Startseite
Icon Pfeil nach unten
Augsburg
Icon Pfeil nach unten

Lech-Umbau bei Augsburg: Mehr Natur – und ein Kraftwerk?

Augsburg

Mehr Natur – und ein Kraftwerk? Das ist für den Lech der Zukunft geplant

    • |

    Der Lech auf Höhe des Augsburger Stadtwalds wird sein Gesicht ändern: Nach zehn Jahren Planungszeit wird ein Start der Renaturierung zwischen Mandichosee und Hochablass absehbar. Wenn alles optimal läuft, soll der Fluss auf den neun Kilometern Fließstrecke ab 2025 aus seinem Korsett befreit werden. Geplant ist eine Aufweitung des Flussbetts von 70 auf bis zu 130 Meter. Um einen Auwald zu schaffen, werden großflächige Baumfällungen nötig, kündigt das Wasserwirtschaftsamt Donauwörth an, das seine Planungen im Herbst der Stadt Augsburg zur Genehmigung vorlegen wird. Wie jetzt bekannt wurde, denkt der Kraftwerksbetreiber Uniper zudem darüber nach, ein Kraftwerk in das Projekt zu integrieren. Dieser Punkt sorgt für Kontroversen. Wir geben einen Überblick zum Projekt: 

    Was ist geplant: Beim Projekt "Licca liber" geht es darum, dem vor 100 Jahren begradigten Fluss wieder mehr Raum zu geben. Der Lech soll – in kontrolliertem Rahmen – bei Hochwasser über seine Ufer treten können, um die natürliche Situation nachzubilden. Dazu werden die Flussbausteine am Ufer entfernt. "Sobald die weg sind, kann der Lech sich ausweiten", so Michael Spannring vom planenden Ingenieurbüro SKI. Fertig sein soll der Flussumbau darum erst 20 Jahre nach dem Umsetzungsstart. Die momentan sechs Wehre verschwinden – vier sind verzichtbar, zwei werden in Hunderte Meter lange Steinrampen umgewandelt. Zudem darf der Lech Nebenarme bilden. Um die Bildung einer Aulandschaft zu ermöglichen, wird der Wald an den Ufern auf teils mehr als hundert Metern Breite gerodet und das Erdreich so abgebaggert, dass das Bodenniveau ein bis zwei Meter tiefer liegt. Das soll eine bessere Durchfeuchtung garantieren. Dort wird wieder neuer Wald wachsen. "Die Maßnahme ist brutal, aber im Ergebnis wird der Wald wertvoller sein als das, was wir jetzt haben", so

    Die Wehre im Lech werden verschwinden oder in Steinrampen umgewandelt.
    Die Wehre im Lech werden verschwinden oder in Steinrampen umgewandelt. Foto: Silvio Wyszengrad

    Kraftwerk: Uniper betreibt die Kraftwerkskette am Lech und hat wasserrechtlich die Möglichkeit, ein weiteres Kraftwerk zu bauen. Ob das auch naturschutzrechtlich zulässig ist, ist offen. Überlegungen für eine Anlage sorgten Anfang der 2000er-Jahre für Widerstand seitens Umweltschützern. Als Licca liber 2013 startete, entschloss sich Uniper, das Projekt zurückzustellen. Nun werden die Pläne in modifizierter Form wieder aus der Schublade geholt. Geplant ist ein kleines Kraftwerk auf Höhe Lindenau, das seitlich an die Steinrampe gebaut wird, ähnlich dem Kraftwerk am Eisenbahnerwehr in Hochzoll

    Kraftwerk am Lech bei Augsburg: Kein Widerspruch zur Renaturierung

    Man sehe das Kraftwerk nicht im Widerspruch zu Licca liber, so Carsten Gollum von Uniper. Das Kraftwerk soll Strom für 5000 Haushalte liefern. Der Lech-Experte und Naturschützer Eberhard Pfeuffer kritisiert die Pläne. "Muss man in so ein Projekt jetzt ein Kraftwerk hineinplanen und können wir nicht mal Natur einfach Natur sein lassen?" Kritik kommt auch von Christine Kamm, Vorsitzende des Bund Naturschutz und Grünen-Stadträtin: "Es wird politischen Widerstand gegen das Kraftwerk geben." Bei Normalwasserstand sollen bis zu drei Viertel des Wassers durchs Kraftwerk laufen. Wasserkraftwerke hätten immer Folgen für die Fischwelt. Insofern sei der Bau widersinnig. Zwei Windräder würden gleich viel Strom erzeugen. Uniper kontert: Es gehe nicht, den Ausbau erneuerbarer Energien zu fordern, aber zurückzuziehen, wenn es konkret werde. "Es kommt auf jede Kilowattstunde an", so Gollum. Bis zum Jahresende will Uniper entscheiden, ob man die Pläne weiterverfolgt. 

