Augsburgs Stadtgrün steht in der Diskussion. Eine Rückblende zeigt, dass die grüne Stadt auch schon anno 1902 ein Thema war. Damals tagte in Augsburg der Verband Deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine. Dazu erschien eine Festschrift, in der sich
Verfasser des Kapitels „Anlagen und Alleen“ war der städtische Gartenbauinspektor Karl Jung. Er bedauerte vor 120 Jahren: „Die prachtvollen, altberühmten Gärten, welche reiche Patrizier sich im Mittelalter anlegten, sind nur mehr eine Sage. Nichts von ihnen hat sich bis zur Neuzeit erhalten.“ Wie grün die Stadt einst war, zeigte er mit dem Plan „Das Gartengrün der Stadt Augsburg vom Jahre 1521“ auf.
Stadtpläne des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen eine grüne Stadt
Die Fuggerei war in der weitgehend grünen Jakobervorstadt entstanden. Auch Stadtpläne des 17. und 18. Jahrhunderts zeigen eine grüne Stadt. Das habe sich geändert, schrieb Karl Jung 1902. Hauptgrund für den Grünschwund sei der Bauboom ab 1860. Zu dieser Zeit begann der Abbruch der Befestigungen um Augsburg. Die Stadt war keine Festung mehr. Das hieß: Nun durfte im vormaligen Schussbereich der Kanonen vor Wällen und Bastionen gebaut werden.
Dort lagen jahrhundertelang Gartengüter. Sie wandelten sich in Neubauviertel. Die Diakonissenanstalt entstand ab 1891 im 45.000 Quadratmeter großen Wohnlich‘schen Garten. Die Stadt versuchte die schwindenden Privatgärten durch öffentliches Grün zu ersetzen. Für öffentliche Parks sowie das Straßen- und Kanal-Begleitgrün war der städtische Gartenbauinspektor zuständig.
Vor 100 Jahren standen 10.000 Bäume entlang der Stadtstraßen
Entlang von 33 Kilometer Stadtstraßen standen 1902 über 10.000 Bäume. Es waren Kastanien, Eschen, Ulmen und Schwarzpappeln. „Platanen gedeihen in unserem Klima nicht“, erläuterte der Grünexperte. Heute unterhält das Grünordnungsamt 80 Kilometer Straßenbegleitgrün, denn Eingemeindungen vergrößerten das Stadtgebiet gewaltig.
Augsburg bemühte sich ab 1860, trotz der Bebauungsverluste grün zu bleiben. Der 1867 entstandene Königsplatz war eine grüne Insel, die neue Fuggerstraße bekam sechs Baumreihen, die neue Bahnhofstraße war eine Allee. Der baumlose Paradeplatz Fronhof wandelte sich ab 1878 zum Park. 1886 wurde ein 40.000 Quadratmeter großes Ausstellungsgelände mit 350 neu gepflanzten Großbäumen zum Stadtgarten. 1895 folgte die Erweiterung mit dem Wittelsbacherpark.
Bäche und Kanäle, einstige Stadtgräben, Stadtmauern und Bastionen sind Grünzonen. Auf dem Lueginsland, dem Jakoberwall, dem Oblatterwall und dem Roten-Tor-Wall stehen uralte Bäume. Seit den 1850er-Jahren war man sich in der Industriestadt Augsburg der Bedeutung von Grün in der Gesundheitsvorsorge bewusst. „Selbst dort, wo Hunderttausende von Spindeln sich drehen, merkt der Spaziergänger kaum, dass über ihm die Atmosphäre mit Rauch und Ruß geschwängert ist. Das dichte Grün, das selbst Fabrikgebäude umgibt, hält diese gefährlichen Feinde von dem menschlichen Organismus fern“, schrieb vor 120 Jahren der Grünexperte Karl Jung.
Bereits in vorindustrieller Zeit war die grüne Stadt ein Thema. Anno 1788 listete der Chronist Paul von Stetten 17 „wohlangelegte Gärten“ auf. Es waren Privatparks. Der Chronist würdigte 1788 auch die Investitionen der Reichsstadt in öffentliches Grün: „Italienische Pappeln, Linden, Rosskastanien, Vogelbeerbäume, auch weiße Maulbeerbäume sind rings um die Stadt in zwei und drei Reihen gesetzt und machen angenehme Spaziergänge.“ Die Reichsstadt hatte die marode Stadtbefestigung nicht saniert, sondern drum herum Bäume gepflanzt.
Augsburg war 1985 Schauplatz der Landesgartenschau
Stadtgrün in seiner biologischen Vielfalt ist aktueller denn je. Die Landesgartenschau 1985 stand unter dem Motto „Grün im Lebensraum Stadt“. 2019 bewarb sich Augsburg um das Label „StadtGrün naturnah“. Im September 2020 erhielt Augsburg die Auszeichnung. In der Begründung heißt es, damit werde auch das „ökologische Grünflächen-Management“ gewürdigt. 25 Prozent des Stadtgebiets stehen unter Naturschutz. Die neue Umweltstation am Botanischen Garten zeigt an vielen Beispielen auf, wie vielfältig eine grüne und artenreiche Stadtlandschaft sein muss.
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