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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Notarzt Alexander Beck ist Chefarzt an einem Würzburger Krankenhaus. Und trotzdem fährt er in Augsburg Notarzt-Einsätze.

Augsburg
11.07.2022

Warum ein Chefarzt aus Würzburg in Augsburg als Notarzt arbeitet

Von Ina Marks

Der gebürtige Augsburger Alexander Beck lebt schon lange in Würzburg. Trotzdem kommt er einmal im Monat zurück, um hier Einsätze als Notarzt zu fahren.

Wenn gebürtige Augsburger in ihre Heimatstadt zurückkehren, dann besuchen sie in der Regel ihre Familie oder treffen sich mit alten Freunden. Bei Prof. Alexander Beck ist das anders. Ein Mal im Monat verbringt der 57-Jährige ein Wochenende in der Fuggerstadt, um mit Blaulicht bei Herzinfarkt-Verdacht, bedenklichem Bluthochdruck oder einem Unfall auszurücken. Sogar zum Tatort eines blutigen Mordes in Göggingen wurde er schon alarmiert. Dabei arbeitet Alexander Beck als Chefarzt am Klinikum Würzburg-Mitte und lebt mit Ehefrau und Kindern in der unterfränkischen Stadt am Main. Der Chirurg erzählt, warum er trotzdem in Augsburg Notarzt fährt – und warum er in seinen Urlauben lieber mit einer Nationalmannschaft durch die Welt reist, als zu entspannen.

Die letzte Nacht war nicht so gut, berichtet Alexander Beck. Siebenmal musste er wegen Betrunkenen ausrücken. "Echte" Notfälle seien ihm lieber. "Dafür mache ich den Job." Es ist Samstagvormittag und der 1,95 Meter große Mann ist gerade von einem Einsatz im Augsburger Stadtteil Bergheim zurückgekehrt. Verdacht auf Schlaganfall. Zum Glück blieb es beim Verdacht. Beck – rote Hose, rote Notarztweste über dem weißen Shirt, schwere Stiefel – sitzt am kleinen Holztisch in der Küche der Rot-Kreuz-Bereitschaft in Haunstetten. Seine blauen Augen wirken etwas müde. Er selbst nicht. Zwei Schichten mit jeweils zwölf Stunden dauert sein Notarztdienst an diesem Wochenende in Augsburg. Später, gegen Abend, wird er wieder nach Hause zu seiner Familie nach Würzburg fahren. Den Schlemmerfladen und die Brezen, die seine Ehefrau und seine drei erwachsenen Kinder bei ihm geordert haben, hat er schon besorgt. "Das ist Tradition. Das muss ich immer mitbringen", erzählt er, lacht und verrät, warum Augsburg ihn nicht loslässt.

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Foto: Peter Fastl
Foto: Peter Fastl

Als Notarzt hat Alexander Beck schon über mehr als 10.000 Einsätze gefahren.

Alexander Beck wuchs in Augsburg in der Schießgrabenstraße auf. "Wir wohnten über der Praxis meines Vaters. Er war der Röntgen-Beck am Königsplatz", erzählt er. Sein Großvater hatte die Praxis 1925 gegründet. "Er war der erste Radiologe in Schwaben." Beck sollte in dieselben Fußstapfen treten, wollte das aber nicht. "Das wäre mir zu Schwarz-Weiß gewesen", witzelt der Leitende Notarzt. "Zu einer Krankheitsgeschichte brauche ich den Patienten." Seit 15 Jahren arbeitet Beck als Chefarzt der Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie am Klinikum Würzburg-Mitte, zuvor war er an der Uniklinik Ulm und am Augsburger Klinikum. Seit über 30 Jahren fährt er nun schon Notarzt in Augsburg und will es trotz räumlicher Distanz bis zu seinem Ruhestand fortführen. "Es ist einfach meine Leidenschaft – auch, weil ich einer der Geburtshelfer des Notarzt-Standorts Augsburg-Süd bin." Zudem lebt seine Mutter in Steppach, die er an Einsatzwochenenden besucht.

Bei dem Mord in Göggingen war er als Notarzt vor Ort

Beck sagt, es sei ihm wichtig, neben seinem Fachgebiet weiter das Gesamtbild der Medizin zu beherrschen. "Mir kann eine Reanimation passieren oder ich darf ein Baby mit auf die Welt bringen." Manchmal sind seine Einsatzorte entsetzlich. Den Sonntag im April vor zwei Jahren, als er in eine Asylunterkunft nach Göggingen gerufen wurde, vergisst er nicht. Ein Mann hatte seinen 15-jährigen Schwager mit einem Messer getötet, weitere Familienmitglieder verletzt. "Das viele Blut war für mich gar nicht so schlimm. Als Chirurg bin ich das gewohnt. Das Schwierigste anfangs war, die Lage einzuschätzen, was passiert und wer der Täter war." Beck ist einer, der kühlen Kopf behält. Die Eigenschaft braucht er auch für seinen ehrenamtlichen Nebenjob, für den er seine Freizeit opfert.

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Foto: Peter Fastl (Archivbild)
Foto: Peter Fastl (Archivbild)

Über zwei Jahre ist es her, dass ein 15-Jähriger in der Asylunterkunft Haus Noah ermordet wurde. Alexander Beck war als Notarzt vor Ort.

Der Familienvater ist leitender Mannschaftsarzt im Deutschen Schwimmverband für das Freiwasserschwimmen. Natürlich auch mit Leidenschaft. Beck ist selbst Wassersportler und Segler, die Liebe fürs Wasser hat er seinen Kindern weitergegeben. Vor allem seine Tochter Leonie ist sehr erfolgreich. Unlängst gewann die 25-Jährige bei den Schwimm-Weltmeisterschaften in Budapest die Silbermedaille über zehn Kilometer im Freiwasser, in der Freiwasserstaffel Gold. Mit der Nationalmannschaft reist Alexander Beck als Mannschaftsarzt durch die Welt. Er erinnert sich, wie er bei einem Wettkampf vor acht Jahren in Berlin eine Schwimmerin erfolgreich reanimierte. Sie war beinahe ertrunken.

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Freizeit ist für gebürtigen Augsburger Beck "überflüssig"

Auf die Frage, ob er denn kein freies Wochenende oder mal Urlaub brauche, grinst Alexander Beck. "Nö. Das ist für mich überflüssig." Seine Familie, das weiß er auch, müsse seinen Arbeitseifer natürlich mittragen. Hin und wieder entspanne er bei der Gartenarbeit. In den Augen seiner Kinder, erzählt er, halte er sich körperlich zu wenig fit. "Irgendwann werteten sie aber meine Handydaten aus und sahen, dass ich täglich zehn Kilometer laufe. Dann waren sie zufrieden." Rund 250 Kilometer darf Beck in ein paar Stunden auf der A7 zurücklegen. Dann ist sein Einsatz in Augsburg beendet und er fährt zurück nach Würzburg. Übrigens – auch dort ist er als Notarzt unterwegs. Das versteht sich fast von selbst.

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