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Augsburg: Was vom einst florierenden Wollmarkt in Augsburg bis heute übrig blieb

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Was vom einst florierenden Wollmarkt in Augsburg bis heute übrig blieb

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    Exakt 500 Jahre alt sind die stilvollen Arkaden mit Kreuzgratgewölbe. Sie öffnen sich zum Wollmarkthof.
    Exakt 500 Jahre alt sind die stilvollen Arkaden mit Kreuzgratgewölbe. Sie öffnen sich zum Wollmarkthof. Foto: Sammlung Häußler

    Die Bezeichnung "Wollmarkt" für die Reste eines Dominikanerinnenklosters bei der Kirche St. Margareth am Fuß des Milchbergs sorgt oftmals für Stirnrunzeln. Man kennt die imposanten Arkaden an der Ostseite des gepflasterten Hofes, ansonsten ist der Bautenkomplex als Teil des Seniorenheims "Paritätisches Hospital-Stift St. Margaret" geläufig. Dass im Hof und im Kapitelsaal des einstigen Klosters über 60 Jahre lang Schafwolle gelagert und vermarktet wurde, ist nur mehr in der Marktgeschichte nachlesbar.

    Nachfrage nach Schafwolle stieg mit Beginn des Industriezeitalters

    Der erste Wollmarkt fand hier anno 1855 statt, der letzte 1914. Schafwolle benötigten einst vor allem die Lodweber und die Hutmacher. Mit Beginn des Industriezeitalters stieg die Nachfrage nach Schafwolle immens. 1825 wurde in Augsburg die erste mechanische Schafwollspinnerei eingerichtet. Um von der steigenden Nachfrage zu profitieren, richtete die Stadt Augsburg 1835 einen Markt für Schafwolle ein. Die erste "Markthalle" war die St.-Salvator-Kirche an der Jesuitengasse (1871 abgebrochen). Fortan lud die Stadt alljährlich im Juni zu einem mehrtägigen Schafwollmarkt ein.

    Der restaurierte Wollmarktsaal im Jahr 1995. Hier wurden einst Schafwolle und Hopfen gelagert und gehandelt.
    Der restaurierte Wollmarktsaal im Jahr 1995. Hier wurden einst Schafwolle und Hopfen gelagert und gehandelt. Foto: Sammlung Häußler

    Anno 1838 wurden 1284 Zentner angeboten, 1852 konnte eine Umsatzsteigerung auf 2201 bayerische Zentner (à 56 kg) verzeichnet werde. 195.371 Gulden wurden dafür bezahlt. 1855 folgte die Verlegung des Wollmarkts von der profanierten Jesuitenkirche in einstige Klostergebäude der Dominikanerinnen unterhalb des Milchbergs. Der Kapitelsaal hieß fortan "Wollmarkthalle am Roten Tor". Bald bekam sie einen Zusatz: "Hopfen- und Wollmarkthalle". Die Stadt veranstaltete dort nicht nur im Sommer einen Wollmarkt, sondern im Winterhalbjahr allwöchentliche Hopfenmärkte.

    Der Donnerstag war Hopfenmarkttag. Angeliefert wurde Hopfen in Riesensäcken aus weit entfernten Anbaugebieten – sogar aus Böhmen. Abnehmer gab es in und um Augsburg in Fülle: In der Stadt brauten um 1850 fast 100 Wirtschaften und Brauereien Bier. Auch die Brauereien in der Region deckten sich in Augsburg mit Hopfen ein. Im Sudjahr 1856/57 wurden 170.607 bayerische Pfund (nach dem Dezimalgewicht 95,5 Tonnen) für insgesamt 138.160 Gulden bei den Augsburger Hopfenmärkten verkauft. Als im Jahr 1868 neue gelockerte Handels- und Gewerbegesetze in Kraft traten, verlor der Augsburger Hopfenmarkt an Bedeutung. Großhändler mussten den Hopfen nicht mehr auf Märkten anbieten, sondern durften Brauereien direkt beliefern.

    1914 fand dort der letzte Wollmarkt in Augsburg statt

    Der Wollmarkt dagegen florierte noch jahrzehntelang. Die Augsburger Kammgarn-Spinnerei (AKS) verarbeitete ausschließlich Schafwolle. Das Ende des Augsburger Marktes kam nicht aufgrund von Angebotsmangel oder geringer Nachfrage. 1914 fand der Wollmarkt vom 8. bis 10. Juni statt. Wenige Wochen später begann der Erste Weltkrieg und damit die Zwangsbewirtschaftung aller Rohstoffe durch das Deutsche Reich. Der freie Wollhandel endete.

    Die einstige Klosterküche diente zwischen den beiden Weltkriegen als Kupfermuseum.
    Die einstige Klosterküche diente zwischen den beiden Weltkriegen als Kupfermuseum. Foto: Sammlung Häußler

    Nach dem Ersten Weltkrieg wurde der "Wollmarktsaal" zum Museum: 1919 oder 1920 wurde darin die "Kupfersammlung" eingerichtet. In diesem Museum waren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs alte metallene Haushaltsgegenstände zu sehen: kunstvolle Waaggewichte, Pfannen, Siebe, Backformen, Mörser, Kannen und Tiegel. Auch Humpen und kunstgewerblich bedeutsame Sammlerstücke aus Metall waren präsentiert. Dieses Museum war illegal zustande gekommen. Die Gegenstände waren von einem Augsburger bei Metallsammlungen während des Ersten Weltkriegs "abgezweigt" worden. Sie sollten zur Waffenproduktion eingeschmolzen werden.

    Der Hopfenmarkt und das Kupfermuseum gerieten in Vergessenheit. "Wollmarkt" dagegen wurde zur amtlichen Bezeichnung. Dass der "Wollmarktsaal" und die Arkaden mit massigen gemauerten Säulen 500 Jahre alt sind, enthüllt unter dem Kreuzgratgewölbe eine Inschriftplatte: In Latein werden die Bauherrin, die Priorin Brigita Wilprecht, und in römischen Ziffern "MDXXI" (1521) das Baujahr genannt. Die historische Wollmarkt-Waage befindet sich heute im Fugger-und-Welser-Museum. Sie hing im Vorraum des Wollmarktsaals.

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