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Baumfällungen in Augsburg: Wird Stadtwald Opfer von Raubbau?

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Massive Baumfällungen: Wird Augsburger Stadtwald Opfer von Raubbau?

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    Großflächige Baumfällungen im Augsburger Stadtwald sorgen einmal mehr für Ärger.
    Großflächige Baumfällungen im Augsburger Stadtwald sorgen einmal mehr für Ärger. Foto: Silvio Wyszengrad

    Ärger, Wut, Entsetzen. So reagieren viele Bürger auf umfangreiche Baumfällungen im Stadtwald. Augsburgs grüne Lunge sieht an einigen Stellen ziemlich löchrig aus. An Waldwegen türmen sich Holzstapel. Durchs Unterholz ziehen sich Schneisen mit Baumstümpfen und Fahrspuren von schwerem Arbeitsgerät. Torsten Demleitner aus Hochzoll spricht von einer "Schande". Seit mehreren Jahren gebe es einen fortschreitenden Kahlschlag, der einen neuen Höhepunkt erreicht habe. Er ist nicht der Einzige, der öffentlich Alarm schlägt.

    "Wer oft und regelmäßig in den Wald geht, kann mit eigenen Augen sehen, was die Augsburger empört", sagt Heike Fischer aus dem Univiertel. In den vergangenen drei Jahren seien im Stadtwald mehr Bäume geschlagen worden als in den 15 Jahren vorher, so ihre Beobachtung. Der städtische Forstamtsleiter Jürgen Kircher kennt solche Beschwerden, die gerade zunehmen. Er sagt, dass im Naturschutzgebiet unterm Strich nicht mehr Bäume gefällt würden als in früher - mit einer Ausnahme.

    Wegen einem tödlichen Pilz müssen viele Eschen gefällt werden

    Bei Eschen, die im Stadtwald weit verbreitet sind, sei der Einschlag tatsächlich massiv. Nötig sei das wegen des Eschentriebsterbens, das durch einen tödlichen Pilz verursacht wird. "Auch uns tut das weh, weil wir von dieser klimaresilienten Baumart viel erwarten und sie nun ausfallen wird", sagt Kircher.

    So sieht ein Stamm aus, der vom Eschentriebsterben geschädigt ist.
    So sieht ein Stamm aus, der vom Eschentriebsterben geschädigt ist. Foto: Silvio Wyszengrad

    Schwerpunkte der Eschenfällungen sind entlang von stark frequentierten Waldstraßen und Rastplätzen, etwa in Bereichen wie im Siebentischwald, am Stempflesee oder im Spickel. In Augsburgs grüner Lunge, dem Stadtwald, halten sich laut einer Studie im Jahr rund drei Millionen Menschen auf, seit Corona wohl noch mehr. Wo viele Erholungssuchende unterwegs sind, stehe für die Forstverwaltung die Sicherheit im Vordergrund, sagt Kircher. "Wenn Eschen umzufallen drohen, müssen wir handeln." Ähnliches gelte im Umfeld großer Gebäude, etwa am Zoo oder an der Augsburger Kanustrecke.

    Viele Bäume fallen jetzt am Augsburger Eiskanal

    Bürger beanstanden, dass derzeit vor allem rund ums Augsburger Kanuleistungszentrum und das Wasserwerk beim Hochablass großflächig abgeholzt werde. Was Torsten Demleitner mit Blick auf den Klimawandel besonders ärgert: Nicht nur kranke Bäume, sondern auch zahlreiche gesunde Exemplare werden beseitigt. Bei den städtischen Forstexperten betont man, dass am Eiskanal zur Kanulsalom-WM im Juli Sportler aus aller Welt und Tausende Zuschauer zu erwarten seien und für Sicherheit gesorgt werden müsse. Dass im Zuge der Eschenfällungen auch gesunde Bäume in deren Umfeld nicht zu retten seien, räumt Kircher ein. Er spricht von "unvermeidlichen Kollateralschäden", teils gehe es auch um die Arbeitssicherheit der Holzfäller oder um die forstliche Notwendigkeit, bestimmte Bereiche im Wald auszulichten, damit sich der Baumbestand natürlich verjüngen kann.

