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Augsburger Buchhändler kämpfen um Erhalt ihrer Geschäfte

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„Amazon ist unser größter Gegner“: Wie Augsburger Buchhändler um ihre Kunden ringen

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    Meinolf Krüger (links) und Kurt Idrizovic (rechts) betreiben seit Jahrzehnten ihre Buchhandlungen in der Innenstadt.
    Meinolf Krüger (links) und Kurt Idrizovic (rechts) betreiben seit Jahrzehnten ihre Buchhandlungen in der Innenstadt. Foto: Michael Stelzl, Michael Hochgemuth

    Im Taschenbuchladen von Meinolf Krüger endet das Geschäft nicht an der Ladentheke. Hinter der Kasse führt eine Wendeltreppe ins Obergeschoss, hier befinden sich die Bücher zu Politik, Geschichte, Philosophie. „Die Treppe nutzen aber nur noch wenige“, sagt Krüger. Das liege nicht am mangelnden Interesse für die Themen. „Das Einkaufsverhalten der Menschen hat sich geändert.“ Seit 1996 führt Krüger den Taschenbuchladen im Färbergäßchen. Eine eigene Buchhandlung sei schon als Jugendlicher sein Traum gewesen. „Es ist schwierig geworden“, sagt er. Dennoch hat Krüger seinen Mietvertrag erneut um zehn Jahre verlängert. Ein Trend aus den USA macht ihm Hoffnung.

    „Als ich den Taschenbuchladen übernommen habe, war das eine sehr gute Zeit“, sagt Krüger. Viele Kunden, lange Öffnungszeiten, fünf Mitarbeiter. In den letzten 28 Jahren habe es schwere Einschnitte gegeben. Der erste sei die Eröffnung der City-Galerie 2001 gewesen. „Danach sind viele Kunden nicht mehr in die Innenstadt gekommen.“ Der nächste Einschnitt: die Finanzkrise 2008 und schließlich die Corona-Pandemie und der damit verbundene Boom des Online-Shoppings. Verglichen mit 1996 sei sein Umsatz um ein Drittel zurückgegangen, so Krüger. Im Gesamten gesehen sei der Umsatz der Buchbranche zwar seit 20 Jahren stabil, die Anteile des stationären Buchhandels gingen jedoch Jahr für Jahr zurück, zuletzt wieder um fünf Prozent. Was Krüger und andere Inhaber kleiner Buchhandlungen rettet, sind die Stammkunden. „Der Herr, der eben im Laden war, sagte mir, dass er als Schüler vor vierzig Jahren bereits bei meinem Vorgänger eingekauft hat.“

    Buchhandlungen in Augsburg: Reines Verkaufsgeschäft ist nicht ausreichend

    „Für kleine Buchhandlungen ist es existenziell, treue Kunden zu haben, die Mundpropaganda betreiben“, sagt Andreas Gärtner, Bezirksgeschäftsführer des schwäbischen Handelsverbands. Oftmals bestehe über viele Jahre ein Vertrauensverhältnis zwischen Buchhändler und Kunden. Das sei aber nur mit entsprechender Kuration möglich. „Es ist wichtig, als kleiner Buchladen beim Angebot ein Alleinstellungsmerkmal zu haben.“ Nicht unbedingt die ersten fünf Plätze der Spiegel-Bestsellerliste, die bekomme man auch bei großen Unternehmen wie Thalia. Wichtig sei vielmehr: „Ich habe ein spezielles Kundenklientel, die ich davon überzeugen kann, dass meine Mitarbeiter genau über die Lesevorlieben jedes Einzelnen Bescheid wissen.“

    Wichtig sei zudem die „Treffpunktfunktion“ von Buchhandlungen, erklärt Gärtner. Das reine Verkaufsgeschäft sei nicht ausreichend, vielmehr müsse über Lesungen, Veranstaltungen und Kontakte in die Wirtschaft Netzwerkarbeit geleistet werden. Krüger beliefert beispielsweise die Lechwerke mit Fachzeitschriften. Der Kunde müsse das Gefühl haben, in seiner Buchhandlung einen Platz des Austausches vorzufinden. Erfüllten kleine Buchhandlungen diese Punkte, hätten sie definitiv eine Zukunft in der Innenstadt, so Gärtner.

    Augsburgs Buchhandlungen halten sich seit Jahrzehnten

    Kurt Idrizovic ist mit seiner Buchhandlung am Obstmarkt eine Institution. Seit nunmehr 40 Jahren führt er das Geschäft. Reich werden könne man als Buchhändler nicht, das sei ihm klar gewesen. „Es ist kein Geschäftsmodell mit großem Gehalt und viel Urlaub. Aber ich bin glücklich.“ Idrizovic lebt von seiner Popularität. „Mein Laden hat ein klares Profil mit guten Produkten und anspruchsvollen Büchern in schönem Kleid.“ Das Vertrauen seiner Kunden erarbeite er sich täglich über die Kenntnis der literarischen Landschaft. Über die Jahre profilierte er sich zudem mit unterschiedlichen Literaturveranstaltungen in der Stadt. „Ich bin nur in Augsburg vorstellbar.“

    In den zurückliegenden Jahren seien die Herausforderungen größer geworden. „Amazon ist unser größter Gegner“, sagt Idrizovic. Die Menschen hätten sich in der Pandemie an die Annehmlichkeiten des Online-Shoppings gewöhnt. Idrizovic hält mit menschlichen Argumenten dagegen: „Wir schaffen soziale Bindungen. Seelsorge können nur wir als Buchhandlung vor Ort.“ Verglichen mit anderen bayerischen Großstädten ist der Buchmarkt in Augsburg noch stabil. Idrizovic, Krüger, die Schlosser‘sche Buchhandlung, Rieger & Kranzfelder. Sie alle halten sich seit Jahrzehnten. Doch wie lange noch? „Es wird weniger gelesen“, sagt Idrizovic. „Uns hat gerettet, dass die Buchpreise gestiegen sind.“ Der 71-Jährige hat sich zudem breiter aufgestellt. „Ein Viertel unseres Umsatzes machen Online-Bestellungen aus. Ich bekomme Bestellungen per Mail, über WhatsApp und Signal. Mein Ziel ist aber, die Leute in meinem Laden zu halten.“

    Das Überleben kleiner Buchhandlungen hängt an einer belebten Innenstadt. Krüger ist trotz wachsender Konkurrenz und zurückgehenden Leseinteresses optimistisch. Hoffnung bereite ihm der Blick in die Vereinigten Staaten. „Große Einkaufscenter tun sich dort zunehmend schwer.“ Stattdessen entstünden hier zunehmend kleine „independent stores“, weil Kunden das Kleine, Vertraute schätzen. Eine Entwicklung, auf die auch Krüger setzt. Bis zum Ende seines Mietvertrags will er durchhalten. Bei Idrizovic ist unklar, wie lange er die Buchhandlung noch führen wird. Zuletzt dachte der 71-Jährige altersbedingt gelegentlich ans Aufhören. Die Nachfolgersuche sei im Gange, in diesem Jahr werde er sich aber noch nicht zurückziehen. Während er erzählt, läuft ein Mann am Geschäft vorbei. „Denken kann man schon ans Aufhören, aber bitte nicht aufhören“, sagt er zu Idrizovic und lacht.

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