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Augsburg: Wie grün ist die Augsburger CSU? So steht es um den Kurswechsel der Partei

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Wie grün ist die Augsburger CSU? So steht es um den Kurswechsel der Partei

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    Entzweit die Verkehrspolitik Augsburgs CSU? Die Basis ist mit dem Kurs der Stadtregierung nicht immer einverstanden.
    Entzweit die Verkehrspolitik Augsburgs CSU? Die Basis ist mit dem Kurs der Stadtregierung nicht immer einverstanden. Foto: Silvio Wyszengrad

    Die Verkehrspolitik der schwarz-grünen Stadtregierung in Augsburg sorgt für Gesprächsstoff - und sie scheint auch in Teilen der CSU auf Widerstand zu stoßen. Eine offene Rebellion ist für den Moment zwar nicht absehbar. Doch als die Industrie- und Handelskammer neulich öffentlich ansprach, dass man die Parkgebührenerhöhung derzeit als falsches Signal sehe, beeilte sich Oberbürgermeisterin Eva Weber (CSU) auffallend schnell, diese Sichtweise zu kontern. Die Kritik der IHK, die selbst auch die Corona-Pandemie als maßgeblichen Grund für die aktuelle Kundenzurückhaltung sieht, ist zwar eher verhalten formuliert, sie sprach aber eine Befindlichkeit an, die auch in der Partei existiert: "Es geht momentan zu viel gegen das Auto." Dieser Satz ist so oder ähnlich öfter zu hören, wenn man sich mit altgedienten CSU-lern unterhält. Ein Stück weit dürfte die Stellungnahme von Weber also auch als Signal in die eigene Partei zu verstehen sein.

    Zuletzt zeichnete sich die Gründung eines neuen Vereins ab (Arbeitstitel "Augsburger Mitte"), der eine Art Sammelbecken sein möchte für Bürger und Bürgerinnen, die mit dem Koalitionsvertrag und den verkehrspolitischen Zielen der schwarz-grünen Regierung nicht einverstanden sind. Designierter Vorsitzender ist CSU-Mitglied Michael Fäustlin. Aus dem CSU-Innenstadtverband (der allerdings zwiegespalten ist) dürfte es Zulauf von einigen Mitgliedern geben. Wie groß die Schlagkraft des Vereins sein wird, ist offen, zur Mitgliederzahl gibt es keine Angaben. Das größere Problem dürfte für die CSU aktuell sein, dass sie nicht all ihren Mitgliedern, die jahrzehntelang einen Pro-Auto-Kurs gewohnt waren, erklären kann, was sie gerade tut. Die Corona-Pandemie spiele dabei eine Rolle, klagt jemand aus dem Führungszirkel der Partei. Man komme aktuell nicht gut an die Mitglieder heran, weil weder Videokonferenzen noch Rundschreiben die persönliche Diskussion ersetzen.

    Schwarz-grüne Koalition: "Die CSU hat Kontakt zur Basis verloren"

    Dass die schwarz-grüne Koalition sich für die Mitglieder beider Partner bei manchen Themen zur Zumutung entwickeln könnte, war von Anfang an klar gewesen. Inzwischen hat sich diese Vorahnung ein Stück weit bestätigt, weil die Beschlüsse immer konkreter werden. Viele Dinge, zum Beispiel eine autofreie Maximilianstraße, seien für sich genommen gar nicht das Problem, sagt jemand aus der CSU, der schon lange dabei ist. "Entscheidend ist aber, welcher Eindruck in der Summe entsteht." Und der sei, dass die Grünen sich häufig mit einem autokritischen Kurs durchsetzen. Anderen altgedienten Mitgliedern aus der Basis gehen auch Einzelmaßnahmen zu weit. Die CSU im Rathaus habe den Kontakt zur Basis verloren. "Wenn es Corona nicht gäbe und man sich wie sonst regelmäßig treffen könnte, würden ganz andere Diskussionen in der Partei stattfinden", ist einer überzeugt. Und dann gibt es wieder Stimmen - übrigens nicht nur von Jüngeren in der Partei -, die das, was passiert, ganz in Ordnung finden. Wenn man heute Politik gestalten wolle, müsse man auch Sichtweisen aus der Vergangenheit mal zu den Akten legen.

