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Augsburg: Die weltweit erste Modellfabrik für ganzheitliches Textilrecycling ist eröffnet

Augsburg

Die weltweit erste Modellfabrik für ganzheitliches Textilrecycling ist eröffnet

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    In Augsburg hat die weltweit erste Modellfabrik für nachhaltigen Stoffkreislauf eröffnet.
    In Augsburg hat die weltweit erste Modellfabrik für nachhaltigen Stoffkreislauf eröffnet. Foto: Bernd Hohlen

    Mode ist schnelllebig. Was diesen Sommer gefragt ist, kann in der nächsten Saison uninteressant sein. Das Kleidungsstück wird aussortiert. Dazu hat der Online-Institut für Textiltechnik Augsburg (ITA Augsburg) angesiedelt ist. Diesem Trend will man entgegenwirken und hat am Montag das Recycling Atelier eröffnet - die weltweit erste Modellfabrik für nachhaltigen Stoffkreislauf. Für die ehemalige Textilstadt Augsburg sei das etwas Besonderes, so die Akteure.

    Das Recycling Atelier wolle sich in Forschung und Entwicklung gemeinsam mit Partnern aus der Industrie dem nachhaltigen Stoffkreislauf entlang der kompletten textilen Produktionskette widmen, heißt es. "Die Modellfabrik bietet uns die Möglichkeit, mit unseren Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an einem hochaktuellen Thema unserer Zeit zu forschen", so Nadine Warkotsch, Professorin an der Hochschule Augsburg und Präsidentin für Forschung und Nachhaltigkeit. Das Thema Nachhaltigkeit würde bei Studierenden, aber auch in der Gesellschaft immer stärker an Bedeutung gewinnen.

    In Augsburg soll das Recycling von Textilien erforscht werden

    Bis zum Jahr 2025 fordert die EU-Textil-Agenda einen nachhaltigen Umgang mit Textilien. "Aber die Branche ist weit davon entfernt", so Stefan Schlichter, Professor an der Fakultät für Maschinenbau und Verfahrenstechnik der Hochschule Augsburg und Leiter des ITA Augsburg. Im Recycling Atelier forsche man daher am Dreiklang von technischer und ökologischer Sinnhaftigkeit sowie ökonomischem Nutzen. "Wenn diese Balance wiederhergestellt wird, dann ist mit einer Belebung der regionalen und nationalen textilen Wertschöpfungskette durch ein neues Textilrecycling zu rechnen. Das ist eine große Chance für die hiesige Textilbranche", ist Schlichter sicher.

    Schon in den letzten Jahren haben sich in Augsburg neu gegründete Modelabels der nachhaltigen und ökologischen Produktion verschrieben. Darunter Manomama und Degree. Mit Dierig ist dazu ein Unternehmen aus Hochzeiten der Textilindustrie weiter in Augsburg tätig. Ellen Dinges-Dierig, Vorständin der Dierig Holding AG war am Montag an der Seite von Oberbürgermeisterin Eva Weber und weiteren hochrangigen Gästen bei der Eröffnung der Modellfabrik dabei.

    Die Textilindustrie in Augsburg

    Die Textilherstellung in Augsburg ist jahrhundertealt. Schon 1237 wurde Augsburger Leinwand in Südtirol gehandelt. Auch die Fugger verdienten mit Stoffen ihr Geld. 1610 waren 2000 der 50.000 Einwohner der Stadt Weber.

    Ende des 18. Jahrhunderts bezogen viele Manufakturen in der Stadt ihre Rohtextilien zum Bedrucken günstig von außerhalb. Die Weber verarmten, es kam zu Aufständen. In der Folge verpflichteten sich die Kaufleute dazu, mehr der sogenannten Kattune aus Augsburger Fertigung abzunehmen. Später kam es zu einem totalen Einfuhrstopp.

    Mitte des 19. Jahrhunderts begannen die Gründungen der großen Augsburger Textilfabriken. Zu den bekanntesten zählen die Neue Augsburger Kattunfabrik (NAK) am Sparrenlech, die Mechanische Baumwollspinnerei und Weberei Augsburg (SWA) am Lech, die Kammgarn-Spinnerei (AKS) am Schäfflerbach oder Dierig in Pfersee.

    In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren bis zu 20.000 Menschen in der Branche beschäftigt, zwei Dutzend international agierende Großbetriebe prdouzierten in der Stadt. Zwischen 1960 und 1970 war die Textilindustrie in Augsburg auf ihrem Höhepunkt angelangt.

    In den Siebzigern begann der Niedergang der Industrie, immer mehr Kapazitäten wanderten nach Asien ab. Manche Gebäude sind noch erhalten, wenige kleine Betriebe produzieren noch Nischenprodukte. Die NAK wurde abgerissen, an ihrer Stelle steht heute die City-Galerie.

    Das Recycling Atelier bietet als erste Modellfabrik ein neuartiges und weltweit bisher einzigartiges Konzept für ein ganzheitliches Recycling von Textilien an. Es sollen sämtliche Prozessschritte des Textilrecyclings - von der Materialanalyse, über die Sortierung, die Aufbereitung und die textile Verarbeitung, bis hin zur Produktgestaltung - berücksichtigt werden. Zunächst sollen Prozesse modellhaft mit dem Fokus auf einer sinnhaften Produktion entwickelt werden, ehe dann die Skalierung auf einen industriellen Produktionsmaßstab folgt. Der Fokus liegt dabei auf der Entwicklung neuer Produkte und Prozesse sowie die vollständige Verwertung von Alttextilien mit bestmöglicher Qualität. Dieser Kreislauf soll auch neue Geschäftsmodelle ermöglichen.

    Künstliche Intelligenz soll in die Textilindustrie Einzug halten

    Bei jedem Prozessschritt unterstützen Unternehmen aus der gesamten Wertschöpfungskette die Forschung und bringen die industrielle Sichtweise und Kompetenz ein. In einem Workshop-Areal bietet das Recycling Atelier in Kooperation mit internationalen Unternehmen die Möglichkeit, die Produkte der Firmen auf den Prüfstand zu stellen und im direkten Austausch neue Konzepte für eine nachhaltige Textilproduktion zu erarbeiten. Außerdem wird der Einsatz von Künstlicher Intelligenz für die Textilbranche erforscht. Sie könnte unter anderem bei der Sortierung der zu recycelnder Stoffe zum Einsatz kommen. Dies geschieht heute fast zu 100 Prozent händisch. "Die nationale Textilindustrie darf die Augen vor den aktuellen Herausforderungen im Bereich der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz sowie im Bereich der Nachhaltigkeit nicht schließen. Deshalb trägt das Recycling Ateliers maßgeblich zur Innovationskraft dieses wichtigen Industriezweigs bei", sagte Schlichter bei der Eröffnung.

    Das Recycling Atelier ist ein Beitrag der Hochschule Augsburg und des ITA Augsburg zum KI-Produktionsnetzwerk Augsburg. Das KI-Produktionsnetzwerk Augsburg ist ein Verbund von zahlreichen KI-Kompetenzträgern im Großraum Augsburg und wird vom Freistaat Bayern gefördert.

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