    In Tirol darf der Lech wild fließen. Ganz so breit wird er im Stadtwald nicht werden.
    In Tirol darf der Lech wild fließen. Ganz so breit wird er im Stadtwald nicht werden. Foto: Ralf Lienert

    Ökologie: "Für die Gewässerökologie ist Licca liber eine riesige Chance", sagt Oliver Born, Fischereifachberater beim Bezirk Schwaben. Künftig werde es mit Kiesbänken, schnell und langsam fließenden Strecken unterschiedliche Lebensräume für Arten geben. Aktuell gehen Experten davon aus, am Lech um die 80 Biotop-Typen vorzufinden. Um sie zu erhalten, müsse man handeln. Lech-Experte Pfeuffer sagt, der Abschnitt sei früher ein global einzigartiger Lebensraum gewesen. "Wir werden diesen Zustand nicht mehr erreichen, dafür ist die Zivilisation zu nahe gerückt. Aber einige verschwundene Arten werden wiederkommen."

    Hochwasserschutz: Aktuell, so Simone Winter, Projektleiterin im Wasserwirtschaftsamt, gebe es am Lech kein Hochwasser-Problem. Künftig werden die Pegel bei Hochwasser sogar niedriger sein, weil der Fluss in der Breite mehr Platz hat. Dafür werden Dämme zurückverlegt oder können aufgelöst werden. An einigen Stellen, besonders auf Höhe Kissing, werden die Dämme hingegen mit Spundwänden gesichert, um dem wilderen Fluss eine Grenze zu setzen. "Wir wissen in Teilbereichen nicht genau, was der Lech tun wird. Aber wir kennen die kritischen Bereiche und sichern sie", so Spannring.

    Projekt "Licca liber" wirkt sich wohl auf Natur, Wasser und Freizeit aus

    Grund- und Trinkwasser: Die Augsburger Stadtwerke, die wegen ihres nahen Trinkwasserschutzgebiets zunächst Bedenken hatten, sehen keine Probleme mehr. Drei Brunnen in Lechnähe wurden außer Betrieb genommen, ansonsten hoffe man durch das Projekt auf eine bessere Regulierung des Grundwasserstandes im Stadtwald. Bisher steigt und sinkt das Grundwasser mit dem Flusspegel. Bei Hochwasser bereitet das in Kissinger Kellern Probleme. Laut einem Rechenmodell gibt es künftig weniger Schwankungen. Kissing soll bei Hochwasser weniger Grundwasser abbekommen. Für Hochzoll seien keine Probleme zu erwarten, so die Experten. Reguliert wird der bei Normalpegel künftig etwas höhere Grundwasserstand über Weitmann- und Auensee, die grundwassergespeist sind. Indem man aus den Seen Wasser in den Lech leitet (dafür müssen Bäche gebaut werden), lässt sich der Grundwasserspiegel regeln. 

    Freizeitwert: Was bei Wertach vital zu beobachten ist - dass die Flussufer und Wege an Wochenenden voll sind -, ist auch am Lech zu erwarten. Man werde sich über eine Besucherlenkung Gedanken machen müssen, so Projektleiterin Winter, wobei es gewünscht sei, dass der Fluss zur Naherholung genutzt wird. Es komme auf das Wie an. Nicolas Liebig vom Landschaftspflegeverband sagt, dass es schon jetzt Abschnitte gibt, die stark genutzt werden und solche, in die wenig Menschen kommen. Diesen Ansatz werde man weiterbetreiben. Denn der Lech werde durch die Renaturierung mit Kiesbänken und Nebenarmen attraktiver. "Und Augsburg wächst: Wenn in Haunstetten Südwest 10.000 Menschen wohnen, werden die auch irgendwo Erholung suchen." 

    Diskutieren Sie mit
    0 Kommentare
    Dieser Artikel kann nicht mehr kommentiert werden