    Die autofreie Maximilianstraße stößt nicht bei allen CSU-Mitgliedern auf Gegenliebe.
    Die autofreie Maximilianstraße stößt nicht bei allen CSU-Mitgliedern auf Gegenliebe. Foto: Ulrich Wagner

    Augsburgs CSU-Chef Volker Ullrich sieht die Situation nicht so kritisch. "Wir sind eine Volkspartei, in der es eine Bandbreite von Meinungen gibt. Diese Meinungen lassen wir zu, man muss damit umgehen können." Eben diese Sichtweise von der Volkspartei, in der es eben auch unterschiedliche Strömungen geben könne, verweist aber auf ein tiefergehendes Problem, nämlich: Wofür steht die CSU eigentlich? Legt man die Kommunalwahl-Programme der Grünen von 2020 und 2012 nebeneinander, sind die Unterschiede nicht allzu groß. Tut man dasselbe mit den Programmen der CSU, dann hat sich ein Wandel vollzogen. Das eigentlich Erstaunliche ist, dass in den vergangenen eineinhalb Jahren auch gemäß dieser Programme gehandelt wurde - die Stadtregierung unter Eva Weber legt ein überraschendes Tempo mit einer überraschenden Konsequenz vor. Die CSU ist von früheren Standpunkten abgerückt, aber wofür sie jetzt steht, ist aus dem Bauch heraus nach wie vor nicht zu sagen.

    Augsburgs Parteichef Ullrich: "Die CSU muss sich weiterentwickeln"

    Parteichef Volker Ullrich will diesen Wandel nicht bestreiten. "Die CSU muss sich weiterentwickeln." Das Programm für den Kommunalwahlkampf sei entsprechend "modern" gewesen, gerade auch, was die nun so kritisierte Verkehrspolitik betrifft. Anders als die Grünen, die den Vorrang klar dem Fahrrad geben, trete die CSU aber für ein Nebeneinander verschiedener Verkehrsteilnehmer und -mittel ein. Die CSU wisse nach wie vor sehr genau, wofür sie steht: Viele Bereiche, für die die Christsozialen seit jeher eintreten und bei denen CSU-Politiker als Referenten Verantwortung übernehmen, seien gut aufgestellt, ist Ullrich überzeugt. Als Beispiel nennt er Sicherheit und Ordnung (ein Referat, für das er selbst einmal verantwortlich war), Bürgerservice oder soziale Themen wie die Fortentwicklung der Altenhilfe. Fakt sei aber auch, dass diese Themen gerade nicht so im Fokus stehen wie eben beispielsweise die Verkehrspolitik.

    Der umweltpolitische Sprecher der CSU-Fraktion, Josef Hummel, sieht es ähnlich. Er versuchte vergangene Woche im Stadtrat eine Standortbestimmung, als es um die Klimapolitik der Stadt ging. Die Botschaft: Die CSU trete schon seit jeher für Klimaschutz ein. Die nicht ausgesprochene Schlussfolgerung: Es gibt eigentlich gar keine Kehrtwende, sondern trotz aller Veränderungen einen kontinuierlichen Kurs der Partei. Ansonsten sagte Hummel viele Sachen, die wohl die Mehrheit in der Partei mittragen würde. Man wolle "Klimapolitik in Maß und Mitte als Volkspartei", niemand dürfe zurückgelassen werden. "Klimaschutz darf nicht zum Projekt einer kosmopolitischen Elite werden, bei dem Stadt und Land ausgespielt werden", so Hummel mit einem wohldosierten Seitenhieb auf die Grünen.

    Auch die Grünen haben in Augsburg nicht alles bekommen, was sie wollten

    Der kleine Koalitionspartner, der zuletzt durch Aktivisten aus dem Klimacamp oder die Initiatoren des Radbegehrens Rückendeckung für so manche Entscheidung bekam, hat laut Auskunft von Insidern übrigens ein ähnliches Problem wie die CSU: Während sich im schwarzen Basislager mancher von Aktivisten getrieben fühlt, geht es vielen Mitgliedern der Grünen genau anders herum: Seit die eigene Partei in der Regierungsverantwortung stehe, lasse man sich immer wieder auf Kompromisse ein. Zu viele, unken einige. Augsburgs CSU-Chef Ullrich sieht die Sache ähnlich: "Die Grünen haben beim Verkehr bei Weitem nicht alles bekommen, was sie gerne gehabt hätten." In einer Koalition zu regieren, heiße eben auch, Kompromisse zu machen.

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