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Augsburg: Zwischen Raritäten und teurem Tand: Ein Besuch bei der Kunstsprechstunde

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Zwischen Raritäten und teurem Tand: Ein Besuch bei der Kunstsprechstunde

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    Experten begutachten bei der Kunstsprechstunde im Schaezlerpalais jeden Monat Kunstwerke, die Bürgerinnen und Bürger vorbeibringen.
    Experten begutachten bei der Kunstsprechstunde im Schaezlerpalais jeden Monat Kunstwerke, die Bürgerinnen und Bürger vorbeibringen. Foto: Susanna Friedla

    Der erste Dienstag jeden Monats wird im Schaezlerpalais in der Augsburger Maximilianstraße mit viel Freude erwartet. An diesem Tag findet seit über zehn Jahren die Kunstsprechstunde statt. In diesem Rahmen können Bürgerinnen und Bürger vor einer Expertengruppe - Kuratoren, Restauratoren und Kunstsachverständige - Kunstwerke begutachten, stilistisch und in einen preislichen Rahmen einordnen lassen. In der Vergangenheit kamen dabei immer wieder Raritäten zum Vorschein, die im Nachgang teilweise hohe Summen auf internationalen Kunstauktionen erzielten. So erfuhr beispielsweise eine Jupiterstatuette aus Elfenbein, die zuerst bei der Kunststprechstunde entdeckt wurde, beim Londoner Auktionshaus Christie's großen Anklang.

    Zur vergangenen Ausgabe der Kunstsprechstunde sind alle Stühle des Liebertzimmers im Erdgeschoss des Schaezlerpalais besetzt. Gekommen sind Besucherinnen und Besucher jedes Alters, sie warten darauf, dass ihre Nummer aufgerufen wird. Mit ihrem Kunstwerk treten sie dann an den Tisch, um den sich die Experten versammeln, darunter Christof Trepesch, Direktor der Kunstsammlungen Augsburg.

    Bei der Augsburger Kunstsprechstunde ist gutes Fingespitzengefühl gefragt

    Das erste Objekt ist eine Familienbibel mit Ledereinband, dem man bereits aus etlicher Entfernung ansehen kann, dass er in den letzten einhundert Jahren einiges miterlebt haben muss. Die ältere Dame, die die Bibel zur Kunstsprechstunde mitgebracht hat, kann dies bestätigen. Die Familienbibel sei während des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt und im Nachgang nur notdürftig repariert worden, sie befinde sich nun seit mehreren Dekaden in ihrem Besitz. Das Team um Museumsdirektor Trepesch ist sich schnell sicher: Trotz oder gerade wegen der starken persönlichen und emotionalen Verbindung der Frau zu ihrer Familienbibel taxieren sie ihren Wert auf "ausschließlich persönlich". Die ältere Dame ist nicht enttäuscht, im Gegenteil, sie scheint froh zu sein, dass sie ihren persönlichen Kunstschatz der Expertenrunde vorstellen durfte.

    Längst nicht alle Teilnehmer der Kunstsprechstunde reagierten so souverän auf eine solche Aussage der Experten, sagt Trepesch. Einige erschienen mit teilweise übertriebenen Vorstellungen ob des Wertes ihrer Kunstwerke in der Kunstsprechstunde. Er und seine Kollegen müssten dabei öfters Fingerspitzengefühl an den Tag legen. Schließlich hört kaum jemand gerne, dass der lange gehütete Schatz sich als günstiges Plagiat oder teurer Tand entpuppt. Beim nächsten Kunstgegenstand ist die Situation schnell klar. Als ihre Nummer aufgerufen wird, erscheint eine Dame im Rentenalter mit einer bunten Vase vor den Fachkundigen. Es handelt sich um ein Glasgefäß, das mit zahlreichen floralen Mustern versehen ist, die Vase stammt aus der Manufaktur des französischen Künstlers Émile Gallé. Gallé, einer der Pioniere der Glaskunst des Jugendstils und des Art déco, sei bereits zu Lebzeiten so erfolgreich gewesen, dass er zahlreiche Glashandwerker einstellte, die unter seinem Namen Glaswaren produzierten, erzählen die Augsburger Experten. Bei der vorgestellten Vase handele es sich um eine späte Arbeit aus einer der Werkstätten Gallés. Das sei daran zu erkennen, dass die Muster der Vase nicht geschliffen, sondern geätzt worden sind. Nichtsdestotrotz sei die Vase eine "echte" Gallé, zwar nicht von Meisterhand gefertigt, aber dennoch im hohen dreistelligen oder niedrigen vierstelligen Bereich zu verorten, so der Museumsdirektor.

    Das Schätzen fällt auch Experten nicht immer leicht

    Dass auch die Experten manchmal nicht genau wissen, womit sie es zu tun haben, zeigt ein weiteres Objekt der Kunstsprechstunde im Schaezlerpalais. Eine Dame hat nach eigenen Angaben vor Jahren ein Gemälde vererbt bekommen. Das große gerahmte Bild zeigt eine Szene an einem Fluss. Die Signatur des Künstlers ist jedoch keinem der Kunstkenner bekannt und auch nur sehr mühevoll zu entziffern. Mit vereinten Kräften und dem Hinweis der Besitzerin, dass das Bild aus einem Düsseldorfer Nachlass stammt, können die Experten das Bild auf Ende des 19. Jahrhunderts schätzen und verweisen zur weiteren Begutachtung an einen Kurator aus dem Ruhrgebiet, dessen Expertenwissen bei diesem Bild notwendig sei. Vor einigen Jahren, erinnert sich Christof Trepesch, hätten er und sein Team dazu beigetragen, dass ein Sammler eine hohe vierstellige Summe von einem Kunsthändler zurückbekommen hat. Der Kunstliebhaber aus dem Raum Augsburg hatte seinerzeit eine kolorierte Skizze von Pablo Picasso erworben, die sich bei der Kunstsprechstunde als sehr gute Fälschung entpuppte. Museumsdirektor Trepesch und sein Team freuen sich auf viele weitere Jahre, in denen sie Kunstwerke von Augsburgerinnen und Augsburgern bewerten können. Vielleicht ist auch einmal ein "echter" Picasso darunter.

    Info: Die nächste Kunstsprechstunde findet am Dienstag, 3. Mai, im Liebertzimmer des Schazlerpalais (Maximilianstraße) zwischen 16 und 18 statt. Es gibt dabei auch Tipps, wie man ein Kunstwerk konservierend aufbewahren kann. Eine telefonische Voranmeldung ist unter 0821/324-4102 erwünscht.

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