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Augsburger Geschichte: Das Wasserkraftwerk Gersthofen als Meilenstein der Stromgeschichte

Augsburger Geschichte

Das Wasserkraftwerk Gersthofen als Meilenstein der Stromgeschichte

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    Das Aussehen der Turbinenhalle im Wasserkraftwerk Gersthofen wurde nach einem Aquarell als Postkarte verbreitet.
    Das Aussehen der Turbinenhalle im Wasserkraftwerk Gersthofen wurde nach einem Aquarell als Postkarte verbreitet. Foto: Sammlung Häußler

    Am 13. Mai 1901 besuchte Bayern-Prinz Ludwig die Baustelle des Wasserkraftwerks bei Gersthofen. Prinzregent Luitpold war von 1886 bis 1912 Bayerns "Königs-Ersatz" und zu diesem Zeitpunkt 80 Jahre alt. Er schickte deshalb seinen Sohn Prinz

    In Gersthofen gab es vor 120 Jahren für Prinz Ludwig (er wurde 1913 als Ludwig III. Bayerns letzter König) zwei gewaltige Baustellen zu besichtigen - neben dem Wasserkraftwerk errichteten zeitgleich die "Farbwerke vorm. Meister Lucius und Brüning" (Hoechst am Main) eine Zweigniederlassung: die "Farbwerke Gersthofen". Für die Ansiedlung des Chemiewerks war ein leistungsfähiges Kraftwerk die Voraussetzung zur Deckung des hohen Strombedarfs. Die Wasserkraft konnte der nahe Lech liefern. Er musste nur angezapft werden. Den dazu nötigen Kanal und das Kraftwerk baute die "Elektrizitäts-Actien-Gesellschaft vorm. W. Lahmeyer & Co." in Frankfurt.

    Vom Gersthofer Kraftwerk ging eine großräumige Elektrifizierung aus

    Es war nicht irgendein Kraftwerk, sondern Bayerns bis dahin größtes Wasserkraftwerk. Und es war weit mehr als lediglich Stromlieferant für ein Chemiewerk. Von diesem Kraftwerk ging die großräumige Elektrifizierung der Region Augsburg aus. Seit 2. Oktober 1901 liefert es Strom. Die Lechwerke (LEW) leiten von diesem Kraftwerk im Lechkanal ihren Namen ab. Das benachbarte Industriewerk nahm am 7. März 1902 mit 120 Beschäftigten den Betrieb auf. Es wechselte im Laufe von 120 Jahren mehrmals den Namen. Das 35-Hektar-Areal firmiert heute als "Industriepark Gersthofen" und ist Sitz etlicher Firmen.

    Eine Vielzahl Ansichtskarten dokumentiert anschaulich die Frühgeschichte des Kraftwerks und der Farbwerke Gersthofen
    Eine Vielzahl Ansichtskarten dokumentiert anschaulich die Frühgeschichte des Kraftwerks und der Farbwerke Gersthofen Foto: Sammlung Häußler

    Das Kraftwerks-Großprojekt bewegte in den 1890er Jahren die Gemüter. Zeitungen berichteten oftmals detailliert über die Pläne. Das "Anzapfen" des Lechs, der Kanalbau, die Konsequenzen für die Flößerei und die geplante Schifffahrt auf dem Kraftwerkskanal sorgten schon vor dem Bau für große Aufmerksamkeit. Am 29. Dezember 1894 stimmten der Bürgermeister und die Räte des 950-Einwohner-Dorfes Gersthofen der Abtretung des Baugrundes in den Lechauen zu.

    Kolorierte Schwarzweißfotos der Farbwerke Gersthofen und der Lechwerke Gersthofen auf einer 1918 versandten Postkarte.
    Kolorierte Schwarzweißfotos der Farbwerke Gersthofen und der Lechwerke Gersthofen auf einer 1918 versandten Postkarte. Foto: Sammlung Häußler

    Das "elektrische" Zeitalter begann in Augsburg 1882. Strom aus dem Netz gab es allerdings 20 Jahre nicht. Unternehmen mussten ihren Energiebedarf aus Eigenproduktion decken. Das geschah anno 1894 in Augsburg in 93 Wasserkraftanlagen, mit 182 Dampfmaschinen und mit 316 Dampfkesseln. Sie trieben über Transmissionen die Maschinen direkt an. Strom erzeugten diese Kraftanlagen ursprünglich als Nebenprodukt mittels Dynamos in relativ geringen Mengen.

