Helmut ist kein typischer Bewohner des Altenheims Villa Ancora in Bergheim. Der 49-Jährige, dessen Nachname zu seinem Schutz nicht genannt werden soll, teilt sich ein Zimmer mit seiner 86-jährigen Mutter in dem Heim. Denn Helmut leidet unter dem Down-Syndrom und ist schon sein ganzes Leben auf die Fürsorge seiner Mutter angewiesen. Doch die für alle Seiten gute Lösung ist jetzt bedroht: Der Bezirk, der für die Lebenshaltungskosten und Unterbringung des Behinderten aufkommt, hält die Unterbringung für zu teuer. Helmuts Schwester, Doris Stammel, ist verzweifelt. „Ich habe schon überall nach einem Platz für meinen Bruder gesucht - und irgendein Heim weit weg könnte er nicht ertragen“, sagt sie.
Die Probleme begannen 2018, als die Mutter sich nicht mehr alleine versorgen konnte und ins Altersheim umzog, berichtet Doris Stammel. Ihr Bruder sei noch nie von der Mutter getrennt gewesen und käme ohne eine enge Bezugsperson nicht zurecht. Zunächst nahmen sie und ihr Ehemann den Bruder in die gemeinsame Wohnung auf. „Aber dort hat er immer mehr abgebaut“, so die Schwester. Und er entwickelte Ticks, wie stundenlanges, nächtliches Händeklatschen. „Es ging einfach nicht mehr - niemand konnte mehr schlafen“, schildert Stammel die Situation. Ihr Mann und ihr Sohn kamen mit den Ticks nicht zurecht, und die Pflege ihres Bruders begann ihre Ehe zu gefährden.
„Ich habe alle nur erdenklichen Behinderten-Einrichtungen abtelefoniert - aber es gibt keine Plätze“, berichtet die Schwester. Und ihr Bruder sei noch nie in seinem Leben ohne Familie gewesen. „Das geht einfach nicht!“, ist sie überzeugt. In ihrer Not fragte sie die Leiterin des Ancora-Pflegedienstes, Maria Braun, um Hilfe. „Das machen wir möglich“, sei die schnelle, unbürokratische Antwort gewesen. Im September 2023 konnte Helmut in die Villa Ancora umziehen.
Die gemeinsame Unterbringung mit der Mutter im Altersheim funktioniert gut
„Dadurch, dass Helmut seine Mutter gewohnt ist, funktioniert die gemeinsame Unterbringung gut“, sagt die Heimleiterin. Außerdem sei Helmut von seinen körperlichen Gebrechen - unter anderem sitzt er im Rollstuhl - einem alten Mann sehr ähnlich. Die Zimmergemeinschaft mit der Mutter tue beiden gut. Seine Geschwister kümmerten sich um den Mann und besuchten ihn regelmäßig. In der Villa Ancora leben zwölf Bewohnerinnne und Bewohner und werden rund um die Uhr vom Pflegedienst Ancora betreut.
„Bislang hat der Bezirk die Unterbringung übernommen“, berichtet Stammel. Doch jetzt hat sie ein Schreiben vom Bezirk erhalten, in dem steht, dass die Unterbringung zu teuer ist und sie sich ein neues Heim für Helmut suchen soll. Alternativ könne man auch einen Untermieter mit in das Zimmer nehmen. Offenbar geht es um die Zimmermiete und die Nebenkosten, welche der Bezirk nicht für angemessen hält. Da Helmut sich nicht selbst versorgen kann, bezieht er Grundsicherung.
850 Euro Miete inklusive Nebenkosten bezahlt der Bezirk gerade für das halbe Zimmer, das Helmut bewohnt, sagt Heimleiterin Braun. Die Doppelzimmer sind 25 bis 30 Quadratmeter groß. Neben dem Zimmer gibt es in dem Haus noch eine Gemeinschaftsküche und einen Aufenthaltsraum, der von allen genutzt werden kann. Angemessen sind nach Sicht des Bezirks maximal 500 Euro Miete und 86 Euro Nebenkosten. „Ich bezahle pro Heimbewohner 150 Euro im Monat nur für Gas“, verteidigt Braun ihre Rechnung. Insgesamt kostet die Unterbringung des behinderten Mannes in dem Heim 2500 Euro im Monat. „Im Vergleich zu anderen Einrichtungen liegen wir damit sehr günstig“, findet Braun.
„Noch einmal umtopfen wäre für ihn die Hölle“
Schwester und Heimleiterin berichten, dass sich Helmut mit der Gewöhnung an das neue Zuhause lange Zeit schwer getan habe - trotz Mutter. „Es hat eigentlich bis jetzt gedauert - gerade ist Helmut hier richtig angekommen“, sagt Braun. Deswegen fände sie es auch fatal, wenn der Mann schon wieder aus seinem Umfeld gerissen würde. Die Schwester wird deutlicher: „Meinen Bruder noch einmal zu vertopfen, wäre für ihn die Hölle“, sagt sie.
Der Bezirk möchte aus datenschutzrechtlichen Gründen zu dem Einzelfall keine Stellungnahme abgeben. Als überörtlicher Träger der Sozialhilfe zahle man Sozialhilfe an Menschen, die beispielsweise aufgrund einer Behinderung nicht für sich selbst sorgen können. Im Rahmen dieser Leistung übernehme er auch die Unterbringungskosten - deren Höhe allerdings von der Stadt bestimmt würden. In Augsburg werden für einen Ein-Personen-Haushalt von 50 Quadratmetern 500 Euro Miete und 87,54 Heizkosten übernommen. Dabei gebe es eine Karenzzeit von einem Jahr, wenn die Kosten der Unterbringung höher sind, so ein Sprecher. „Die Person, die den Antrag auf diese Leistung stellt, wird – nachdem ihr Antrag bewilligt wird – übrigens gleich darüber informiert, dass die Kosten für ihre Unterkunft die ‚Gesamtangemessenheitsgrenze‘ überschreiten“, betont er.
Doch er hat auch eine gute Nachricht für Helmut und seine Angehörigen: „Der Bezirk übernimmt die Unterkunftskosten dauerhaft in voller Höhe, wenn Nachweise vorliegen, dass die aktuelle Wohnung aufgrund der Art der Behinderung benötigt wird und/oder ein Umzug aufgrund der Behinderung nicht zumutbar/möglich ist“, schreibt er. Ohne entsprechende Nachweise bezahlt man maximal zwei Jahre lang. Selbst ohne Nachweise werden die Unterhaltskosten - in dem fiktiven Fall 587 Euro - weiterhin bezahlt. „Personen, die diese Leistungen beziehen, werden vom Bezirk Schwaben also nicht gezwungen, umzuziehen“, betont der Sprecher.
Für Kriege und Waffen ist genügend Geld vorhanden in Deutschland, nur für solche Fälle nicht. Es ist traurig was in diesem Land passiert.
Der Bezirk führt Krieg? Echt?
Solch Spitzfindigkeit finde ich ganz schön unverschämt. Es kann auch ihr Kind sein.
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