In der Augsburger Maximilianstraße sieht es am Montagvormittag aus wie immer. Autos, Passanten, die ersten Gäste sitzen vor Cafés und Lokalen. Alles normal, aber nur auf den ersten Blick. Seit der Randale-Nacht vom Wochenende, bei der sich mehrere hundert junge Nachtschwärmer mit der Polizei angelegt hatten, ist nichts mehr normal in der Stadt. Es herrscht Entsetzen. Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) wohnt selbst in der Maxstraße. Sie sagt, solche Szenen hätte sie sich in der Straße nicht vorstellen können. Polizisten mit Helmen, der Einsatz von Schlagstöcken und Pfefferspray. Die Stadt reagiert darauf nun mit drastischen Regeln. Das soll die Situation beruhigen, verhindern, dass es noch einmal so massive Ausschreitungen gibt. Doch das Problem, das wissen alle, sitzt tiefer.
Augsburg will mit neuen Regeln Situation in der Maxstraße beruhigen
Es überrascht niemanden, als die Oberbürgermeisterin am Montag die neuen Regeln verkündet. Das war so erwartet worden. Es sind Maßnahmen, wie auch andere bayerische Städte sie schon verhängt haben. In der Innenstadt wird abends der Verkauf und Konsum von Alkohol verboten, Teile der Maximilianstraße werden abgesperrt und die Besucherzahl dort begrenzt. Andreas Schaumaier, der Chef der Polizeiinspektion in der Innenstadt, glaubt, dass diese Maßnahmen wirken werden. Trotzdem steht weiter die Frage im Raum, wie die Stimmung in der Maximilianstraße so explodieren konnte – und wer die jungen Menschen sind, die offensichtlich ihren Spaß hatten an der Konfrontation mit der Polizei.
Den ersten Erkenntnissen nach waren darunter junge Leute, die sich zuletzt auch in verschiedenen Parks getroffen haben. Dort gab es schon im Frühjahr Körperverletzungen, einmal sogar mit einem Messer ausgetragen, und ebenfalls Konflikte mit der Polizei. In den Parks waren es Gruppen von jungen Männern, viele davon mit Migrationshintergrund.
Der Augsburger Polizeipräsident warnt, vorschnell ein Urteil zu fällen
Diese Gruppen wurden jetzt offenbar auch in der Maximilianstraße gesichtet. Polizeipräsident Michael Schwald warnt aber, vorschnell ein Urteil zu fällen, wer hinter den Ausschreitungen stehe. Zunächst müssten die Täter ermittelt werden. Sieben Tatverdächtige, die an Schlägereien und auch an Angriffen auf Beamte beteiligt gewesen sein sollen, kennt die Polizei bisher namentlich. In der Nacht waren die Polizisten so damit beschäftigt, die Situation zu beruhigen und die Innenstadt zu räumen, dass sie keine weiteren Verdächtigen festnehmen konnten. Nun werten die Ermittler aber Videos aus – mehrere Beamten hatten ihre Uniformkamera an, außerdem filmten auch Beamte der Bereitschaftspolizei das Geschehen. Die Aufnahmen seien gut, sagt Schwald. Er sei zuversichtlich, dass schon bald weitere Täter ausfindig gemacht werden könnten. Bei der Augsburger Kripo wurde inzwischen eine Ermittlungsgruppe eingerichtet. Rund 200 Mal sollen Flaschen auf Polizisten und Sanitäter geworfen worden sein, meldet die Polizei. In 20 bis 30 Fällen seien es Glasflaschen gewesen.
Andreas Schaumeier hat den Einsatz in der Randale-Nacht geleitet. Er kann sich den plötzlichen Gewaltausbruch auch nicht richtig erklären. Bis gegen Mitternacht war alles relativ ruhig. Dann, als Beamte bei einer Schlägerei dazwischen gingen, verbündeten sich Hunderte gegen die Polizei. Sie skandierten „ACAB“ (das steht für „All cops are bastards“), teils auch „Türkiye“ („Türkei“) und warfen mit Flaschen. Als ein Rettungswagen durch die Menge nahe des Herkulesbrunnens fahren musste, wurde auch dieser beworfen. Die Menge habe laut gepfiffen und gejohlt. Als die Polizei sich entschied, die Menschen zurückzudrängen und später auch den Herkulesbrunnen zu räumen, stießen die Beamten immer wieder auf Widerstand. Mehrere hundert Menschen wollten nicht gehen. Es seien immer wieder Flaschen geworfen worden, Beleidigungen und Provokationen gefallen.
"Es sah aus, als ob sie Spaß hätten, sich mit der Polizei anzulegen"
Ein Beamter, der in der Nacht dabei war, sagt: „Es sah so aus, als ob sie Spaß daran hätten, sich mit der Polizei anzulegen. Für manche war es offenbar wirklich eine Art Event.“ Manche hätten wohl nur darauf gewartet, dass irgendwo ein Streit losbricht, um dann eine Massenschlägerei anzetteln zu können. Überwiegend seien es zwar junge Männer gewesen, aber auch erstaunlich viele Frauen – die lachend mit dem Smartphone filmten, auf die Polizei schimpften und Sprechchöre mit skandierten.
Ist es der Frust nach einem langen Corona-Lockdown, der sich nun so entlädt? Polizeipräsident Michael Schwald glaubt das nicht. Es seien Einzelne, die „unter dem Deckmantel angeblicher Frustration“ Gewalt ausgeübt hätten. Die Gefahr, dass sich andere in der Hitze der Nacht davon anstecken lassen, sieht er aber offenbar auch. Denn er richtet einen Appell an die Nachtschwärmer: „Lassen Sie sich nicht von diesem Mob missbrauchen!“
Randale in der Maxstraße: Vom Ausmaß der Aggression war auch die Polizei überrascht
Schon an den Wochenenden zuvor hatte es kritische Situationen in der Maxstraße gegeben, auch da hatten sich Nachtschwärmer mit der Polizei angelegt. Allerdings bei weitem nicht in diesem Ausmaß. Hat man bei Stadt und Polizei die Lage unterschätzt – und sich nicht ausreichend vorbereitet? Oberbürgermeisterin Weber widerspricht diesem Verdacht, der auch aus den Reihen der Opposition im Rathaus kommt. Mit einer solchen Eskalation, sagt sie, habe keiner rechnen können. Die Stadt habe mit der Polizei ein Konzept für den Sommer entwickelt und die Regeln auch nachgeschärft. Polizeipräsident Michael Schwald sagt, es seien ausreichend Polizeikräfte in Augsburg gewesen. Vom Ausmaß der Aggression sei man überrascht gewesen.
In der Maximilianstraße geht derweil am Montag das Aufräumen weiter. Ein Mitarbeiter der Stadtwerke muss den Herkulesbrunnen reparieren. Unter anderem wurden Strahler beschädigt, die den Brunnen ins rechte Licht rücken sollen. Jetzt ist der Brunnen im Licht der Öffentlichkeit. Aber so, wie es die Stadt nie wollte.
Über die Probleme in der Maximilianstraße sprechen wir auch in der aktuellen Folge des Podcasts "Augsburg, meine Stadt". Hier können Sie das Gespräch anhören.