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Augsburg: Zum Tod von Alt-OB Hans Breuer: Ein Mann, der Augsburg geprägt hat

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Zum Tod von Alt-OB Hans Breuer: Ein Mann, der Augsburg geprägt hat

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    Ein gut gelaunter Alt-Oberbürgermeister Hans Breuer bei seinem 80. Geburtstag. Jetzt ist er im Alter von 90 Jahren gestorben.
    Ein gut gelaunter Alt-Oberbürgermeister Hans Breuer bei seinem 80. Geburtstag. Jetzt ist er im Alter von 90 Jahren gestorben. Foto: Fred Schöllhorn

    Sein freiwilliger Abschied aus der Kommunalpolitik liegt drei Jahrzehnte zurück. Zuletzt war Hans Breuer auch in der Stadt nicht mehr unterwegs, er war gesundheitlich schwer angeschlagen. Vergessen aber haben ihn die Augsburger nicht, der Alt-Oberbürgermeister hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Entsprechend groß ist auch die Trauer um den Mann, der als OB von 1972 bis 1990 die Stadt geprägt hat. Breuer, der auch Ehrenbürger der Stadt war, ist am Wochenende im Alter von 90 Jahren gestorben. Seine Partei, die SPD, würdigte ihn als "Oberbürgermeister der Herzen" und Mann des Ausgleichs.

    Die politische Landschaft war noch eine ganz andere, als Hans Breuer in der Kommunalpolitik wirkte. Im Stadtrat standen sich SPD und CSU als große Blöcke gegenüber, einige wenige Versprengte aus anderen Parteien und Gruppen spielten nur dann eine Rolle, wenn – selten genug – eine Kampfabstimmung ins Haus stand. Doch die gab es kaum: Hans Breuer hatte schon zu Beginn seiner OB-Amtszeit 1972 durch die „interfraktionellen Verträge“ – eine Art Koalitionsvereinbarung – Schwarz und Rot in der Verantwortung für die Stadt zusammengeführt: Referate (und die damit verbundenen Posten) wurden paritätisch vergeben.

    Hans Breuer im Jahr 1972 als Sieger der Stichwahl ums Amt des Oberbürgermeisters.
    Hans Breuer im Jahr 1972 als Sieger der Stichwahl ums Amt des Oberbürgermeisters. Foto: AZ-Archiv

    Breuer, der als OB die klassische Führungsfigur abgab, beschwor regelmäßig den Geist der bayerischen Gemeindeordnung, die den Stadtrat nicht als Parlament mit Regierungs- und Oppositionsrollen beschrieb, sondern als "Kollegialorgan", in dem alle Gruppierungen möglichst im Konsens zum Wohl der Stadtgesellschaft zusammenarbeiten sollten.

    Es wurde Großes geleistet in diesen Jahren. Vor allem weil noch viel zu leisten war: Augsburg war eine verschlafene Stadt, bereits geschüttelt von den Vorboten der Krise der traditionellen Industrien. In den Textilfirmen ratterten noch die Spinn- und Webmaschinen. Der Individualverkehr schwappte mangels Tangenten in Wellen über einen Königsplatz, auf dem ein Schutzmann den Verkehr per Handzeichen regelte. Der Nahverkehr wurde zu einem guten Teil noch mithilfe von Nachkriegsstraßenbahnen abgewickelt. Die Krankenhäuser (Haupt- und Westhaus) waren von traurigem Standard, der Müll wurde unsortiert auf eine Deponie bei Gersthofen geschmissen. Augsburg, eigentlich eine Stadt mit großer Geschichte, war arm, leistete sich aber als "rote Insel" in einem ansonsten schwarzen Schwaben die reichsstädtische Arroganz der politischen Isolation.

    Klinik, Müll, Verkehr: Zusammen mit den Landräten ging er die drängendsten Probleme an

    Mit all diesen Unzulänglichkeiten räumte Breuer systematisch auf. Das Motto "Stadt und Land – Hand in Hand" lebte er zusammen mit seinen beiden CSU-Landratskollegen Franz Xaver Frey (1928-1987; Augsburg-Land) und Josef Bestler (1925-2018; Aichach-Friedberg). Gemeinsam ging das Triumvirat die drängendsten Probleme der Region an: Da war zunächst der Bau des Zentralklinikums durch den noch von seinem Vorgänger Wolfgang Pepper mitbegründeten Krankenhauszweckverband. 1982 nahm das Klinikum den Betrieb auf, das 1859 gegründete Hauptkrankenhaus mit seinen großen Krankensälen konnte endlich aufgegeben werden, ebenso das Westkrankenhaus und das Ostkrankenhaus in der früheren Schillerschule in Lechhausen. Schon damals sollte das Zentralklinikum Uniklinik werden – die Realisierung dauerte bis zum Jahr 2019.