    Selbst wenn für Laien Baumstämme gesund aussehen, für Forstexperten sieht die Sache oft anders aus. Beim Eschentriebsterben seien die typischen geflammten Jahresringe im Stamm und der optisch verfärbte Holzkern deutlich zu erkennen, sagt Abteilungsleiterin Eva Ritter. Dazu komme, dass Eschenstämme von außen intakt wirken, während die Wurzeln abgefault sind. Besorgt ist man im Forstamt inzwischen auch, was die Zukunft vital wirkender Buchen in Augsburg angeht. Beispielsweise in Franken seien an Buchen inzwischen massive Trockenheitsschäden im Zuge des Klimawandels zu beobachten.

    Baumfällungen im Stadtwald: Spekulation über steigende Holzpreise

    Mit großem Unbehagen sehen viele Erholungssuchende im Stadtwald die schweren Maschinen, die beim Fällen und Holzrücken zum Einsatz kommen. "Augsburger Bürger sind keineswegs Querulanten, sondern beschweren sich völlig zu Recht über brachiale Schneisen durch Vollerntemaschinen, zunehmenden Kahlschlag und die wirtschaftliche Ausbeutung ihres Waldes", findet Heike Fischer. Kircher hält die Arbeitssicherheit der Holzfäller dagegen. Der Beruf sei einer der gefährlichsten und unfallträchtigsten überhaupt. Die traditionelle Methode, gefällte Stämme mit Pferden aus dem Unterholz zu ziehen, sei im Trinkwasserschutzgebiet Stadtwald nicht zulässig.

    Für Spekulationen sorgen die explodierenden Preise für Bauholz. Viele Augsburger glauben, dass die Stadt mit Holz aus dem Stadtwald gezielt Geld machen wolle, um finanziell besser dazustehen. Dem widerspricht man im Forstamt. Im Stadtwald stehen laut Kircher die Naherholung und der Naturschutz mit einer aufwendigen Pflege im Vordergrund. Zwar werde das dort gefällte Holz verkauft, trotzdem gebe es in diesem Bereich jährlich ein Defizit. "In der Regel verdienen wir Geld vor allem mit der Fichte, und das in unseren Revieren außerhalb von Augsburg", sagt er. Die Stadt Augsburg zählt zu den größten kommunalen Waldbesitzern bundesweit. Von den Erträgen profitieren die ehemals Wald besitzenden Stiftungen, die sich in Bereichen wie Altenhilfe, Soziales oder Kultur engagieren.

    Bei den Fällungen kommt schweres Gerät zum Einsatz, das vorübergehend erhebliche Schneisen im Wald hinterlässt.
    Bei den Fällungen kommt schweres Gerät zum Einsatz, das vorübergehend erhebliche Schneisen im Wald hinterlässt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Warum dann nicht den Stadtwald ganz aus der forstlichen Nutzung nehmen? Könnte man die Natur nicht sich selbst überlassen? Eva Ritter sagt, das sei in diesem Fall nicht gewollt. Fällungen seien auch nötig, um den lichten Wald mit seinen typischen Lebensräumen für seltene Tiere und Pflanzen zu erhalten. An Stellen im Waldesinneren, wo es ungefährlich ist, dürfen Gruppen von Biotopbäumen stehen bleiben, bis sie natürlich verrotten. Der Anteil des sogenannten Totholzes im Revier Siebenbrunn liegt bei über 30 Festmeter pro Hektar. Das ist laut Kircher fast doppelt so viel wie in kommunalen Wäldern in Bayern üblich.

    Der Klimawandel macht dem Wald zu schaffen. Deswegen muss er sich verändern. Im Podcast "Augsburg, meine Stadt" sagt Försterin Eva Ritter, wie unser Wald deswegen in hundert Jahren aussehen wird.

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