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Augsburg: Wie sich die Einzelkämpfer im Augsburger Stadtrat Gehör verschaffen

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Wie sich die Einzelkämpfer im Augsburger Stadtrat Gehör verschaffen

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    Auch Einzelkämpfer wissen im Stadtrat auf sich aufmerksam zu machen.
    Auch Einzelkämpfer wissen im Stadtrat auf sich aufmerksam zu machen. Foto: Ulrich Wagner (Symbolbild)

    So bunt war der Augsburger Stadtrat noch nie. Wer die Sitzverteilung im wichtigsten Gremium der Stadt grafisch darstellen will, dem gehen fast die Farben aus. 14 Parteien und Gruppierungen sind bei der Wahl im Frühjahr 2020 in den Rat eingezogen, viele ergatterten aber nur einen Sitz. Auch die Zahl der Einzelkämpfer ist damit so groß wie noch nie. Sie haben weniger Einfluss, sind dafür an keinen Fraktionszwang gebunden. Deshalb können sie für die Stadtregierung mitunter auch unangenehm werden. Roland Wegner, Stadtrat der V-Partei, hat das schon bewiesen, als er die Bezüge für Alt-OB Kurt Gribl (CSU) in Frage stellte – und Satire-Politikerin Lisa McQueen (Die Partei), als sie es schaffte, die CSU wegen Weihnachten ziemlich aus der Ruhe zu bringen.

    Roland Wegner war schon für kleine Aufreger bekannt, bevor er im vorigen Jahr erstmals in den Stadtrat gewählt wurde. Er hatte unter anderem gefordert, der Plärrer solle das erste vegane Volksfest werden – ohne Hendl oder Bosna. Wegner, der selbst vegan lebt, ist Gründer der V-Partei, die sich für Umwelt- und Klimaschutz einsetzt und als Vertretung der Veganer und Vegetarier in Deutschland sieht. Dass er mit seinen Forderungen auch mal polarisiert, weiß Wegner. Es gehe ihm darum, Themen zu setzen und in die Köpfe zu bringen, sagt er. Inzwischen werde im Stadtrat zumindest ernsthaft darüber diskutiert, wie das Essen in städtischen Einrichtungen wie Heimen und Schulen gesünder und ökologischer werden könne.

    Roland Wegner (V-Partei) am Wahlabend im Augsburger Rathaus.
    Roland Wegner (V-Partei) am Wahlabend im Augsburger Rathaus. Foto: Klaus Rainer Krieger (Archivbild)

    Noch immer hält er es auch für richtig, dass er im Stadtrat gegen das Ruhegehalt für Alt-OB Kurt Gribl argumentiert hat. Die Stadt müsste Gribl, weil er mit Mitte 50 noch relativ jung freiwillig aus dem Amt ausschied, momentan noch kein Ruhegehalt bezahlen – sie tut das aber freiwillig. Der Stadtrat stimmte mit großer Mehrheit dafür. Wegner sagt: „Es muss aber zumindest möglich sein, so etwas zu diskutieren.“ Er zog sich damals den Groll von Oberbürgermeisterin Eva Weber und Ordnungsreferent Frank Pintsch (beide CSU) zu. Es schien so, als ob sie seinen Antrag als eine Art Majestätsbeleidigung betrachteten. Dieser Ärger sei aber verrauscht, sagt Wegner. Er komme mit vielen im Stadtrat gut aus, auch wenn sie andere politische Überzeugungen hätten. Unbequem sein will er aber dennoch, sagt er, die Arbeit im Stadtrat bereite ihm Freude.

    Wegner bemängelt aber, dass die Diskussionskultur nicht gut sei. Einwürfe aus der Opposition würden von Schwarz-Grün oft als lästig empfunden, das spüre man deutlich. Das nimmt auch Margarete Heinrich wahr. Die langjährige Stadträtin hat die Rolle als Einzelkämpferin selbst gewählt. Sie war lange überzeugte SPD-Politikerin, schon ihr Vater hatte die SPD im Landtag vertreten. Doch als die SPD sich nach der Wahl im Augsburger Stadtrat mit der Linkspartei zusammenschloss, trat Heinrich aus. Den neuen Linkskurs wollte sie nicht mittragen.

