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Augsburger Geschichte: Stempflesee und Siebentischwald lockten Augsburger bereits vor 100 Jahren an

Augsburger Geschichte

Stempflesee und Siebentischwald lockten Augsburger bereits vor 100 Jahren an

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    Das Ausflugsziel mit sieben Tischen anno 1740.
    Das Ausflugsziel mit sieben Tischen anno 1740. Foto: Sammlung Häußler

    Der Stempflesee im Siebentischwald ist ein beliebtes Augsburger Naherholungsziel. Per Fahrrad ist er aus allen Himmelrichtungen erreichbar. Autofahrer, Straßenbahn- sowie Zoo-Bus-Nutzer müssen einen Fußmarsch in Kauf nehmen. Dass es mal eine Ausflugs-Straßenbahn mit der Aufschrift „Siebentisch“ gab, klingt wie eine Episode. Von 1920 bis 1939 verkehrten Sonderwagen der Linie 4 zwischen dem Hauptbahnhof und der Endhaltestelle „Siebentisch“ bei der Siebentisch-Gaststätte.

    Die Schienen zweigten an der Haunstetter Straße von der Stammstrecke der Linie 4 ab. Sie waren entlang der Ilsungstraße verlegt. Die Fahrt endete am Waldrand. Von dort waren es wenige Schritte bis zur Ausflugsgaststätte Siebentisch. Sie stand auf einer Waldlichtung an der Einmündung der Siebentischstraße in die Ilsungstraße. Dass die Siebentisch-Wirtschaft 19 Jahre lang an das Schienennetz der Straßenbahn angeschlossen war, deutet auf eine lohnende Auslastung durch Fahrgäste.

    Der Stempflesee im Jahre 1926.
    Der Stempflesee im Jahre 1926. Foto: Sammlung Häußler

    Für viele Augsburger Familien gehörte der Sonntagsausflug in den Siebentischwald zu den sommerlichen Ritualen. Viele kamen zu Fuß und sangen dabei das ellenlange, deftig-holprig formulierte Siebentischlied. Jede Strophe endete mit dem Refrain „Die Luft geht da so rein und frisch, es lebe hoch der Siebentisch!“ Verpflegung – meist Radi, Wurst, Käse, gekochte Eier und Kartoffelsalat – brachte man im Rucksack oder Picknickkorb mit. Ziel war meist die Siebentisch-Wirtschaft. Hier gab es Getränke. An einem Tisch im weiten Biergarten wurde ausgepackt.

    Von Bischofs-Au zum Siebentischwald

    Der Bierausschank hatte eine lange Tradition. Hier stand ab 1602 die Diensthütte des städtischen Holzwarts. Zur Aufbesserung seines Lohnes erhielt er die Erlaubnis, Ausflügler zu bewirten. Es war ein Freiluftbetrieb: In den Boden getriebene Pflöcke wurden mit Brettern versehen – fertig waren sieben Tische und die zugehörigen Sitzbänke. Die ursprünglich sieben Tische gaben dem Wald den Namen. Er hieß zuvor Bischofs-Au.

    „Ausflugsort Siebentisch“ ist die Postkarte mit der 1908 erbauten Gaststätte beschriftet.
    „Ausflugsort Siebentisch“ ist die Postkarte mit der 1908 erbauten Gaststätte beschriftet. Foto: Sammlung Häußler

    Der Bierausschank des Holzwarts florierte. Das bestätigen Berichte. „In einer kleinen Entfernung von der Stadt, in dem der Stadt gehörigen Tannenwald, ist ein Ort, der sehr fleißig besucht wird, so man die sieben Tische nennt, weil man unter den Bäumen aller Orten Tische mit Bänken findet“, heißt es. Eine Zeichnung trägt die Beschriftung: „Die grünen sieben Tisch, die werden frequentiert zu Fuß, in Kutsch, zu Pferd, damit die Zeit passiert“. Aus dem Bierausschank entwickelte sich im 19. Jahrhundert eine Gaststätte. Bildpostkarten überliefern sie.

    Der Augsburg Gottfried Stempfle regte den Bau eines Sees an

    1915 schlug der Augsburger Magistratsrat Gottfried Stempfle die Anlegung eines Sees in der Nähe der Siebentisch-Wirtschaft vor. Die Idee fand Gehör. Der Magistrat fasste den Beschluss, eine Kiesgrube zum flachen See mit Rundweg umzugestalten. Für Frischwasser und Durchfluss bot sich der Zigeunerbach an. Das Geld reichte 1915 nur für die Planung, nicht aber für deren Verwirklichung. Man befand sich seit 1914 im Krieg.

    Erst als 1924 nach dem Ende der Inflationszeit Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen hoch bezuschusst wurden, nahm die Stadt das See-Projekt auf. Die seichte, 1,4 Hektar große Wasserfläche bekam im April 1924 den Namen „Stempflesee“. Damit ehrte man den Initiator Gottfried Stempfle (1848–1929). Der Stempflesee war ein weiteres Ziel für einen Ausflug per Straßenbahn.

    Straßenbahn der Ausflugslinie „Hauptbahnhof – Siebentisch“ an einer Baustelle in der Bahnhofstraße.
    Straßenbahn der Ausflugslinie „Hauptbahnhof – Siebentisch“ an einer Baustelle in der Bahnhofstraße. Foto: Sammlung Häußler

    Wenige Wochen nach Beginn des Zweiten Weltkriegs wurde am 22. September 1939 der Ausflügler-Service eingestellt. Die Schienen entlang der Ilsungstraße wurden einige Jahre später abgebaut und ersetzten durch Bomben zerstörte Gleise. Zahlreiche Bomben, die den Flugplatz und die Flugzeugwerke Messerschmitt treffen sollten, explodierten im Siebentischwald. Krater zeugen noch immer davon. Die Siebentisch-Wirtschaft wurde durch einen Volltreffer zerstört. Auch im Stempflesee landeten Bomben. Zuläufe und die Ausbettung des künstlichen Sees wurden zerstört. Er fiel trocken und konnte erst 1948 wieder geflutet werden. Seither wurde er mehrfach saniert.

    2005 wurde die Erinnerung an die Siebentisch-Wirtschaft wiederbelebt. Am einstigen Standort wurde ein Picknickplatz mit sieben rustikalen Holztischen angelegt. An die Siebentisch-Straßenbahn erinnern Fotos und die in 100 Jahre alten Stadtplänen eingezeichnete Gleistrasse entlang der Ilsungstraße.

    Weitere stadthistorische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier.

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