Am 29. September 2019 wird die Oldtimer-Rallye „Fuggerstadt Classic“ stattfinden. Start und Ziel der Eintagesfahrt ist die Maximilianstraße. Es dürften wieder viele „Alt-Automobile“ zu bewundern sein. Grundlage des Oldtimer-Treffens ist das Patent Nr. 37435 für ein „Fahrzeug mit Gasmotorenbetrieb“, ausgestellt im Jahr 1886 für Benz & Co. in Mannheim. Das war der Beginn des Autozeitalters.
Vehikel schaffte 16 Stundenkilometer
Die Konstruktionszeichnungen in der Patenturkunde zeigen ein Gefährt, das kaum heutigen Autos gleicht. Das Fahrzeug verfügt über ein kleines vorderes und zwei große hintere Speichenräder. Der Mini-Motor befindet sich unter dem Fahrersitz. Am 3. Juli 1886 wurde der „Benz“ Nr. 1 auf Mannheims Straßen zum ersten Mal gesichtet. Das dreirädrige Vehikel schaffte 16 Stundenkilometer.
Der Benz’sche „Patent-Motorwagen“ gilt als erster praxistauglicher Kraftwagen. Zeitgleich hatte 1886 auch Gottlieb Daimler in Cannstatt eine „Motorkutsche“ gebaut. Es war ein umgebauter vierrädriger Pferdewagen. Ein 1,5-PS-Motor trieb diese „Kutsche ohne Deichsel“ an. Benz und Daimler hatten unabhängig voneinander motorisierte Straßenfahrzeuge vorgestellt. Die Weiterentwicklung dieser Urmodelle verlief schnell. 1888 warb Carl Benz für seinen noch immer dreirädrigen „Motorwagen“ mit abnehmbarem Halbverdeck und Spritzleder: „Erspart den Kutscher, die teure Ausstattung, Wartung und Unterhaltung der Pferde.“
Als dieses Komfortmodell am 16. September 1888 erstmals durch München fuhr, war das eine Zeitungsmeldung wert: Der Benz’sche Motorwagen habe „Probefahrten auf den Straßen der Stadt mit vorzüglichem Erfolg“ absolviert. Die Nachfrage von Käufern lief zögerlich an. Erst als Carl Benz 1893 Vierrad-Fahrzeuge zu fertigen begann, stiegen die Absatzzahlen. Das Modell „Velo“ kam 1894 auf den Markt und wurde zum Erfolg. 1897 verließ der 1000. „Benz“ das Mannheimer Werk.
1895 fuhr das erste Auto in Augsburg
1899 stieg Adam Opel in Rüsselsheim in den Automobilbau ein. Er hatte seit 1863 Nähmaschinen und ab 1886 Fahrräder hergestellt. Das Opel-Urmodell war mit einem 3,5-PS-Motor ausgestattet und 20 Stundenkilometer schnell. Ehe in Augsburg das erste Automobil gesichtet wurde, sollten noch einige Jahre vergehen. Erst am 21. September 1895 war es so weit.
Die Augsburger Abendzeitung berichtete: „Ungewöhnliches Aufsehen erregte heute Vormittag ein Gefährt, das ohne Gespann im schnellsten Laufe mehrere Straßen der Stadt durchfuhr und im Gasthof zum Eisenhut einstellte.“ Es war ein Motorwagen, den ein Vertreter der Firma Kathreiner in München als Reise-Equipage benützt. Das Gefährt unterscheidet sich in seinem Äußern nicht wesentlich und nur insofern von anderen Vehikeln, dass es keine Deichsel hat und statt durch Pferde durch einen vorn angebrachten, wenig Raum einnehmenden Benzinmotor in Bewegung gesetzt wird. Das Gefährt hat zwei Sitzplätze, die wie in einer Chaise bei Regen mit einem Dach überspannt werden können.
