In Augsburg steht in den kommenden Jahren offenbar ein drastischer Einbruch beim Neubau von Wohnungen bevor. Im vergangenen Jahr - noch ohne Dezemberwert - wurden laut Statistischem Landesamt in Augsburg 657 Neubauwohnungen genehmigt. In den Vorjahren lag die Zahl der Genehmigungen fürs ganze Jahr bei etwa 1500. "Wir laufen da auf ein Problem zu. Die Baugenehmigungen von heute sind die fertigen Wohnungen von morgen", sagt Prof. Stephan Kippes, Leiter der Marktforschung beim Immobilienverband IVD. Die Entwicklung zeichnete sich angesichts der deutlich gestiegenen Bauzinsen und der nach wie vor hohen Baupreise seit Monaten ab, inzwischen schlägt sie sich in Zahlen nieder.
Die Bevölkerung in Augsburg wird wachsen – mit Folgen für Mieten?
Viele Bauträger hielten für den Moment die Füße still und warteten ab, wie es weitergehe, sagte Florian Schreck, IVD-Vorstandsmitglied und Makler in Augsburg, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Schon gekaufte Grundstücke würden in der Hoffnung darauf, dass die Perspektiven im Sommer etwas klarer seien, vorerst liegen gelassen. Das bedeutet aber auch: In einigen Jahren, die üblicherweise zwischen Antragstellung und Fertigstellung von Wohnungen liegen, wird sich diese Verzögerung konkret im Wohnungsangebot niederschlagen. Verschärft wird dies noch durch den Zuzug.
Zuletzt war wie berichtet eine Bevölkerungsprognose des Landesamts für Statistik bekannt geworden, die ein Wachstum von neun Prozent bis zum Jahr 2040 vorhersagt. Die Stadt plant zwar an Baugebieten mit mehreren Tausend Wohnungen, an den schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für Investoren ändert sich aber dadurch nichts. Im Jahr 2021 wurden in Augsburg mit 1700 neuen fertiggestellten Wohnungen ein so hoher Wert wie seit Ende der 1990er-Jahre nicht mehr erreicht, für 2022 liegen noch keine Zahlen vor. Die Jahre mit vielen neuen Wohnungen sind vorerst aber wohl vorbei.
Münchner drängen womöglich stärker nach Augsburg
In Südbayern geht der IVD davon aus, dass Augsburg als Wohnstandort für München-Pendler und -Pendlerinnen eine steigende Rolle spielen könnte, nachdem die Bautätigkeit auch in München gesunken und das Preisgefälle zwischen den beiden Städten immens ist. Eine Wohnung im Bestand koste in Augsburg im Schnitt nur die Hälfte, Baugrund nur 30 Prozent des Münchner Preises. Bei Mieten ist der Abstand geringer, mit 63 Prozent des Münchner Niveaus für eine Augsburger Bestandswohnung aber immer noch erheblich. Massenhaft würden Münchner jetzt nicht nach Augsburg ziehen, weil das Lebensentscheidungen seien, so Kippes. "Man hat seinen Bekanntenkreis da, die Kinder einen Kindergartenplatz oder einen Platz im Fußballverein. Das gibt man nicht ohne Weiteres auf, aber solche Trends wirken langfristig", so Kippes. Die Preisunterschiede seien nun einmal immens. Die Zahl der München-Pendler ist bereits in den vergangenen Jahren erheblich gestiegen. Zuletzt gab es etwa 10.500 Beschäftigte, die aus Augsburg in die Landeshauptstadt fahren.
Speziell für Mieter und Mieterinnen in Augsburg könnte die Mischung aus weniger neuen Wohnungen, hohen Bauzinsen und mehr Interessenten durch Zuzug am Ende eine schwierige Mischung darstellen. Zwar sind die Immobilienpreise im Bestand zuletzt nicht mehr weiter gestiegen, die höheren Kreditkosten schreckten aber manche potenziellen Käufer und Käuferinnen ab, so Kippes. "Mancher, für den ein Kauf früher noch infrage gekommen wäre, wechselt jetzt vom Kauf- in den Mietmarkt", so Kippes. "Dort wird es somit noch enger." Bei Mieten registriere man nach wie vor einen moderaten Anstieg. Die konkreten Folgen sind noch nicht gut abschätzbar, aber ein gewisser Verdrängungswettbewerb von oben nach unten, bei dem solventere Mieter den Vorzug bekommen, ist denkbar. Die städtische Wohnbaugruppe, die günstige geförderte Wohnungen baut, musste zudem im Dezember bekannt geben, 2023 keine neuen Projekte in Angriff nehmen zu können.
Wohnungsmarkt: Kaufpreise steigen nicht mehr
Einen deutlichen Verfall von Kaufpreisen hält Schreck in Augsburg nicht für absehbar. "Wir erleben keinen Absturz, aber eine Preiskorrektur", so Schreck. Wohnungen und Häuser, die früher innerhalb weniger Wochen weg waren, habe man als Makler aber jetzt wieder für mehrere Monate im Bestand. Käufer seien wieder in einer etwas stärkeren Position, nachdem in den vergangenen Jahren die Verkäufer ihre Vorstellungen ganz gut durchsetzen konnten. Aktuell stelle man noch fest, dass die "Preisvorstellungen in der alten Welt der Verkäufer und die Möglichkeiten der Käufer in der jetzigen Situation noch etwas auseinanderliegen", so Schreck. Womöglich werde es etwas dauern, bis beide Seiten sich angleichen.