    Von der Fraktionschefin zur Einzelkämpferin im Augsburger Stadtrat

    Aus der ersten Reihe im Stadtrat, wo sie auch schon SPD-Fraktionschefin war, ist sie in die hinteren Reihen gewandert. Frustrierend sei das aber nicht. Sie habe ihre Aufgabe darin gefunden, ein „Ohr für die Bürger“ zu haben, sagt sie. Auch Heinrich übt Kritik an der Diskussionskultur. Das schwarz-grüne Bündnis wolle die Themen dominieren, der Einsatz anderer Stadträte werde wenig gewürdigt. Fragen würden oft nur noch schriftlich beantwortet, kontroverse Debatten seien nicht gewünscht. Konstruktive Vorschläge von Stadträten würden mitunter ignoriert und tauchten dann plötzlich als Ideen der Regierungskoalition wieder auf. Das sei unter Alt-OB Kurt Gribl noch anders gewesen.

    Margarete Heinrich, früher SPD, ist heute parteilose Stadträtin in Augsburg.
    Margarete Heinrich, früher SPD, ist heute parteilose Stadträtin in Augsburg. Foto: Silvio Wyszengrad (Archivbild)

    Margarete Heinrich sitzt im Stadtrat neben einer weiteren Einzelkämpferin, der Stadträtin Lisa McQueen. Obwohl die beiden beim Alter mehrere Jahrzehnte trennen, verstehen sie sich sichtlich gut. Sie tauschen sich immer wieder aus. McQueen hat den ersten Sitz für die Satirepartei "Die Partei" im Augsburger Stadtrat geholt. Margarete Heinrich verrät, dass sie die Jungpolitikerin auf ihrem Weg in die Kommunalpolitik bestärkt hat. „Meine Tochter ist mit Lisa McQueen gut befreundet“, sagt Heinrich. „Ich habe mich gefreut, als sie sich entschied, für den Stadtrat zu kandidieren.“

    Vorschlag von Lisa McQueen: Aus Kriegshaber soll Friedensbringer werden

    McQueen fährt einen Kurs, der sich zwischen Ernst und Satire bewegt. Ob ihre Anträge nun ernst gemeint oder Spaß sind, ist nicht immer ersichtlich. Debatten allerdings lösen sie immer wieder aus. So setzte sich Lisa McQueen gegen den Abriss der Gebäude der ehemaligen Reese-Kaserne ein. Und als Baureferent Gerd Merkle (CSU) argumentierte, die Gebäude hätten eine Nazi-Vergangenheit, schlug sie kurzerhand vor, den ganzen Stadtteil Kriegshaber in „Friedensbringer“ umzubenennen. Es war auch ein Anspielung auf die Debatten um die Umbenennung von Straßen mit nationalsozialistisch belasteten Namen.

    Lisa McQueen, Stadträtin für die Satire-Partei "Die Partei".
    Lisa McQueen, Stadträtin für die Satire-Partei "Die Partei". Foto: Peter Fastl (Archivbild)

    Als sie später vorschlug, den Christkindlesmarkt wegen Corona kurzerhand zu verschieben – mit dem Argument, Jesus sei bei seiner Auferstehung ja auch kreativ gewesen – zog sie den Groll einiger CSU-Räte auf sich. Denen hielt sie umgehend entgegen, ob das Christliche im Namen ihrer Partei zum Umgang mit den Flüchtlingen auf Lesbos passe. Weniger ironisch, aber durchaus auch mal provokant agiert Bruno Marcon, der für die Initiative „Augsburg in Bürgerhand“ neu in den Stadtrat kam. Marcon hat sich unter anderem als scharfer Kritiker der teuren Theatersanierung profiliert. Und er erinnert die Stadt immer wieder daran, dass sie nicht genug für den Klimaschutz tue – hier oft Seite an Seite mit Roland Wegner.

    Peter Grab („Wir sind Augsburg“) kennt auch beide Seiten – Regierung und Opposition. Er saß selbst schon als Referent für Kultur und Sport in der Stadtregierung, jetzt ist er Einzelstadtrat. Er übt immer wieder Kritik, etwa an den hohen Personalkosten, die sich die Stadt auferlegt. Er bedaure es, sagt er, dass sein Vorschlag zur Schaffung eines Hilfsfonds für Künstler nicht umgesetzt worden sei. Schwarz-Grün regiere durch, dafür habe er auch Verständnis. „Es ist klar, dass man das mit dieser Mehrheit machen kann“, sagt Grab. Man müsse sich aber die Frage stellen, ob es für die Stadtgesellschaft das Richtige ist.

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