Lange hatte die 37-jährige Augsburgerin, alleinerziehende Mutter dreier kleiner Kinder, mit sich gerungen, ob sie zur Augsburger Tafel gehen solle. Doch die zuletzt stark gestiegenen Lebensmittelpreise hätten ihr keine andere Wahl gelassen, sagt sie. Als sie sich am Montag registrieren und den nötigen Ausweis ausstellen lassen wollte, stand sie "mit zwei meiner Kinder drei Stunden bei Regen in der Schlange". In der falschen Reihe, wie sich später herausstellen sollte. Das lange Warten war vergeblich, wie die enttäuschte Frau gegenüber unserer Redaktion sagt: "Ich wurde wieder heimgeschickt – ohne Ausweis."
Krieg in der Ukraine: 1000 Kunden mehr bei der Augsburger Tafel
Lange Gesichter dürfte es in der nächsten Zeit öfters geben. Denn die Augsburger Tafel hat für Neukundinnen und -kunden einen Aufnahmestopp verhängt. Aufgrund der hohen Anzahl der Ausstellungen von Tafelausweisen an bedürftige Menschen in den letzten Wochen könnten bis auf Weiteres keine neuen Ausweise ausgestellt werden, heißt es auf der Webseite des Vereins. Aus Sicht des Vorsitzenden Klaus Matthiessen gibt es keine andere Möglichkeit. Vor ein paar Monaten habe man in der Hauptstelle und den Filialen pro Woche insgesamt 2800 Menschen mit Lebensmitteln versorgt, jetzt seien es etwa 1000 mehr. Die Folge: Nicht nur die ehrenamtlichen Mitarbeiter seien bei der Ausgabe überfordert, auch die Waren gingen zur Neige. "Wir brauchen jetzt einige Zeit, um zu schauen, wie wir das personell stemmen und die Lebensmittel entsprechend verteilen können."
Matthiessen nennt zwei Ursachen für den immensen Ansturm: den Ukraine-Krieg und die Inflation. So versorge die Tafel jede Woche rund 700 geflüchtete Menschen aus dem Kriegsland, die hier Unterschlupf gefunden haben – aus separaten Spenden, um der Stammkundschaft nichts wegzunehmen, betont der Vorsitzende. "Darüber hinaus haben auch rund 300 Augsburgerinnen und Augsburger den Tafelausweis beantragt." Da seien Menschen darunter, die schon vorher zum Kreis der Berechtigten zählten, gerade noch so über die Runden kamen und jetzt aufgrund der gestiegenen Preise keine andere Möglichkeit mehr gesehen hätten, als zur Tafel zu gehen.
Die Augsburger Tafel ist kein Einzelfall: Wer die Begriffe "Tafel, Ukraine, Inflation" in eine Suchmaschine eingibt, erhält eine lange Liste an Berichten mit Überschriften wie "Tafeln in Not" und "Tafeln am Limit". Klaus Matthiessen hofft, dass der Aufnahmestopp nur vorübergehend ist. Um die Klientinnen und Klienten weiterhin versorgen zu können, seien Lebensmittelspenden willkommen – mit Ausnahme von Produkten, die in Kühlschrank oder Tiefkühltruhe aufbewahrt werden müssen. Alles, was haltbar ist, wie Konserven, Nudeln, Mehl, H-Milch oder Öl sowie Obst und Gemüse, ist geeignet. Originalverpackte und ungeöffnete Waren in haushaltsüblichen Größen können montags bis freitags von 8 bis 13 Uhr in der Tafel-Zentrale am Hirtenmahdweg 8 abgegeben werden.
Auch Augsburger Kantine versorgt immer mehr Bedürftige mit Lebensmitteln
Seit 2019 gibt es in der Stadt einen weiteren Verein, der bedürftige Menschen mit Lebensmitteln versorgt. Er nennt sich Augsburger Kantine und betreibt mit einer Gruppe von Ehrenamtlichen vier Ausgabestellen in Augsburg, die zwischen täglich und einmal pro Woche geöffnet sind: bei der Rockfabrik in der Riedinger Straße, bei den Pfarrzentren St. Elisabeth in Lechhausen sowie St. Thaddäus in Kriegshaber sowie in der Ulmer Straße 14. Gründer und Vorsitzender Ashraf Rashwan hat ebenso wie die Tafel in den vergangenen Wochen einen starken Kundenzuwachs bemerkt, quer durch alle Nationalitäten, darunter auch Geflüchtete aus der Ukraine, die teilweise mithelfen würden.
Nach seinen Worten versorgt die Kantine derzeit zwischen 80 und 170 Menschen pro Tag aus gespendeten und notfalls dazugekauften Lebensmitteln. "Unsere Kunden zahlen zwischen drei und fünf Euro für ihren Einkauf", schildert Rashwan das Prozedere. Dafür dürften sie sich im Rahmen des Vorhandenen aussuchen, was sie haben möchten. Der Vorsitzende hat festgestellt, dass die Klienten zuletzt weniger wählerisch geworden sei. "Auch wenn eine Tomate eine Delle hat, wird sie gerne mitgenommen."
Einen Aufnahmestopp musste die Kantine noch nicht verhängen. Rashwan hofft aber, in den nächsten Wochen noch zusätzliche Ehrenamtliche zu gewinnen, um dem gewachsenen Kundenstamm Herr zu werden. Die Suche sei nicht einfach, sagt er. Der gebürtige Ägypter, der früher selbst bei der Tafel mitgewirkt hat, sieht sein Angebot nicht als Konkurrenz, sondern als Ergänzung zu dem alteingesessenen Angebot. Auch die dreifache Mutter, die am Montag keinen Tafelausweis bekommen hat, will jetzt ihr Glück bei einer Ausgabestelle der Kantine versuchen.