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Augsburg: Die Corona-Demos nerven Anwohner und Händler in Augsburg

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Die Corona-Demos nerven Anwohner und Händler in Augsburg

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    Die Polizei, die mit Handzählern unterwegs war, registrierte bei der Corona-Demo am Samstag in Augsburg an die 4000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer.
    Die Polizei, die mit Handzählern unterwegs war, registrierte bei der Corona-Demo am Samstag in Augsburg an die 4000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Foto: Michael Hochgemuth

    Die Frau in Schutzkleidung gehüllt und mit Maske im Gesicht schüttelt den Kopf, als die Demonstration am Königsplatz vorbeizieht. "Ich bin sprachlos", sagt die Mitarbeiterin des Schnelltestzentrums im Club "Kantine" und fügt hinzu: "Und keiner von denen trägt eine Maske." Um die 4000 Menschen haben nach Angaben der Polizei am frühen Samstagabend erneut in der Innenstadt gegen Corona-Maßnahmen protestiert. Der Zug war laut Einsatzzentrale teilweise bis zu zwei Kilometer lang. Seit einigen Wochen versammeln sich Gegner der Corona-Politik in Augsburg nicht nur samstags, sondern auch montags. Manche Anwohner und Einzelhändler sind davon zusehends genervt. Die Demo-Veranstalter kündigen eine Änderung an.

    Es ist jetzt schon das dritte Mal, dass Nelly Diller feststeckt. Die 18-Jährige fährt für ein Restaurant Lieferungen an Kunden aus. Weil der Akku ihres E-Autos bald leer ist, will sie ihn bei einer LEW-Ladestation "tanken", doch dann kommt der Demonstrationszug und die Polizei riegelt alles ab. Diller trägt es mit Fassung, dass sie warten muss. Das kann nicht jeder. Ein 82-jähriger Autofahrer missachtet die Polizeisperre - es kommt zu gefährlichen Situationen (siehe eigener Bericht). Zwei Demonstrationen pro Woche wirken sich sowohl auf den Stadtverkehr als auch auf die Gemüter aus.

    Die Corona-Demonstrationen, die zwei Mal wöchentlich stattfinden, wirken sich jedes Mal auf den öffentlichen Nahverkehr aus.
    Die Corona-Demonstrationen, die zwei Mal wöchentlich stattfinden, wirken sich jedes Mal auf den öffentlichen Nahverkehr aus. Foto: Michael Hochgemuth

    Viele Bus- und Straßenbahnlinien seien von Verspätungen betroffen, sagt Annika Heim von den Stadtwerken. "Die Wegstrecken verlaufen in der Regel direkt in der Innenstadt. Zentrale Bereiche des ÖPNVs, wie etwa der Königsplatz, und damit der überwiegende Anteil von Bus- und Straßenbahnlinien, werden deutlich beeinträchtigt." Zuletzt bewegten sich die Protestzüge vom Plärrer über den Klinkerberg, Schaezler- und Hermanstraße über die Konrad-Adenauer-Alle und Hallstraße in die Maximilianstraße. Über den Rathausplatz und die Grottenau ging es zurück zum Plärrer. Einzelhändler in der Innenstadt beklagen, dass ihnen Kundschaft wegbliebe.

    Augsburger Einzelhändlerin: Corona-Demos verheerend für das Geschäft

    "Mir sagen Kunden am Telefon, sie kommen erst wieder in die Stadt, wenn das Ganze vorbei ist. Sie würden sich das nicht antun wollen", erzählt eine Händlerin aus der Maximilianstraße. Für ihr Geschäft seien die Demos verheerend. "Ich verstehe das nicht, jetzt ist die ganze Situation für den Einzelhandel sowieso schon schlimm. Ich glaube, die Demonstranten denken nicht weiter." Die Menschen würden durch die Demos die Innenstadt meiden, meint eine weitere Einzelhändlerin aus der Philippine-Welser-Straße. Sie ist sauer.

