45 Seiten ist der Koalitionsvertrag dick, den CSU und Grüne vor knapp zwei Jahren unterschrieben haben. Das Papier ist, wie die meisten Koalitionsverträge, mit Formulierungen wie "angestrebt" oder unbestimmten Quantifizierungen wie "bedarfsgerecht" etwas wolkig gehalten und steht zudem unter dem Vorbehalt von Corona. Dennoch kann man eine überblicksartige Bilanz ziehen.
Die autofreie Maxstraße ist eines der großen Themen von Schwarz-Grün
Mobilität: Vorangekommen ist man beim Thema Radverkehr mit dem Bau neuer Radwege und Stellplätze, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen. Die Einigung mit dem Radbegehren hat einen dicken Aufgabenkatalog hinterlassen. Auf den Weg gebracht wurden die Erhöhung der Parkgebühren und mehr Tempoüberwachung. Zur autofreien Maximilianstraße sollen demnächst Vorstellungen präsentiert werden, zur Beruhigung der Karlstraße gibt es einen Prüfauftrag an die Verwaltung. Manko ist der Nahverkehr: Der Infrastrukturausbau läuft weiter, beim Thema Tarifreform gibt es aber wenig Bewegung, ebenso beim Ausbau von P+R-Plätzen. Ob das Ziel, alle Verkehrsarten gleichermaßen zu berücksichtigen, erreicht wurde, wird unterschiedlich gesehen.
Wohnen/Bauen: Eine Erhaltungssatzung zum Mieterschutz soll laut Koalitionsvertrag geprüft werden. Ein Ergebnis dazu liegt allerdings noch nicht vor. Für eine Zweckentfremdungssatzung, die etwa Leerstände verhindern soll, ist ein Entwurf im Lauf des Jahres geplant. Noch unklar ist, wie es mit der Sozialquote in Neubaugebieten (bisher müssen 30 Prozent der Wohnungen als geförderte Wohnungen errichtet werden) weitergehen soll. Vorgesehen ist eine Bewertung – wobei es dafür noch etwas früh wäre – und eine mögliche Erhöhung der Sozialquote auf 40 Prozent. Eine Zielvorstellung zur Zahl der neuen Wohnungen in Augsburg ist im Koalitionsvertrag nicht genannt. Das Ziel von 1000 geförderten Wohnungen durch die Wohnbaugruppe bis 2026 kann wohl erfüllt werden.
Umwelt/Klima: Mit ihrer selbst gesetzten Vorgabe, ein CO₂-Restbudget von 9,7 Millionen Tonnen einzuhalten, hat die Koalition ihr Ziel aus ihrem Vertrag übererfüllt – wobei die 9,7 Millionen Tonnen als unrealistisch gelten. Ein Restbudget in doppelter Höhe könnte unter enormen Anstrengungen aber eingehalten werden. Um sich auf den schon unabwendbaren Klimawandel einzustellen, sollen in der Innenstadt mehr Bäume gepflanzt werden (es gibt ein Konzept, aber noch keine Umsetzung) und eine Anpassungsstrategie erarbeitet werden (in Arbeit).
Wirtschaft: Der Strukturwandel der alten Industriestadt soll vorangetrieben werden, etwa durch Digitalisierung und den Ausbau des Innovationsparks. Gegründet wurde ein Digitalrat, eine Smart-City-Strategie wurde aus der Taufe gehoben. Schon laufende Ideen wie eine Aufhübschung des Lechhauser Industriegebiets oder innovative Flächen in Haunstetten Südwest und an der Derchinger Straße werden fortgesetzt, ohne dass es schon Ergebnisse gibt. Ein Ziel ist auch die Stärkung des Einzelhandels in Innenstadt und Stadtteilen, wobei der Maßnahmenkatalog etwas wolkig ist. Einen Stadtmarktmanager gibt es nach wie vor nicht, der Innenstadteinzelhandel murrte angesichts der Verkehrspolitik zuletzt vernehmlich.
Schulen/Soziales: Das Thema der Stadtteil-Servicepunkte als Anlaufstellen für Bürger und Bürgerinnen kommt langsam in Gang, indem nun Untersuchungen stattfinden sollen. Auch ein Pflegestützpunkt als zentrale Anlaufstelle für Angehörige in Pflegefragen ist beschlossen, für das Jugendhaus "Südstern" in Haunstetten ist eine vorläufige Lösung gefunden. Bei den Schulen ist eine "bedarfsgerechte Sanierung" versprochen – was das genau heißt, lässt der Koalitionsvertrag offen. Die Schulsanierungen laufen aber weiter. Größter Brocken wird in den kommenden Jahren die FOS/BOS sein. Vorgesehen ist auch der Ausbau der Kita-Betreuungsplätze "mit aller Kraft". Absagen gibt es aber weiterhin – 1150 Absagen für Kindergartenkinder waren es im vergangenen Jahr.
