Gewalt, Beleidigungen, Undankbarkeit, all das ist Alltag für Rettungskräfte, sagt ein erfahrener Notfallsanitäter, der in der Krawallnacht in der Maxstraße im Einsatz war. Er sagt am Tag danach aber auch: „So etwas habe ich noch nicht erlebt, das waren bürgerkriegsähnliche Zustände.“ Seit zwölf Jahren arbeitet der Mann, der seinen Namen nicht in diesem Artikel lesen möchte, im Rettungsdienst. Er wird nach eigenen Angaben wöchentlich beleidigt, monatlich angegriffen. Das meiste pralle an ihm ab. Doch an diesem Abend war alles anders. Kurz vor Mitternacht am besagten Abend rückte der Sanitäter aus, die Partymeile war bereits voller Menschen, nicht mehr befahrbar.
Als er seinen betrunkenen Patienten in einer der Nebenstraßen erreichte, schrie dieser um sich, beleidigte die Retter auf übelste Weise. Kollegen, so schildert es der Notfallsanitäter, mussten sogar direkt auf die Maxstraße fahren, um dort einen Menschen zu versorgen. Betrunkene kletterten auf das Fahrzeug, bespuckten die Einsatzkräfte, behinderten sie bei der Arbeit.
Sanitäter: Randalierer in der Augsburger Maxstraße hatten Spaß an Flaschenwürfen
Der Konflikt zwischen Krawallmachern und Polizisten eskalierte wenig später. „Als die Leute mit Flaschen warfen, sah man ihnen an, dass es ihnen Spaß bereitete“, schildert der Retter. Sie hätten eine „Sportart“ daraus gemacht: „Wer trifft den Polizisten besser?“ Es sei wohl viel Alkohol geflossen, möglicherweise hätten die Feiernden die Party durch die Polizei gefährdet gesehen und sie als Feindbild auserkoren, mutmaßt er. Der Alkoholpegel aber sei keine Entschuldigung für so ein Verhalten, schließlich benehme sich der Großteil der Bevölkerung auch noch, wenn er etwas getrunken habe. „Für mich ist das ein Zeichen schlechter Erziehung.“
Ein weiteres Problem: Die Betrunkenen und Randalierer gefährden nicht nur sich und andere, sondern bündeln auch die Kräfte des Rettungsdienstes, der eigentlich Kranke und Unfallopfer behandeln müsste. Ein solches „Großereignis“ wie in der Krawallnacht können die üblichen Einsatzkräfte kaum abdecken - zusätzlich zu den Schlaganfällen, Verkehrsunfällen und anderen Notfällen, die sich mit oder ohne Party auf der Maxstraße ereignen. Während die Lage in der Innenstadt eskalierte, benötigten auch andere Menschen in Augsburg die Hilfe der Retter. Deshalb sei entschieden worden, eine sogenannte Schnelleinsatzgruppe aus ehrenamtlichen Einsatzkräften in die Innenstadt zu rufen, berichtet der Sanitäter. So habe sich der sogenannte Regelrettungsdienst, wie die hauptamtlichen Einsatzkräfte heißen, auf das übrige Stadtgebiet konzentrieren können - auf Patienten, die in der Regel nicht selbstverschuldet in eine Notlage geraten sind.
Nachdem der Rettungssanitäter den Betrunkenen im Krankenhaus abgeliefert hatte, habe er beschlossen: Dieses Mal werde er die Beleidigungen nicht auf sich sitzen lassen und Anzeige erstatten, um ein Zeichen zu setzen. Viele seiner Kollegen wollen solche Einsätze nicht mehr über sich ergehen lassen, beginnen ein Studium oder wechseln in einen Bürojob. „Da bespuckt dich niemand.“
Betrunkene benötigen Rettungskräfte, die eigentlich Kranken helfen sollen
Warum er sich den Beruf - anders als manch Ex-Kollege - trotzdem antut? Er schöpfe seine Motivation daraus, Menschen zu helfen, oft sogar das Leben zu retten, sagt der erfahrene Sanitäter. Doch wenn Szenen, wie sie sich am Samstag auf der Augsburger Feiermeile abspielten, jetzt alltäglicher würden, dann denke auch er über einen Ausstieg nach. „Wenn ich ein bewusstloses Kind in einem anderen Stadtteil liegen lassen muss, um betrunkene Randalierer auf der Maxstraße zu versorgen, dann zweifle ich am System.“
Über die Probleme in der Maximilianstraße sprechen wir auch in der aktuellen Folge des Podcasts "Augsburg, meine Stadt". Hier können Sie das Gespräch anhören.