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Ermittlungen bei Augsburger Domsingknaben: Was über den Verdächtigen bekannt ist

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Ermittlungen bei Domsingknaben: Was über den Verdächtigen bekannt ist

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    Im Haus St. Ambrosius direkt am Augsburger Dom kommen die Domsingknaben zum Musikunterricht zusammen.
    Im Haus St. Ambrosius direkt am Augsburger Dom kommen die Domsingknaben zum Musikunterricht zusammen. Foto: Bernd Hohlen (Archivbild)

    Der Mann, der mehrere Dutzend Kinder und Jugendliche der Augsburger Domsingknaben heimlich nackt gefilmt haben soll, sang nach Recherchen unserer Redaktion früher selbst in dem Chor, der weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt ist. Nun steht er im Zentrum eines Vorgangs, der die Institution erschüttert: Bisher bekannt ist, dass der 25-Jährige 160 Videoaufnahmen zwischen 2017 und 2020 angefertigt haben soll. Sie zeigen nach Auskunft der zuständigen Generalstaatsanwaltschaft "männliche Kinder und Jugendliche vorwiegend in Duschen oder Toiletten". 34 Opfer haben die Ermittler identifiziert, doch der Fall könnte sich ausweiten.

    Die Vorwürfe gegen den früheren Mitarbeiter der Domsingknaben, einer Einrichtung des katholischen Bistums Augsburg, waren aufgekommen, nachdem die deutschen Ermittler einen Hinweis aus dem Ausland erhalten hatten, demzufolge er im Besitz von Kinderpornografie sein könnte. Bei einer Razzia im September 2020 fand die Polizei dann 378 kinderpornografische Bilder auf einem unverschlüsselten Handy. Als sie später weitere, verschlüsselte technische Geräte des Mannes knackte, stieß sie auf die Videos. Offenbar hatten die Ermittler schnell einen Verdacht, woher die Aufnahmen stammen könnten: unter anderem aus den Räumen der Domsingknaben. Dort also, wo der Verdächtige als Assistent Zugang und Kontakt zu Chormitgliedern hatte.

    Bei den Augsburger Domsingknaben ist der Schock groß

    Klar ist: Die Ermittlungen gegen ihn werden noch einige Zeit in Anspruch nehmen, alleine deshalb, weil bei einer "niedrigen einstelligen Zahl von Geschädigten" eine Identifizierung aussteht, wie Thomas Goger am Donnerstag sagte. Goger ist Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg, bei der das bayernweite "Zentrum zur Bekämpfung von Kinderpornografie und sexuellem Missbrauch von Kindern im Internet" angesiedelt ist.

    Bei den Domsingknaben ist der Schock groß. In den vergangenen Monaten gab es vier Informationsabende zu dem Sachverhalt, in den Wochen zuvor waren Betroffene informiert und Zeugen befragt worden. Ein Elternteil sprach von einer „Tragödie“. Dennoch ist dem kaufmännischen Geschäftsführer der Augsburger Domsingknaben, Leonhard Fitz, bislang keine Abmeldung bekannt.

    Auffällig verhielt sich der Tatverdächtige während seiner Zeit als Angestellter offenbar nicht. So erklärte Fitz im Gespräch mit unserer Redaktion am Donnerstag, dass der Mann alle Einstellungsvoraussetzungen erfüllt und auch ein "erweitertes Führungszeugnis" vorgelegt habe. Nach Auskunft des Bistums Augsburg ist dessen Vorlage seit 2013 für hauptamtliche und seit 2014 für ehrenamtliche Mitarbeitende vor Beginn einer Tätigkeit für die Diözese verpflichtend. Der Tatverdächtige habe, so Fitz weiter, zudem obligatorische Seminare zur Missbrauchsprävention absolviert. An Besprechungen im Mitarbeiterkreis im Rahmen von Chorfreizeiten oder Konzertfahrten habe er ebenfalls teilgenommen. In diesen seien Präventionsmaßnahmen und der Schutz der Privatsphäre der Kinder und Jugendlichen Thema gewesen. Fitz zufolge begleitete der Tatverdächtige mehrere Fahrten.

    Domsingknaben-Geschäftsführer: Tatverdächtiger habe sich auch privat mit Domsingknaben getroffen

    Bereits am Mittwoch hatte Fitz unserer Redaktion gesagt, dass das versteckt angefertigte Bildmaterial seines Wissens nach zum großen Teil nicht im Haus St. Ambrosius entstanden sei, in dem die Domsingknaben regelmäßig zum Musikunterricht zusammenkommen. Am Donnerstag sagte er, der Tatverdächtige habe sich auch privat mit Domsingknaben getroffen. Auf ihn wirke es, als habe der Mann ein "Doppelleben" geführt. Ein Domsingknabe bestätigte diesen Eindruck. Er sagte, auch er habe nichts Auffälliges bemerkt. Den Tatverdächtigen schilderte er als "immer sehr nett". Dass sich der Mann mit Kameras gut ausgekannt habe, ist für ihn im Rückblick ein befremdliches Detail. Für ihn sei es "krass" gewesen, als er von den Vorwürfen erfahren habe.

    Nach Informationen unserer Redaktion lebt und arbeitet der 25-Jährige seit einiger Zeit in Dresden. Von mehreren Profilen in sozialen Medien existieren Spuren, die meisten Accounts von ihm wurden aber offenbar kürzlich gelöscht. Bis zu einer möglichen Verurteilung gilt die Unschuldsvermutung. Sollte es zu einem Prozess kommen, würde dieser wohl am Amtsgericht oder am Landgericht in Augsburg stattfinden. Juristisch geht es neben dem Verdacht auf Kinderporno-Besitz vor allem um die "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und von Persönlichkeitsrechten durch Bildaufnahmen" – und um den Verdacht, dass der damalige Domsingknaben-Mitarbeiter 2017 einen 13-jährigen Jungen in einer Wohnung in München missbraucht haben soll. Sein Strafverteidiger Marc Wederhake sagte auf Anfrage, er wolle sich zu den Vorwürfen gegen seinen Mandanten im laufenden Verfahren nicht äußern.

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