Die Inbetriebnahme der neu angeschafften Tramlink-Straßenbahnen im Augsburger Schienennetz wird sich erneut verzögern. Nachdem schon die bisherigen Zeitpläne aufgrund von Corona und Ukraine-Krieg nicht haltbar waren, wird der Betriebsstart der 15 Fahrzeuge starken Flotte im besten Fall erst Mitte 2025 kommen. Die zuletzt für diesen Herbst angepeilte Inbetriebnahme einer ersten nach Augsburg gelieferten Straßenbahn ist nicht mehr realistisch. Wie die Stadtwerke am Montagabend am Rande einer SPD-Veranstaltung zum Thema Nahverkehr erklärten, gibt es technische Probleme mit den neuen Straßenbahnen.
ÖPNV in Augsburg: In Kurven bremst die neue Straßenbahn zu stark ab
Im Sommer 2023 war der erste Zug im Tieflader aus dem Werk im spanischen Valencia gekommen, seit März rollt der Augsburger Prototyp für Testfahren im Schienennetz. Zufrieden ist man bei den Stadtwerken nicht. Ein Teil der Probleme ist inzwischen gelöst, für Diskussionen sorgt aber nach wie vor das Bremsverhalten der Züge. In speziellen Situationen greift die Bremse zu massiv ein, bemängeln die Stadtwerke. Konkret geht es darum, wie stark die Notbremse das Fahrzeug unter anderem in engen Kurven verzögern darf. „Die Bremswirkung darf dann nicht voll einsetzen. Und da werden manche Grenzwerte aktuell nicht eingehalten“, so Stadtwerke-Geschäftsführer Rainer Nauerz. „Und wir werden keine Tram in Betrieb nehmen, die Mängel an der Sicherheit hat.“
Auch die technische Aufsichtsbehörde für die Augsburger Straßenbahn - angesiedelt bei der Regierung von Oberbayern - hat das Thema im Blick. Dass das Bremsverhalten bei den Tramlink-Straßenbahnen, die in vielen europäischen Städten im Einsatz sind, ausgerechnet in Augsburg zum Problem wird, liegt wohl auch an der Sondersituation mit der Localbahn. Hier gibt es einige gesicherte Kreuzungen mit der Straßenbahn, an denen es zu automatischen Notbremsungen kommen kann.
Die Gespräche zwischen dem Hersteller Stadler und den Stadtwerken laufen. „Wir machen da viel Druck, wobei wir zuletzt aus menschlichen Gründen etwas vom Gas gegangen sind“, so Nauerz. Die Region Valencia sei von den verheerenden Unwettern in Spanien im Oktober schwer getroffen worden. Auch im Stadler-Werk selbst gab es Auswirkungen. Eine rechtliche Auseinandersetzung wolle man vermeiden, wobei der aktuelle Verlauf der Gespräche vielversprechend sei. „Wir tun alles dafür, die Mängel mit dem Hersteller in den Griff zu bekommen“, so Nauerz.
Laufe alles nach Plan, könnten die Probleme Mitte 2025 soweit im Griff sein, dass das Fahrzeug eine Zulassung bekommt. Ende 2025 könnte dann im allerbesten Fall die gesamte Flotte rollen. Stadler äußerte sich am Dienstag auf Anfrage zunächst nicht zum Sachstand und dem weiteren Vorgehen. Die Lieferung hatte sich aus unterschiedlichen Gründen in der Vergangenheit mehrmals verzögert. 2019, bei der Bestellung, war man noch von einer Indienststellung im Jahr 2022 ausgegangen.
Einstweilen müssen in Augsburg die alten Straßenbahnen herhalten
Einstweilen behelfen sich die Stadtwerke noch mit ihren rund 25 Jahre alten GT6-Straßenbahnen (vorrangig auf der Linie 6 in Betrieb). Ein erster Teil ging bereits nach Zagreb an die dortigen Stadtwerke, in Augsburg sind noch sechs Züge des Typs in Betrieb. Wegen ihrer geringen Kapazität sind sie in Augsburg ein Auslaufmodell, zudem ist ihre Sicherungstechnik nicht für die Nutzung des Bahnhofstunnels nachrüstbar. Er soll, wenn keine weiteren Verzögerungen auftreten, Ende 2026 in Betrieb gehen.
Dass es bei der Einführung neuer Fahrzeuge zu Problemen kommen kann, ist keine Seltenheit. Als 2009 die Cityflex-Straßenbahnen von Bombardier kamen, wurden sie nach einigen Tagen vorübergehend in den Abendbetrieb verbannt, weil die Elektronik noch Kinderkrankheiten zeigte und im eng getakteten Tagesbetrieb für Verzögerungen sorgte. Diese Themen ließen sich kurzfristig regeln. Die jetzigen Verzögerungen mit Stadler haben eine andere Größenordnung.
Für Schlagzeilen hatte in der Schweiz - dem Heimatland des Herstellers Stadler - ein vorübergehender Annahmestopp der Berner Verkehrsbetriebe für bestellte Tramlink-Bahnen im Frühjahr gesorgt. Hier gab es diverse technische Probleme, sodass die Berner neue Trams aus dem Verkehr nahmen und einen vorübergehenden Annahmestopp für noch nicht gelieferte Züge verhängten, damit die Probleme im Werk gelöst werden konnten. Inzwischen rollen in Bern die Tramlink-Bahnen.
Es gibt bei der Straßenbahn keine "Notbremsung" Es gibt die Betriebsbremsung, die Gefahrenbremsung, die Not-Aus-Bremsung und die Zwangsbremsung. Die Gefahrenbremsung erfolgt, in dem der Fahrer den Sollwertgeber ("Gashebel") ganz nach hinten in die Gefahrenbremsstellung bringt. Dabei wird mit 122% Bremsleistung der Betriebsbremsen und den Magnetschienenbremsen gebremst, außerdem wird automatisch geklingelt und gesandet. Eine Zwangsbremsung kann verschiedene Ursachen haben, wie technische Störungen am Fzg, oder der Zugsicherungsanlage (ZSA) an den Localbahnkreuzungen, aber auch betätigen der Fahrgastnotbremse oder das Überfahren eines Hauptsignals in einer ZSA, das H0 (rot) zeigt. Eine Zwangsbremsung ist aber immer nur eine Betriebsbremsung mit 100% Bremsleistung und ohne Einsatz der Magnetschienenbremse. Die Not-Aus-Bremsung ist eigentlich irrelevant und wird nie benutzt, leider reichen die restlichen Zeichen die für diesen Kommentar noch verbleiben nicht für eine Erklärung aus.
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