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Augsburg: Wie ein Augsburger und eine Taube unzertrennlich wurden

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Wie ein Augsburger und eine Taube unzertrennlich wurden

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    Sie sind ein eingespieltes Team: Mustafa Coban fand die weiße Taube vor einem Jahr auf der Straße – seitdem sind er und Baris unzertrennlich.
    Sie sind ein eingespieltes Team: Mustafa Coban fand die weiße Taube vor einem Jahr auf der Straße – seitdem sind er und Baris unzertrennlich. Foto: Silvio Wyszengrad

    Auch weiße Tauben haben ihren eigenen Kopf. Baris jedenfalls hat an diesem heißen Tag weder Lust seine Kunststückchen vorzuführen noch Lust auf einen Spaziergang mit seinem Herrchen. Eiskalt lässt der Vogel Mustafa Coban stehen und macht buchstäblich die Flatter – zurück auf das heimische Fensterbrett der Wohnung im ersten Stock im Lechviertel. Mustafa Coban schüttelt zwar den Kopf über so viel Eigensinn, aber er ist auch stolz auf die Taube. Vor einem Jahr fand er das besondere Tier auf der Straße. Seitdem scheinen die Taube und er unzertrennlich.

    Im Augsburger Lechviertel kennt man den Mann und seine Taube

    Eine weiße Taube, die einem Mann beim Spazierengehen hinterhertippelt und ab und zu auf seinen Arm fliegt, ist kein alltägliches Szenario. Der Augsburger und sein gefiederter Freund sind ein ungewöhnliches Gespann. Im Lechviertel ist das Duo bekannt. „Viele Menschen nennen mich nicht Mustafa, sondern nur Taubenmann“, erzählt der 54-Jährige, der drei Kinder und drei Enkel hat. „Mit Baris habe ich nun im späteren Alter ein viertes Kind dazu bekommen“, sagt er und lacht. Ein Jahr ist es her, dass Mustafa Coban das orientierungslose Tier auf einer Straße im Stadtteil Oberhausen gefunden hat.

    Mustafa Coban fand die weiße Taube vor einem Jahr auf der Straße – seitdem sind er und Baris unzertrennlich. Auch wenn der gefiederte Begleiter durchaus seinen eigenen Willen hat.
    Mustafa Coban fand die weiße Taube vor einem Jahr auf der Straße – seitdem sind er und Baris unzertrennlich. Auch wenn der gefiederte Begleiter durchaus seinen eigenen Willen hat. Foto: Silvio Wyszengrad

    Wie Coban erzählt, entdeckte er die weiße Taube im Sommer vergangenen Jahres an der Donauwörther Straße. Sie saß im Schatten, wirkte orientierungslos und sei gleich zutraulich auf ihn zugegangen.

     „Ich vermute, dass bei einer Hochzeitsfeier weiße Tauben fliegen gelassen wurden. Diese war zurückgeblieben.“ Tatsächlich kritisieren Tierschützer den Einsatz von weißen Tauben bei Festivitäten. Dies käme einem Aussetzen der Tiere gleich, die dann großen Gefahren durch Orientierungsverlust oder durch Greifvögel ausgesetzt seien, heißt es etwa bei der Tierrechtsorganisation Peta. Mustafa Coba hatte Mitleid mit dem weißgefiederten Vogel, dessen genaue Art er nicht kennt.

    Die Taube und Mustafa Coban sind unzertrennlich

    Da dieser weder gechipt gewesen sei noch einen Ring am Bein hatte, nahm er die Taube mit nach Hause. Eigentlich hatte Coban vor, das Tier ins Tierheim zu geben. „Doch wir haben uns so schnell aneinander gewöhnt, dass ich es nicht übers Herz brachte.“ Baris sei wie ein Kind. Die Taube folge ihm und seiner Lebensgefährtin überallhin. Bis vor Corona begleitete das Tier sein Herrchen in die City-Galerie oder zu Karstadt. „Seit der Pandemie nehme ich ihn aber nicht mehr in Geschäfte mit. Ich will keinen Ärger“, erklärt Coban. Sogar im Türkei-Urlaub war die Taube dabei. Sie musste nicht fliegen, sondern fuhr im Auto mit. Vor ein paar Tagen nahm Coban das Tier auch mit zu seinem Friseur.

    „Während meine Haare geschnitten wurden, war Baris mit seinem Spielzeug auf dem Boden.“ Das Spielzeug ist ein kleiner weißer Teddybär. Einst hing das Plüschtierchen am Schlüsselbund von Mustafa Coban. Aber als Baris immer wieder aufgeregt nahe dem Schlüsselbund im Kreis lief und gurrte, verstand Coban schließlich, dass es dem Vogel um den Teddy ging. Manchmal braucht er noch etwas, um seine Taube zu begreifen.  „Der Bär ist das einzige Spielzeug, das Baris mag. Er schleift es gerne herum. Vielleicht, weil der Teddy genauso weiß ist wie er.“

    Verräterische Kussspuren auf den weißen Federn

    Ganz so blütenweiß ist Baris Weste heute allerdings nicht. Nicht nur, dass ihm an diesem Tag die Hitze zu schaffen macht. Eine Frau mit Lippenstift hat beim Schmusen auch noch rote Spuren auf seinem Gefieder hinterlassen.

    Die Taube, deren Name im Türkischen „Friede“ bedeutet, ist offensichtlich beliebt. Da sich Baris gerne in einer Babybadewanne waschen lässt, werden die Kussspuren aber bald verschwunden sein. Im Hause Coban wird auf Sauberkeit geachtet. Nach jedem Spaziergang, erzählt der „Taubenvater“, würden Baris’ Füße gewaschen.

    Täglich geht Mustafa Coban mit seiner Taube spazieren. Nur wenn ein Auto kommt, nimmt der Mann den Vogel sicherheitshalber hoch. Ist ein Hund im Anmarsch, flüchtet Baris oft auf den Arm. Sie würden häufig von Passanten fotografiert, erzählt der Mann stolz. „Baris begeistert die Menschen, bringt sie zum Lachen.“ Für Coban sei die weiße Taube ein Geschenk Gottes. Nie, so beteuert er, würde er den Vogel hergeben.

    Baris hat, so scheint es, längst eine neue Heimat gefunden. Er reagiert auf sein Herrchen, folgt auf Rufe, ist noch nie abgehauen. Bis auf heute. Als er bei der Hitze den Schnabel vom Gassigehen voll hat, lässt er Coban einfach stehen und fliegt heim. Kopfschüttelnd folgt ihm der Augsburger nach Hause.

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