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Augsburger Geschichte: Vor mehr als 150 Jahren begann die Bändigung des Lechs

Augsburger Geschichte

Vor mehr als 150 Jahren begann die Bändigung des Lechs

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    Lechregulierung oberhalb des Hochablasses im Jahr 1927.
    Lechregulierung oberhalb des Hochablasses im Jahr 1927. Foto: Sammlung Häußler

    Auf einer Landkarte aus dem Jahr 1846 ist der Lech bei Augsburg als kilometerbreites Fließgewässer aus vielen Rinnsalen mit Kiesbänken eingezeichnet. Das war der Ur-

    Der Kampf gegen die Urgewalten des Wildflusses Lech

    Hochwässer hinterließen auf Äckern und Wiesen Kies und Sand. Sie lagerten mitgerissene Bäume und Sträucher auf den Feldern ab. Bauern erlitten durch Ernteverluste riesige Schäden. Uferverbauungen waren beschädigt und Brücken zerstört. Den Kampf gegen die Urgewalten des Wildflusses Lech dokumentieren Berichte aus etlichen Jahrhunderten. In Augsburg sind die Aufzeichnungen detailliert. Für die Stadt war der Lech einst der wichtigste Energielieferant und eine Transportstraße für Flöße. 

    Lechwasser wird noch immer in einem Kanalsystem durch die Stadt geleitet. Es trieb die Wasserräder für Gewerbebetriebe und für die Trinkwasserpumpen an. Die Erfindung von Wasserturbinen leitete in den 1840er-Jahren die Industrialisierung Augsburgs ein. Etliche Fabriken siedelten sich wegen der reichlich vorhandenen Wasserenergie in Augsburg an. Bei Hochwasser und Eisgang fiel der Lech jedoch als Antrieb aus. Die Produktion lag still. Die Stadt investierte deshalb stets viel Geld in den Hochwasserschutz und in die schnelle Beseitigung von Hochwasserschäden. 

    Der ungebändigte Lech zwischen Augsburg und Gersthofen im Jahr 1846.
    Der ungebändigte Lech zwischen Augsburg und Gersthofen im Jahr 1846. Foto: Sammlung Häußler

    Im 19. Jahrhundert wurde eine Abhilfe immer dringlicher: Eine von der Obersten Baubehörden des Königreichs Bayern organisierte Bändigung des Lechs wurde geplant. Der Lech musste ein tiefes, kanalartiges Flussbett bekommen, das er auch bei Hochwasser nicht verließ. Im Jahr 1852 begannen die Regulierungsarbeiten zwischen dem Hochablass und der Mündung in die Donau. Der Lech werde „korrektioniert“, hieß es damals im Amtsdeutsch. Vom

    Die Landwirtschaft in der Lechebene profitierte von der Bändigung des Flusses

    Die Landwirtschaft in der Lechebene profitierte immens von der Korrektion durch Landgewinn. Auen entwässerten sich und konnten kultiviert werden, da sie nicht mehr überschwemmt wurden. Die Zähmung des unberechenbaren Gebirgsflusses wurde von Anliegern ausnahmslos begrüßt. Die positive Seite war schnell sichtbar, negative Folgen zeigten sich nach wenigen Jahren.

    Hochwasser 1910: Die hölzerne Lechbrücke bei Gersthofen ist zerstört.
    Hochwasser 1910: Die hölzerne Lechbrücke bei Gersthofen ist zerstört. Foto: Sammlung Häußler

    Die Stabilisierung des Lechlaufs ermöglichte die Ableitung eines Kraftwerk-Kanals und bei Gersthofen den Bau des damals leistungsfähigsten Wasserkraftwerks in Bayern. Seit Oktober 1901 liefert das E-Werk Gersthofen der Lechwerke Strom. 1901 ging auch das Kraftwerk der Augsburger Stadtbach-Spinnerei auf der Wolfzahnau in Betrieb. Es produziert noch immer Ökostrom. Das Triebwasser für die Turbinen liefert ein Kanal zwischen Lech und Wertach. Beim Bau des Kraftwerks hatte sich der Lech bereits um mehrere Meter eingetieft. Das bedeutete am Kraftwerk mehr Sturzhöhe und damit eine hohe Ausbeute der Wasserkraft. Andererseits war die sich weiter eintiefende Flusssohle ein Problem. Sie machte den Einbau von Wehren zur Verringerung der Fließgeschwindigkeit des Lechs und zum Schutz von Brücken nötig. 

    1888 war die „Korrektion“ des Lechs vom Hochablass abwärts abgeschlossen, südlich davon wurde der Lech in den 1920er- und 1930er-Jahren gebändigt. Er wandelte sich vom Wildfluss zum Energielieferanten. Stauseen und Kraftwerke wurden gebaut. Man habe dabei keinerlei Rücksicht auf die Flusslandschaft und deren einzigartige Pflanzen- und Tierwelt genommen, beklagen Naturschützer. Inzwischen suchen Wasserbauer nach neuen Möglichkeiten. Das Projekt „Licca liber“ (freier Lech) ist eine davon. Das Ziel: Der Lech soll naturnah fließen und trotzdem bei Hochwasser funktionsfähig bleiben. 

    Hochwässer erforderten Nachbesserungen am Lech in Augsburg

    Wie wichtig dies ist, haben Hochwässer bewiesen. 1910 war das alte Hochablasswehr weggerissen worden. Teile von Augsburg und das Lechtal waren überschwemmt, Ufer beschädigt, Brücken zerstört. Mit dem 1912 fertiggestellten neuen Hochablasswehr glaubte man, diese Gefahr dauerhaft gebannt zu haben. Das Hochwasser im August 1970 zeigte, dass Nachbesserungen an Dämmen nötig waren. Diese Vorsorge bewährte sich bei Hochwassern 1999 und 2005, doch der Hochwasserschutz bei Augsburg ist auf eine Höchstwassermenge von 1600 Kubikmetern pro Sekunde berechnet. Sie wurde 2005 fast erreicht. Damals rutschte die vorgefertigte Autobahnbrücke an einer Seite ab. 

    Am Hochablass: Hochwasser am 25. Mai 1999.
    Am Hochablass: Hochwasser am 25. Mai 1999. Foto: Sammlung Häußler

    Eine gravierende Auswirkung der Kanalisierung des Lechs ist das Austrocknen der Auwälder. Eine Gegenmaßnahme im Auwald bei Gersthofen zeigt Wirkung. Seit 1996 erhält dort der trockengefallene Branntweinbach wieder Wasser. Die Lechwerke bauten einen Düker unter dem Lech hindurch. In ihm wird Wasser aus dem parallel fließenden Kraftwerkskanal in den Branntweinbach geleitet. Nach einer Fließstrecke von rund 5000 Metern wird er zum Versickern im Auwald gezwungen. Typische Auwald-Vegetation kehrte zurück, viele Tierarten von Libellen bis zu Bibern haben das Biotop aus zweiter Hand besiedelt. 

    Weitere stadthistorische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier. 

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