Sie jubeln, singen, halten die syrische Freiheitsflagge mit den drei roten Sternen in die Höhe. Auf dem Augsburger Königsplatz feiern am frühen Sonntagabend weit über hundert Syrer den Sturz des syrischen Machthabers Baschar al-Assad durch Rebellen. Das Bündnis der Aufständischen wird angeführt von der Islamistengruppe Hajat Tahrir al-Scham. Angesichts dieser Tatsache sagen Nahostexperten, es bleibe abzuwarten, wie es in dem Land nun konkret weitergehe.
Auf dem Königsplatz herrscht am Sonntagabend allerdings Freude vor: „Halte deinen Kopf hoch, du bist ein freier Syrer“, singen die Menschen in ihrer Sprache. In ganz Deutschland sind Tausende Menschen spontan auf die Straße gegangen, um das historische Ereignis zu zelebrieren. Hinter der plötzlichen Kundgebung auf dem Kö steckt eine junge Frau, die 20 Jahre alte Fadia Faraj. Euphorisch und mit strahlendem Gesicht erzählt die Studentin, warum für sie alle ein Traum wahr geworden.
„Ich habe es noch nie erlebt, dass sich alle Syrer so lieben, wie heute“, sprudelt es aus Fadia Faraj nur so heraus. „Diese Freude ist die Freude eines ganzen Volkes - die Freude des syrischen Volkes, unabhängig von Konfessionen, ob Muslime, Sunniten, Christen oder Drusen“, hatte sie zuvor in ihrer Rede zu den Versammelten gesprochen. 180 bis 200 Syrer, so schätzt sie, sind bei Regen am Königsplatz zur Spontandemo gekommen. Die Polizei, die die Kundgebung begleitet, spricht von etwa 130 Teilnehmenden. Einige Syrer, so berichtet ein Polizeisprecher, seien bereits am Nachmittag mit Flaggen am Hauptbahnhof eingetroffen, um mit dem Zug zur Kundgebung nach München zu fahren. Fadia Faraj aber wollte unbedingt in Augsburg etwas auf die Beine stellen.
Junge Syrerin aus Augsburg meldete Spontan-Demo an
Wie sie erzählt, meldete sie die Spontandemo bei der Polizei ordnungsgemäß an. Über Facebook, TikTok und Instagram wurde die Nachricht von der Veranstaltung verbreitet. Die 20-Jährige sagt, sie saß in den letzten Tagen rund um die Uhr vor dem Fernseher, um die Ereignisse in ihrem Heimatland zu verfolgen. „Ich hatte Angst um meine Verwandten und ob es das Volk diesmal schafft.“ Fadia Faraj war 13 Jahre alt, als ihre Eltern mit ihr und den Geschwistern vor dem Krieg nach Deutschland flohen.
Mit nichts in den Händen seien sie in Augsburg damals angekommen. „Ich musste so kämpfen, natürlich auch die deutsche Sprache lernen.“ Sie klingt stolz auf das Erreichte. „Ich habe Abitur gemacht und mache jetzt ein Dualstudium als Maschinenbauingenieurin bei der Firma Kuka.“ Faraj deutet mit der Hand in Richtung der Menge. „Hier stehen viele, die in Deutschland etwas erreicht haben.“ Ihr Vater Manhal Farij nickt bestätigend. „Ich hoffe, dass Syrien genauso ein demokratisches Land werden kann, wie Deutschland“, meint der 48-Jährige. Sowohl Vater als auch Tochter sehen jetzt die Chance, das Land neu aufzubauen. Eine Chance, auf die sie viele Jahre zuvor vergeblich gehofft hatten. Umso größer ist die Freude jetzt.
Einer der ersten Telefonate von Fadia Faraj in die alte Heimat galt ihrer Oma. „Zum ersten Mal konnte meine Familie raus auf die Straße und frei sprechen. Ich bin so glücklich“, ruft die junge Frau und fügt hinzu: „Ich wünschte, ich könnte in diesem Moment dort sein. Dieser Tag wird ein Tag, den wir Syrer nun jedes Jahr feiern werden.“
Na hoffentlich kommen nach einem Jahr keine Ernüchterung und erneute Aggressionen auf.
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