Der Steinerne Mann ist der bekannteste Bäcker in Augsburgs Stadtgeschichte. Die Sage erzählt, er habe im Dreißigjährigen Krieg mit einem Brotlaib Augsburgs Belagerer zu täuschen versucht. Sie sollten glauben, die in Wirklichkeit längst hungernde Stadtbevölkerung sei mit Nahrungsmitteln reichlich versorgt. Die Steinfigur in einer Stadtturm-Nische an der Schwedenmauer erinnert an den sagenhaften Helden.
Historiker verweisen auf den Hintergrund der Sage: Es ist die einstige Bedeutung von Brot als Grundnahrungsmittel der Stadtbevölkerung. Brot war lebenswichtig. Aus diesem Grund überwachte Augsburgs Obrigkeit den Handel mit Getreide und erließ für Bäcker viele Vorschriften. Die älteste schriftlich überlieferte stammt aus dem Jahr 1156: Es ist die Anweisung für die Bäcker, Brot stets mit dem richtigen Gewicht zu backen. Wer betrog, wurde hart bestraft.
Im Jahr 1248 mussten es sechserlei Brotsorten sein
Hygienevorschriften beim Brotverkauf tauchen 1248 auf: Erstmals sind Verkaufstische für Brot beim Straßenverkauf in der Innenstadt erwähnt. Dort wurden erst ab 1614 die ersten Straßen mit großen Lechkieseln gepflastert. Um Verunreinigungen vorzubeugen, durfte Brot im Straßenverkauf nur auf Tischen angeboten werden. Sechserlei Brotsorten mussten es anno 1248 sein. Nach heutigen Begriffen war es Ökobrot, gebacken mit Mehl aus Ur-Getreide wie Emmer, Einkorn und Dinkel. Anno 1276 sind auch „Saemlin“ und „Braetzcen“ erwähnt.
Anno 1283 löste ein Brothaus für die Augsburger Bäcker die Brotverkaufsstände ab. Auch Bäcker aus dem Umland belieferten Augsburg mit Brot. Sie durften von ihren Transportkarren auf festgelegten Straßenabschnitten erkaufen. Der Bereich zwischen Moritzplatz und Rathaus hieß bis 1806 offiziell Brotmarkt. Dort bildeten aufgereihte überdachte Brotkarren malerische Motive, die Künstler mit Kupferstichen überliefern.
Anno 1396 wurde südlich des Moritzplatzes für Augsburgs Oberschicht ein Tanzhaus erbaut. Getanzt wurde im großen Saal im Obergeschoss, die Gewölbehalle darunter war eine Verkaufshalle für Metzger und Bäcker. 1398 bekamen die Bäcker an der Ecke Perlachberg/Karolinenstraße ein Zunfthaus mit Verkaufsläden. 1602 erhielt Elias Holl den Auftrag, das über 200 Jahre alte „Beckenhaus“ am Perlachberg durch einen Neubau zu ersetzen. Das große Gebäude brannte in der Bombennacht 25./26. Februar 1944 aus, die Fassade wurde abgebrochen.
Eine Anweisung für die Bäcker aus dem Jahr 1606 war äußerst verbraucherfreundlich: Die Bäcker wurden angewiesen, jeden Tag frische Semmeln anzubieten – auch an Sonntagen. Sonn- und feiertags war Verkaufsbeginn um 10 Uhr. Preis und Gewicht für Brote waren noch im 19. Jahrhundert vorgeschrieben.
Offenbar hielten sich nicht alle Bäcker daran, denn 1845 wurde die Brotkontrolle verschärft: Jeder Brotlaib musste mit einem eingebackenen Herkunftsnachweis versehen sein. Er durfte nur mit der in den Teig eingedrückten Litera-Anschrift der Bäckerei (zum Beispiel „F 45“ = Georgenstraße 25, St.-Georg-Bäckerei) verkauft werden. Neben Brot gab es 1845 ein großes Sortiment unreglementierter Backwaren. Aufgeführt sind Eierwecken, Bretzchen, Hörnlein, mürbes Ulmer-, Frankfurter-, französisches, Milch-, Herren- oder Mundbrod, Stingele, Zöpfle, Schnecken und Butterlaibchen.
In den Notzeiten des 20. Jahrhunderts gab es Brot nur gegen Marken
In den Mangel- und Notzeiten des 20. Jahrhunderts war Brot nur gegen Marken erhältlich. Brotmarken aus der Zeit des Ersten Weltkriegs und von 1939 bis 1950 erinnern daran. Der Staat regulierte durch Ausgabe von Einkaufsmarken den Lebensmittelmangel. Viele Märkchen blieben erhalten. Das bedeutet: Sie konnten nicht eingelöst werden, es gab nicht genügend Brot zu kaufen.
Die Bäckereien hatten nicht die zum Backen nötige Mehlzuteilung erhalten. Der Staat bewirtschaftete den gesamten Lebensmittelsektor. Bäckereien konnten in Mangelzeiten Mehl nicht beliebig einkaufen. Der Schwarzmarkt blühte zwar, doch Normalverdiener konnten sich die hohen Schwarzmarktpreise nicht leisten. Sie waren auf Markenzuteilungen zu festgelegten Mengen und Preisen angewiesen.
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