Statt des Kutschers leitet ein Maschinist, der auch eventuell unterwegs notwendige Reparaturen ausführen kann, ohne jede Mühe das Gefährt, das sich aufs Akkurateste steuern lässt. Die Fahrt geht mit nicht größerer Erschütterung als in einer Droschke vonstatten. In der Stunde, die einen Kostenaufwand von circa 30 Pfennig erfordert, können 15 bis 18 Kilometer zurückgelegt werden. „Das Gefährt kostete 4500 Mark und ist von der Firma Daimler in Cannstatt gefertigt“, heißt es in der Zeitung.
Radfahrer waren amtlich registriert
Die Augsburger Verkehrsvorschriften waren 1900 noch nicht auf Autos abgestimmt. In den 62 Paragrafen sucht man das Stichwort „Automobil“ vergeblich. Ellenlang dagegen sind 1900 die Vorschriften für Radfahrer, Kutscher und Reiter. In Augsburg waren 6923 Radfahrer amtlich registriert.
Im Paragraf 52 versteckt sich ein Hinweis aufs Automobil: „Das Fahren mit Velocipeden sowie mit durch Gaskraft, Dampf oder ähnlichen Motoren fortbewegten Fuhrwerken ist nur aufgrund besonderer polizeilicher Erlaubnis und nur unter Beachtung der an diese Erlaubnis geknüpften Anordnungen gestattet.“
1906 waren in Augsburg 27 Personenkraftwagen, fünf „Krafträder“ und drei Lastkraftwagen zugelassen. 1910 waren es 50 Pkw, 25 Motorräder und 15 Lkw. 1925 überstieg die Anzahl der Motorräder (437) erstmals die der Pkw (405). Das sollte bis 1950 so bleiben (3175 Pkw, 4208 Motorräder). Dann setzte der Auto-boom ein: 1965 standen in Augsburg-Stadt 35441 Pkw nur mehr 1853 „Krafträder“ gegenüber. 1971 wurde mit 51307 Pkw die 50000er-Marke, 1980 die 100000er-Grenze überschritten. Ende 2017 waren 134698 Personenautos in Augsburg angemeldet. Tendenz: jährlich um etwa 2500 steigend.
Das Auto ist seit seiner Erfindung ein Sinnbild für Fortschritt und ein Statussymbol. Das belegen frühe Autofotos. Eines der 27 im Jahr 1906 in Augsburg zugelassenen Automobile war der luxuriöse Wagen des MAN-Direktors Richard Buz. Ein Foto überliefert die große Karosse. Eine Rarität ist die Aufnahme, die beim Hochwasser 1910 am Hochablass entstand: Sie zeigt Pkw und Lkw verschiedener Typen, die zum Transport von Feuerwehrleuten und Soldaten eingesetzt waren.
Augsburger Autohändler warben mit bebilderten Anzeiten
1924 begann in Deutschland die Autoproduktion am Fließband. Augsburger Autohändler warben nun mit bebilderten Anzeigen. Eine Inseraten-Serie von 1927 dokumentiert ein vielfältiges Angebot: „J. & G. Haas Automobile“ bot Autos von Presto, Steyr, AGA, Magirus, Vomag, Maffei und Indian-Motorräder an. Die „Rote-Tor-Garage“ hatte sich auf Personen- und Lastkraftwagen der Dixi-Werke in Eisenach spezialisiert. Bei Albert Sigg gab es Hansa- und Studebaker-Automobile sowie BMW-Motorräder. Das „Autohaus Augsburg“ vertrat Ford und Chrysler.
Fotos im Album einer Augsburger Familie überliefern weitere Typen: Mit „Unser 1. Auto“ (Hanomag „Kommissbrot“, 1927), „unser 2. Auto“ (Opel „Laubfrosch“, 1930) sind die Aufnahmen beschriftet.
Frühere Folgen des Augsburg-Albums zum Nachlesen finden Sie im Onlineangebot unserer Zeitung unter augsburger-allgemeine.de/augsburg-album