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Augsburger Geschichte: Als in Augsburg ein Brotlaib zigtausende Mark kostete

Augsburger Geschichte

Als in Augsburg ein Brotlaib zigtausende Mark kostete

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    Diese Reichsbanknoten von einer bis zu 50 Millionen wurden nicht in Renten- oder Reichsmark umgetauscht.
    Diese Reichsbanknoten von einer bis zu 50 Millionen wurden nicht in Renten- oder Reichsmark umgetauscht. Foto: Sammlung Häußler

    Inflation ist ein gängiger Begriff in den Medien und bei Tarifverhandlungen. Angesichts der für 2024 prognostizierten niedrigen Inflationswerte raten Wirtschaftsexperten zu einem zurückhaltenden Umgang mit diesem Wort. „Inflation“ wird in Deutschland noch immer vom Geldwertverlust nach dem Ersten Weltkrieg bestimmt. Diese Epoche endete vor 100 Jahren. 

    Serie Augsburger Stadtgeld vom 26. Oktober 1923.
    Serie Augsburger Stadtgeld vom 26. Oktober 1923. Foto: Sammlung Häußler

    Rückblende: Der Dollar war in der Inflation der internationale Maßstab für den Wert der Deutschen Mark. Anfang Juli 1922 kostete ein Dollar 500 Mark, am 15. August bereits 1000 Mark. 1923 setzte der galoppierende Wertverfall ein: Musste man im Mai 1923 für einen Dollar bereits 60.000 Mark bezahlen, waren es Ende August 11 Millionen, am 7. November 631 Milliarden, am 15. November 1923 schließlich 4,2 Billionen Mark. An diesem Tag wurde die Rentenmark eingeführt. 

    In Augsburg fehlte es oftmals an Lebensmittelmarken

    1922 und 1923 waren astronomische Beträge für ein Pfund Mehl oder ein Ei zu bezahlen. Augsburger Arbeiterfamilien kämpften um das tägliche Brot. Sie erhielten oftmals nicht die mit Lebensmittelmarken zugeteilte Ration. Ende August 1923 sollte ein Pfund Brot 26.000 Mark kosten, doch bei der Veröffentlichung dieses Preises war der Brotpreis bereits einige Tausender höher. Jeweils zur Mittagszeit wurde der Brotpreis neu festgesetzt und in Geschäften an Tafeln angeschrieben.

    1924 erschien diese Grafik in Zeitungen.
    1924 erschien diese Grafik in Zeitungen. Foto: Sammlung Häußler

    Die Reichsbank lieferte laufend neue Scheine mit immer höheren Wertangaben. Sie konnte den Bedarf nicht decken. Augsburg sah sich gezwungen, selbst Geldersatzscheine drucken zu lassen. „Nur gültig für den Geldverkehr innerhalb der Stadt“ lautete der Aufdruck. Die Inflation galoppierte derart, dass die Druckbogen mit neuen Wertangaben überdruckt, die Scheine geschnitten wurden und in den Umlauf kamen. 

    Ein Bub stampft 1924 Inflationsscheine ein.
    Ein Bub stampft 1924 Inflationsscheine ein. Foto: Sammlung Häußler

    Anfang November 1923 zeichnete sich eine Normalisierung des Geldwesens ab. Am 15. November wurde die Rentenmark eingeführt. Eine Rentenmark entsprach dem Wert von 0,35 Gramm Feingold oder einer Billion Papiermark. Bis zur Ausgabe von Rentenmarkscheinen überbrückten kleinformatige „Wertbeständige Gutscheine“ auf Dollar-Basis das Vakuum. Auch Augsburg sah sich zum Druck solcher Scheinchen gezwungen. „1,05 Goldmark = ¼ Dollar“ lautet der Aufdruck auf einem am 16. November 1923 von Bürgermeister Deutschenbaur signierten Fehldruck mit verschobenem rotem Unterdruck. Er kam nicht den Umlauf und überlebte druckfrisch. 

    Notgeld verhinderte Lebensmittelmangel in der Stadt

    Für dieses Ersatzgeld musste die Stadt garantieren. Sie gab lediglich Scheinchen im Wert von 300.300 Goldmark aus. Sie waren nur vier Wochen gültig. Das Notgeld verhinderte in der Industriestadt Augsburg einen drohenden Lebensmittelmangel im Winter 1923, weil Bauern gegen das wertstabile Ersatzgeld wieder Viktualien wie Getreide und Schlachtvieh verkauften.

    In Körben wurden die Massen Inflationsgeld befördert.
    In Körben wurden die Massen Inflationsgeld befördert. Foto: Sammlung Häußler

    Die Rentenmark war als Übergangswährung gedacht. Am 30. August 1924 wurde die Reichsmark mit Golddeckung eingeführt. Ende 1924 war das Geldwesen im Deutschen Reich wieder in ein stabiles Niveau gebracht. Der Staat bediente sich allerdings beim Geldtausch rigoroser Methoden: Inflations-Geldscheine mit Wertaufdrucken unter 50 Milliarden waren vom Umtausch ausgeschlossen und damit wertloses Altpapier. Solche Scheine überlebten in Privatbesitz massenhaft. Druckfrische „Augsburg-Milliarden“ blieben erhalten, weil die Druckerei ungültig gewordene Scheine als Sammlerstücke verkaufen durfte, um die Druckkosten zu decken. 

    Rentenpfennige wurden ab 1923 geprägt.
    Rentenpfennige wurden ab 1923 geprägt. Foto: Sammlung Häußler

    Die Folgen der Inflation prägten sich bei Normalbürgern tief ein. Ihre Ersparnisse waren dahin. Aus Erzählungen erfuhren noch die Enkel, wie hilflos Oma und Opa der Inflation ausgeliefert waren. Sie fühlten sich um so mehr betrogen, als sie erfuhren, dass der Staat der große Inflationsgewinner war. Millionen Normalverdiener hatten die als wertstabil angepriesenen Anleihen des Deutschen Kaiserreichs gekauft, insgesamt für 164 Milliarden Mark. Die 164 Milliarden Staatsschulden waren nach der Inflation auf 16,4 Pfennig geschrumpft.

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