    Der Strombedarf stieg rasch durch Elektromotoren. Ein Beispiel ist die "Baumwollspinnerei am Stadtbach". Sie hatte 1893 elektrische Beleuchtung in den Arbeitssälen installiert und danach Elektromotoren eingesetzt. Um den gestiegenen Strombedarf zu decken, baute die Spinnerei ein Kraftwerk in der Wolfzahnau. Seit 1901 liefert es Strom. Er war ursprünglich nur für die Spinnerei bestimmt.

    Königlich-bayerische Regierung stimmte dem gigantischen Projekt zu

    Der Bau des Großkraftwerks in Gersthofen war ein revolutionierender technischer Schritt. Es sollte Strom über "Fernleitungen" für eine Vielzahl von Abnehmern liefern. Das gab es bisher nicht. Ende 1896 gab die königlich-bayerische Regierung die Zustimmung zu einem gigantischen Projekt. Dazu zählte der Bau eines Kraftwerkskanals. Im Lech wurde etwa 1,5 Kilometer unterhalb der Wertachmündung ein Stauwehr gebaut. Es leitet noch heute Wasser in ein Kanalbett parallel zum Lech.

    Das Foto von 1904 überliefert die im Kraftwerk von Gersthofen eingebaute Schleuse. Hier wurde später eine Turbine eingebaut.
    Das Foto von 1904 überliefert die im Kraftwerk von Gersthofen eingebaute Schleuse. Hier wurde später eine Turbine eingebaut. Foto: Sammlung Häußler

    Drei Kilometer nach der Ableitung steht das Gersthofer Kraftwerk über dem Kanal. Es kann 9,3 Meter Gefälle zum Antrieb von Turbinen nützen. Neben den Durchlässen mit vier Turbinen musste vor 120 Jahren eine Schleuse für eine eventuelle spätere Nutzung des Kraftwerkskanals als Schifffahrtsstraße gebaut werden: zwei 41 Meter lange, 8,6 Meter breite Schleusenkammern zum Heben oder Senken von Schiffen mit 1,8 Meter Tiefgang. Die Pläne für eine über diesen Kanal mit der Donau verbundene "Hafenstadt Augsburg" wurden erst in den 1920er Jahren aufgegeben. Nun durfte in die Schleuse eine fünfte Turbine eingebaut werden.

    Am 15. Juni 1903 wurde die Aktiengesellschaft "Lech-Elektrizitätswerke" (LEW) gegründet. Sie übernahm das Gersthofer Kraftwerk, verlängerte den Lechkanal und baute ein weiteres Kraftwerk bei Langweid. Es ging am 18. November 1907 ans Netz und produziert noch immer Strom. Seit 2008 befindet sich darin zudem das "Lechmuseum Bayern". Das dritte Kanal-Kraftwerk der LEW bei Meitingen liefert seit 1922 Strom.

    Augsburg war Hauptabnehmer des Lech-Stroms aus Gersthofen

    Hauptabnehmer von Lech-Strom aus Gersthofen war ursprünglich Augsburg. Firmen ließen sich sofort mit Kraftstrom beliefern. Dazu war der Bau von Strom-"Luftleitungen" nötig. Von der Erweiterung des Netzes in Augsburg profitierten öffentliche Gebäude und Privathaushalte. Sie bekamen "Lichtstrom", sofern sie sich den Luxus leisten konnten. Das Wasserkraftwerk in Gersthofen ist ein Meilenstein in der Stromgeschichte: Von hier aus begann vor 120 Jahren die flächendeckende Elektrifizierung der Region Augsburg.

    Weitere stadthistorische Exkursionen von Franz Häußler finden Sie hier.

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