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Augsburg: "Wegen 15 Euro wird ein Messer gezogen": Mehr Gewalt gegen Ordnungsdienst

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"Wegen 15 Euro wird ein Messer gezogen": Mehr Gewalt gegen Ordnungsdienst

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    Die verbalen und tätlichen Übergriffe auf Mitarbeitende des Augsburger Ordnungsdienstes sind zuletzt eklatant angestiegen.
    Die verbalen und tätlichen Übergriffe auf Mitarbeitende des Augsburger Ordnungsdienstes sind zuletzt eklatant angestiegen. Foto: S. Wyszengrad (Symbol)

    Er mache die schwerste Zeit seines Lebens durch, sagt Jens M. (Name geändert). Der 46-Jährige befindet sich gerade auf Reha, danach steht eine nächste Operation an. Der Mitarbeiter des Augsburger Ordnungsdienstes ist vor rund einem Jahr von einem wütenden Autofahrer umgefahren und schwer verletzt worden. Der Täter wurde unlängst in einem Prozess zu einer Haftstrafe von einem Jahr und sieben Monaten auf Bewährung verurteilt. Ein besonders schwerer Fall, aber kein Einzelfall. Bei der Stadt beobachtet man mit Sorge, dass verbale und tätliche Angriffe gegenüber städtischen Mitarbeitern zunehmen.

    Alle Bänder eines Knies sind gerissen. Zudem hat Jens M. an einer Schulter wegen eines Sehnenabrisses 50 Prozent seiner Muskelkraft verloren, die Verletzung ist nicht operierbar. Nachdem das Auto ihn erfasst hatte, prallte er so wuchtig auf das Pflaster auf, dass auch noch sein Gehör stark beschädigt wurde. Nun braucht der Ordnungsdienst-Mitarbeiter ein Hörgerät. Der Verurteilte muss ihm, so befand das Gericht, 5000 Euro Schmerzensgeld zahlen. Vielleicht wird es dabei nicht bleiben. Das Opfer wird gegen den 50-jährigen Familienvater auch zivilrechtlich Schäden einklagen. Noch warte man mit den Forderungen, sagt sein Anwalt Hansjörg Schmid. "Mein Mandant ist noch nicht ganz ausgeheilt. Man muss sehen, welche Beeinträchtigungen ihm bleiben." Bei der Stadt Augsburg sorgt man sich um die steigende Aggressivität und Gewaltbereitschaft gegen Angestellte und geht das Thema an.

    Gewalt gegen Mitarbeiter: Stadt Augsburg hat Thema im Visier

    Im Oktober erst befasste sich der Stadtrat mit einem "Sicherheitskonzept Gewaltprävention", das der Personalrat für die gesamte Stadtverwaltung erarbeitet hatte. Darin geht es auch um Regelungen zur Rechtsschutzhilfe für Mitarbeitende und um das Angebot psychologischer Unterstützung. Auch der Allgemeine Ausschuss wird sich Anfang Februar dem Thema widmen. Laut Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) ist dazu die Polizei eingeladen. Das Ordnungsamt werde den Stadträtinnen und -räten Übergriffe gegen Mitarbeitende schildern. Das Thema ist akut. Beleidigungen, Bedrohungen, Körperverletzung, Widerstandshandlungen - Zahlen zeigen, dass die Vorfälle seit 2020 schlagartig angestiegen sind. 

    Pendelte die Zahl der erfassten Vorkommnisse in den vergangenen Jahren zwischen 28 und 35, wurden im Jahr 2020 bereits 62 Fälle und im Jahr darauf 64 registriert. Im vergangenen Jahr 2022 hat sich die Zahl mit 116 Vorfällen nahezu verdoppelt. Den höchsten Anteil (55 Fälle) machen tatsächlich Körperverletzung und Widerstand aus, gefolgt von Beleidigungen (46). Pintsch beschreibt zwei Beispiele, die sich hinter den Zahlen verbergen.

    Angriffe auf Ordnungsamts-Mitarbeiter nehmen zu

    Weil sich vergangenen Oktober Passanten über aggressive Bettler in der Annastraße beschweren, überprüft der Ordnungsdienst diese. Letztlich werfen die Kontrollierten Flaschen, schlagen und treten zu, hetzen sogar einen Hund auf einen Mitarbeiter. Das Tier beißt zu. Die Kräfte erleiden Verletzungen, sind zum Teil zunächst dienstunfähig. Ein weiterer Vorfall aus Oberhausen, auch im Herbst: Ein Mitarbeiter der Parkraumüberwachung erteilt einem Autofahrer ein Verwarnungsgeld in Höhe von 15 Euro, weil er im Halteverbot geparkt hatte. Der Autofahrer zieht plötzlich ein Messer und bedroht den städtischen Mitarbeiter, er kann flüchten. 

    Es seien Kleinigkeiten, derentwegen die Menschen zunehmend austicken, beobachtet der Chef des Ordnungsamtes Andreas Bleymaier. Da werde ein Radfahrer auf einem Gehweg angehalten, man habe noch gar nicht mit ihm gesprochen, da schlage der bereits zu. "Jeden Montag, wenn ich ins Büro komme, liegen schon Strafanträge auf meinem Schreibtisch, die ich zu unterzeichnen habe. Es ist immer etwas passiert. Es ist extrem schwierig geworden", sagt Bleymaier. Er stelle fest, dass die Menschen seit der Pandemie ihren Frust verstärkt an ihnen ausließen. Es gebe viele Impulstaten, die die Belegschaft mit 37 Kolleginnen und Kollegen schockierten.

    Ordnungsdienst-Leiter: Habe nichts mit martialischem Auftreten zu tun

    Das Schicksal von Jens M. sei besonders schlimm und sorge für Verunsicherung. Aus Gründen des Eigenschutzes habe man zuletzt die Streifen auf vier Personen verstärkt. "Das hat nichts damit zu tun, dass wir in der Stadt martialisch auftreten wollen, wie uns manchmal vorgeworfen wird. Das ist zu unserer Sicherheit." Die Stadt selbst zeigt bei Übergriffen und Beleidigungen Null Toleranz.

    "Allen Verstößen wird nachgegangen und diese in aller Regel auch zur Anzeige gebracht", betont Pintsch, der sagt, nicht nur der Bereich des Ordnungsamtes verdiene bei dem Thema verstärkte Aufmerksamkeit, sondern auch Bürgerämter, das Jugendamt, Jobcenter und das Amt für soziale Leistungen. Vorfälle gebe es in allen Bereichen der Stadtverwaltung. Der verletzte Ordnungsdienst-Mitarbeiter Jens M. jedenfalls weiß nicht, wann und ob er in den Dienst zurückkehren kann. Eine große Hilfe sei für ihn die Unterstützung seiner Kollegen und Vorgesetzten, die er seit der Tat erfahre. "Dass ich auf so viel Rückhalt zählen darf, entlastet auch meine Familie enorm."

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