    Ähnlich zielgerichtet verlief die Neuordnung der Müllentsorgung in der Region. Als damals europaweit modellhaftes Projekt entstand bis 1996 auf 23 Hektar grüner Wiese im Lechhauser Industriegebiet die vom "Müllpapst" Oktay Tabasaran konzipierte Müllverwertungsanlage mit den Komponenten Verbrennung, Sortierung und Kompostierung. 1985 wurde unter Breuers Regie außerdem der Augsburger Verkehrs- und Tarifverbund (AVV) gegründet, der den Nahverkehr in der Region auf eine solide Basis stellte. Ein wichtiger Meilenstein der Augsburger Stadtgeschichte, der Breuers Handschrift trägt, ist außerdem der 1978 aufgelegte Gesamtverkehrsplan, der die Grundlage für das (immer noch nicht komplettierte) Tangentensystem und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs bildete. Ein Teil davon war der erste Umbau des Königsplatzes in den Jahren 1976/77, bei dem der alte "Pilz" vor dem Zentralkaufhaus weichen musste und das Haltestellendreieck in seiner heutigen Form entstand. Die Entscheidung fiel damals mit der denkbar knappsten Mehrheit von einer Stimme – der von Oberbürgermeister Hans Breuer.

    Hans Breuer im Jahr 1988 als Kanute am Augsburger Eiskanal. Als Sportreferent der Stadt war er daran beteiligt, die Kanu-Wettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 nach Augsburg zu holen.
    Hans Breuer im Jahr 1988 als Kanute am Augsburger Eiskanal. Als Sportreferent der Stadt war er daran beteiligt, die Kanu-Wettbewerbe der Olympischen Spiele 1972 nach Augsburg zu holen. Foto: AZ-Archiv

    So erfolgreich Breuer in der kommunalpolitischen Sacharbeit war, so sehr litt er an seiner Partei, der SPD. Das Verhältnis zu den größtenteils traditionell aufgestellten Genossen wurde schon in den Jahren der Affäre Egger brüchig: Während die Partei noch Solidaritätsadressen für den in eine Bereicherungsaffäre verwickelten Dritten SPD-Bürgermeister abgab, ließ ihn Breuer öffentlich fallen. Auch bei anderen Affären stand Breuer für schnelle und harte Entscheidungen. "Seiner" SPD wollte Breuer mit der 1987 vorgelegten Mahnschrift "Wandel und Erneuerung" ein modernes, zeitgemäßes Erscheinungsbild verschaffen – "heraus aus den Hinterzimmern". Doch hier blieb ihm der Erfolg versagt, die Augsburger Sozialdemokratie stand damals kurz vor dem Auseinanderbrechen.

    Die 2000-Jahr-Feier der Stadt Augsburg ist untrennbar mit Breuer verbunden

    Untrennbar verbunden ist der Name Hans Breuers aber auch mit einem Ereignis, das die Augsburger Mentalität nachhaltig veränderte: die 2000-Jahr-Feier der Stadt im Jahre 1985. Es war mit Breuers Verdienst, dass das historische Stadtjubiläum ein Fest wurde, bei dem die Augsburger ihre Straßen und Plätze als Feierkulisse und Ort ausgelassener Begegnungen eroberten – und behielten. Damals wurde Augsburg, von Thomas Bernhard Jahre zuvor noch als "Lechkloake" gescholten, zur lebendigen Großstadt. Breuer selbst war mittendrin – an seinem Stammplatz am "Bader-Stammtisch" mit Ehefrau Siglinde und Dackeldame Maja auf dem Rathausplatz ebenso wie bei den zahlreichen Empfängen mit der deutschen Politikprominenz im damals frisch wiederhergestellten Goldenen Saal des Rathauses.

    Breuer wurde im oberschlesischen Troppau geboren. Nach dem Krieg verschlug es ihn als Heimatvertriebenen in die Region. Er arbeitete bei der Neuen Augsburger Kattunfabrik und machte eine Ausbildung zum Betriebselektriker. 1953 stieg Breuer bei der Textilgewerkschaft ein, 1956 zog er als damals jüngster Politiker in den Augsburger Stadtrat ein, zehn Jahre später wurde er Dritter Bürgermeister und Referent für Jugend, Soziales und Sport. Als Sportreferent war er daran beteiligt, die Kanu-Wettbewerbe der Olympischen Spiele in München nach Augsburg zu holen. Es wurde ein großes Sportfest am neu gestalteten Eiskanal, das noch heute nachwirkt.

    Wie Hans Breuer einer Augsburgerin den Urlaub rettete

    Bürgernähe zeigte Breuer auch im Kleinen und gegenüber "normalen" Leuten. Legendär ist die Geschichte von einer verzweifelten Frau, die den OB an einem Freitagnachmittag in der Stadt erkannte und ansprach: Sie wollte am Folgetag verreisen und hatte zu ihrem Schrecken bemerkt, dass der dafür benötigte Reisepass abgelaufen war. Breuer schleppte die Dame kurzerhand in sein Büro, kramte sein Dienstsiegel heraus und verlängerte das Dokument eigenhändig: "Ich weiß schon, dass das nicht korrekt ist", sagte er dazu. Aber: "Jetzt kann sie in Urlaub fahren und ist glücklich, neget ne." Dieses "Neget ne" (was in etwa "nicht wahr" bedeutete) stand übrigens häufig am Ende typischer Breuer-Sätze. Sein "Neget ne" werden wir nicht wieder hören.

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