkaufsfläche

    Für die Feuerwehr war dieser Zustand jedoch nicht mehr zu tolerieren. Es gab Auflagen. Auch das Bauordnungsamt der Stadt Augsburg ist involviert. „Es musste vieles ganz schnell gehen“, sagt die Geschäftsführerin. Nicht jede Entscheidung, die bei der verringerten Warenauswahl getroffen wurde, habe Mitarbeitern und Kunden gefallen. Für sie habe es keine Alternative gegeben, sagt Roswitha Kugelmann: „Es geht um die Sicherheit von uns allen.“ Die jetzige Verkaufsfläche liegt bei 2000 Quadratmetern. Der Verein Contact sucht ein zusätzliches Gebäude, das man nutzen wollte. In der Rentmeisterstraße ist eine Filiale eröffnet worden. Im Angebot ist erster Linie Kleidung, ferner gibt es Spielsachen.

    Die Entwicklung ihres Projekts freut Initiatorin Roswitha Kugelmann. Die 70-Jährige weiß, dass ihre Kräfte irgendwann erschöpft sein werden: „Insofern mache ich mir schon Gedanken, wie es um die Nachfolge aussehen könnte.“ Ihre Tochter Maya Kugelmann, die im Sozialkaufhaus in führender Position tätig ist, habe jedenfalls frühzeitig signalisiert, dass sie für die Chefposition nicht infrage komme.

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