Die Achse Karlstraße, Leonhardsberg und Jakoberstraße soll künftig auf eine Autospur je Richtung verschmälert werden, eine Straßenbahn mit Rasengleis und breitere Fuß- und Radwege bekommen, sowie mit Bäumen bepflanzt werden. Das ist zumindest die Vision des „Forums Augsburg lebenswert“, das mehrere Vereine und Verbände unter einem Dach vereint. „Die Ideen sind nicht neu“, sagt stellvertretender Vorsitzender Jens Wunderwald: „Aber wir glauben, dass sie angesichts der Diskussionen um Verkehrswende und Klimaschutz jetzt Wirklichkeit werden könnten.“
Im Forum, das sich in den 90er-Jahren massiv in den Diskussionen um Schleifenstraße und Innenstadtgaragen-Pläne zu Wort meldete, sind der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, der Bund Naturschutz, die Verkehrsverbände ANA und VCD sowie Stadtteil-Bürgerinitiativen aus Pfersee und dem Ulrichsviertel vertreten. „Wenn es hart auf hart kommt, hat das Auto in der Augsburger Verkehrspolitik immer noch Vorrang“, so Wunderwald. Die Reihenfolge bei der Prioritätensetzung müsse aber Fußgänger, Radler, Nahverkehr und Auto sein.
Das abschreckendste Beispiel sei die Karlstraße. „Sie trennt Innenstadt und Domviertel und verödet, weil sich dort niemand mehr aufhalten will. Es ist eine Verkehrssituation, die aus der Zeit gefallen ist“, so Wunderwald. Die Schadstoffwerte seien entsprechend hoch. Um das zu ändern, erarbeiteten die Aktivisten im vergangenen Jahr folgende Idee:
Forderung: Tempo 30 in der Karlstraße
Der Autoverkehr soll künftig – von Abbiegespuren an Kreuzungen abgesehen – pro Fahrtrichtung nur noch eine Spur haben. Gefordert wird Tempo 30. Die Straße, so Jörg Schiffler vom VCD, sei immer noch leistungsfähig genug. Die Sperrung am Leonhardsberg in den vergangenen Monaten hat gezeigt: Es geht, ohne dass der Verkehr zusammenbricht.“ In der Grottenau wurden vor dem Kö-Umbau pro Tag um die 20000 Fahrzeuge gezählt, danach ergab sich ein leichter Rückgang.
Der frei werdende Platz soll für eine neue Straßenbahnlinie genutzt werden. In der langfristigen Nahverkehrsplanung der Stadt ist eine solche Trasse in der Tat seit Jahren vorgesehen. Beim Bahnhofstunnel unter dem Bahnhofsplatz wurde vorsichtshalber schon ein wenige Meter langer Abzweig gebaut. Nach Vorstellung der Karlstraßen-Aktivisten soll die Karlstraße Bestandteil der langfristig geplanten Tram vom Innovationspark über Göggingen, Rosenaustraße, Bahnhofstunnel, Frölichstraße, Grottenau bis in die Hammerschmiede werden. In der Karl- und Pilgerhausstraße wünschen sich die Verbände ein Rasengleis.
"Feeling einer Stadtautobahn"
Vor einigen Jahren bekam die Karlstraße einen Radweg. „Es herrscht aber nach wie vor das Feeling einer Stadtautobahn“, so Martin Wohlauer vom ADFC. Nach wie vor gebe es gefährliche Stellen, etwa die Kreuzung am Stadtbad. Radler bräuchten mehr Platz, und zwar nicht zulasten der Fußgänger.
Ihre Belange will „Augsburg lebenswert“ ganz vorne anstellen. „Dort, wo Menschen zu Fuß gehen, entwickelt sich Leben“, so Vorsitzender Franz Gabler. Gehwege sollen breiter werden, kleine Plätze mit Baumbestand eingerichtet werden. An Kreuzungen sollen Gehwege weiter in die Fahrbahn gezogen werden, damit abbiegende Autos nicht mehr so schnell unterwegs sind. Auch die Verlängerung der Fußgängerzone von der Maxstraße in Richtung Karolinenstraße und Perlachberg ist ein Wunsch.
Die Aktivisten fordern, dass die Stadtpolitik sich mit der Vision der neugestalteten Karlstraße auseinandersetzt. „Der nächste Stadtrat sollte die Weichen in diese Richtung stellen“, so Gabler. Die Grünen positionierten sich bereits im Sommer mit der fast gleichlautenden Idee einer „kühlen Straße“. Zuletzt ließ auch CSU-Vorsitzender Volker Ullrich Sympathien für die Umgestaltung der Straße erkennen.
Eine Verkehrsberuhigung könnte durchaus mehrheitsfähig sein, doch sollte die Diskussion an Fahrt aufnehmen, wird die Frage, wie mit dem Autoverkehr umgegangen werden soll, wohl zum Streitpunkt. Die Freien Wähler forderten vor Jahren eine Untertunnelung, die FDP eine große Tangente zwischen Bgm.-Ackermann-Straße und der Hans-Böckler-Straße (teils untertunnelt) als neue Ost-West-Verbindung. Beim Forum Augsburg lebenswert lehnt man diese Überlegungen ab. „Neue Umfahrungen schaffen mehr Autoverkehr“, so Gabler.
Bombenschäden ermöglichten einen breiten Ost-West-Durchbruch
Die Karlstraße in der heutigen Form entstand nach dem Zweiten Weltkrieg. Zuvor war sie nur etwa halb so breit. Die Bombenschäden ermöglichten einen breiten Ost-West-Durchbruch, der schon in den vorangegangenen Jahrzehnten immer wieder diskutiert worden war, um die Innenstadt durchgängiger zu machen und für den Autoverkehr zu erschließen. Über weitere Schneisen wurde zwar nachgedacht, verwirklicht wurde aber nur die Grottenau, wie der Architekturhistoriker Gregor Nagler in seiner Dissertation zum Wiederaufbau Augsburgs schreibt. In der Nachkriegs-Verkehrsplanung war die Ost-West-Achse ein zentraler Baustein. Dass die Straße im Vergleich zu den sonstigen Innenstadtstraßen breit war, war auch den Stadtplanern klar. Um sie weniger wuchtig zu machen, bekam die Straße eine geschwungene Form. Zudem wollte man, indem man an manchen Stellen Häuser mit Arkaden über dem Gehweg baute, die Straße weniger schneisenartig gestalten.
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