Kultur: Die Theatersanierung läuft weiter – ob der Kostenrahmen von bis zu 321 Millionen Euro am Ende eingehalten werden kann, weil zuletzt auch die Baupreise explodierten, wird spannend. Vor der Sommerpause will die Stadt einen Sachstandsbericht abgeben, wobei die Einhaltung des Kostenrahmens nicht im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Zum Römermuseum hat die Koalition vorsorglich gar nichts in den Vertrag geschrieben, außer dass am Pfannenstiel digitale Konzepte umgesetzt werden sollen. Die Koalitionäre kündigten aber an, dass mit einer Sanierung der Dominikanerkirche dort zumindest Wechselausstellungen möglich sein könnten. Ansonsten müsse man so ehrlich sein, dass ein neues Museum in dieser Legislatur nicht finanzierbar sei. Die Idee, dass der Museumseintritt in Dauerausstellungen am Wochenende kostenlos sein soll, wurde noch nicht umgesetzt.
Eva Weber: Schon 80 Prozent der geplanten Maßnahmen wurden angepackt
In einer Gesamtbewertung sagt Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU), dass 80 Prozent der etwa 400 vorgesehenen Maßnahmen in Planung oder Umsetzung seien. Man habe es geschafft, trotz knapper Finanzen vieles auf den Weg zu bringen oder umzusetzen. Ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Stadt sei die Hightech-Offensive des Freistaats mit dem Zentrum für Künstliche Intelligenz. Bedauerlich sei, dass manche kleinen Maßnahmen in den Stadtteilen bisher hinten heruntergefallen seien. Auch ihre Ideen zu mehr Miteinander in der Stadtgesellschaft seien in der Pandemie schwierig umsetzbar gewesen. Allerdings verlange die Bevölkerung zurecht, dass in Krisenzeiten in erster Linie die Verwaltung funktioniere.
In den kommenden vier Jahren dürfte das Geld knapp bleiben. "Es werden sich Dinge verschieben", so Weber. Angesichts durchschnittlicher Baupreissteigerungen von 14 Prozent im Jahr 2021 in Deutschland könne das gar nicht anders sein. Die Boomjahre seien vorbei, es stehe eine Zeitenwende an. Weber erwartet auch, dass die gesellschaftlichen Diskussionen in Augsburg beim Klimaschutz mit steigendem Konkretisierungsgrad härter werden. Sie wolle weiter Brücken bauen. "Wie schaffe ich es, dass die ganze Stadtgesellschaft sich im Handeln wiederfindet und nicht nur diejenigen, die sich am lautesten artikulieren?"
Aus der Opposition gibt es Kritik an der Augsburger Stadtregierung
Aus der Opposition gibt es naturgemäß weniger Beifall. "Schwarz-Grün verfährt auch nach zwei Jahren noch nach dem Motto ,Nicht das Erreichte zählt, sondern das Erzählte reicht'", so Sozialfraktionschef Florian Freund (SPD). Corona könne dafür nicht mehr als Ausrede dienen. Viele Projekte seien schon von der Vorgängerregierung auf den Weg gebracht worden. Im Übrigen könnte man beim Nahverkehr, der Linie 5, Schwimmbad- und Schulsanierungen schon deutlich weiter sein. Aus seiner Sicht sei es um das Koalitionsklima kritisch bestellt. Wenn man betonen müsse, wie harmonisch man zusammenarbeite, seien Zweifel an der Tragfähigkeit angebracht.
Auch von der FDP gab es Kritik zum Zweijährigen. Die CSU solle sich nicht mehr vom grünen Partner die Tagesordnung diktieren lassen, so Vorsitzender Ralf Neugschwender. "Mit der eingeführten Solarpflicht für Häuser in Neubaugebieten werden beispielsweise die Investitionen der Bauherren massiv verteuert und damit verzögert." Faktisch hemme man damit den Wohnungsbau. Auch bei der Verkehrspolitik sei Pragmatismus statt Ideologie gefragt.