    Man habe in den letzten Jahren so viele Einschränkungen hinnehmen müssen. Jetzt gehe es doch endlich wieder aufwärts, sagt sie. "Warum ziehen wir nicht alle an einem Strang?" Als unlängst nach einer Demo ein Aufkleber gegen eine Impfpflicht auf ihrem Auto klebte, sei sie richtig wütend geworden. "Das war so frech." Beim Bürgerforum Schwaben, das sich unlängst dazu bereit erklärt hat, die Corona-Demonstrationen zu organisieren und ordnungsgemäß anzumelden, ist man sich der Situation der Betroffenen bewusst.

    Während de Corona-Demo fand auf dem Rathausplatz eine Gegenveranstaltung von "Augsburg solidarisch" statt. Dort wurde den Corona-Toten gedacht.
    Während de Corona-Demo fand auf dem Rathausplatz eine Gegenveranstaltung von "Augsburg solidarisch" statt. Dort wurde den Corona-Toten gedacht. Foto: Christoph Bruder

    Es gebe zwar auch Geschäfte an der Strecke, wo die Leute mit Schildern davor stünden und ihnen zujubelten, meint Michaela Königsberger vom Bürgerforum, "aber klar, wir sind eine Demokratie und nicht jeder hat unsere Meinung." Um Anwohner und Verkehr zu entlasten, wolle man ab dem 7. Februar für die Montagsdemonstrationen andere Routen, an der Innenstadt vorbei, wählen. Geplant sei mehr in die Stadtteile zu gehen und durchzuwechseln. Nur Samstags mache dies wenig Sinn, so Königsberger. "Da ist die Innenstadt gefragt und wir wollen nicht, dass sich die Züge splitten." Der Plärrer als Startpunkt soll bleiben. Wie diesen Samstag. Dort treffen auch Teilnehmende aus anderen Städten ein. Rund um den Plärrer stehen etliche Autos mit auswärtigen Kennzeichen, wie Donauwörth, Ebersberg, München oder Mindelheim.

    Stadträtin mischt sich unter Demo-Teilnehmer

    Die Teilnehmenden sind bunt gemischt. Familien mit Kindern, junge und alte Menschen, teils mit Lichterketten behangen und mit bemalten Plakaten gegen Impfpflicht und Co in den Händen. Auch eine Stadträtin ist vor Ort. "Ich will mir ein eigenes Bild von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern machen, ob sich Neonazis oder Radikale daruntermischen, wie in vielen Medien geschrieben wird", sagt Lisa McQueen (Die Partei). Dazu interviewt sie die Menschen und fragt nach deren Beweggründen, ein Mann mit Kamera filmt live für Youtube mit. McQueens Fazit später: "Im Großen und Ganzen sind das Leute, die sehr betroffen sind, aber durchweg friedlich."

    Dass die Demo bis auf kleinere Zwischenfälle, wie die Beschlagnahme eines Plakats, friedlich verläuft, bestätigt später die Polizei. Allerdings sei der Zug hin und wieder ins Stocken geraten, sodass Abstände nicht eingehalten wurden. Masken werden freilich nicht getragen. "Wir sind das Volk" oder "Freiheit für alle", skandiert die Menge immer wieder. Manfred S. bekommt das jedes Mal hautnah mit. Der 52-Jährige wohnt an der Demo-Strecke. "Als Anwohner ist es extrem unangenehm, wenn man zweimal in der Woche diesem Lärm und dieser Aggressivität ausgesetzt ist", sagt er. Dabei gehe diese Aggression sowohl von den Demonstrierenden selbst aus als auch von den Menschen, die aufgrund der Sperrungen nicht an ihr Ziel kämen. Wie etwa der 82-jährige Rentner, der die Absperrungen ignorierte, mit seinem Auto weiterfuhr und gefährliche Situationen provozierte.

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