Seit sechs Jahren bringt das Projekt Solidrische Landwirtschaft (Solawi) in Augsburg Landwirte, Biogärtner und Verbraucher zusammen. 2017 wurde es mit dem Augsburger Zukunftspreis prämiert. Mitbegründer Bruno Marcon, zugleich Vorsitzender des Trägervereins, berichtet von einem steten Wachstum. Mittlerweile beziehen wöchentlich rund 220 Kunden, die im Verein Stadtwirte heißen, saisonale Lebensmittel, vor allem Gemüse. Lieferanten sind einige Landwirte und Gärtner aus Augsburg und der Region. Einer von ihnen, Biogärtner Armin Salzmann, will jetzt eine neue Solawi in der Stadt gründen.
Seit zwölf Jahren bewirtschaftet er im Norden des Bärenkellers rund fünf Hektar Ackerfläche sowie mehrere Gewächshäuser. Vor allem Blattsalat, Gurken und Tomaten, aber auch Gemüse wie Kraut, Fenchel, Rote Bete und Mangold gedeihen auf seinem Hof. Dass er zusammen mit einigen Mitstreitern jetzt sein eigenes Ding machen will, hat einen Grund. „Die Entwicklung der Solawi geht in eine Richtung, die wir nicht mittragen können. Viele Ideen stehen zwar auf dem Papier, werden aber nicht umgesetzt.“
Biogärtner Salzmann: "Es kam zu Missverständnissen"
Bereits vor Längerem habe er sich mit dem Gedanken getragen, eine eigene Solawi zu gründen, habe sich dann aber vor vier Jahren dem Projekt von Marcon angeschlossen. Anfangs habe alles wunderbar funktioniert. „Doch dann kam es zu Missverständnissen, unterschiedlichen Vorstellungen und irgendwann war das Vertrauen weg“, begründet Salzmann sein Ausscheiden. Ende Oktober soll die Zusammenarbeit definitiv enden.
Der Augsburger, der vor seiner Zeit als Biogärtner in der Medienbranche tätig war, würde am liebsten sofort sein eigenes Projekt starten. Salzmann möchte eine Gemeinschaft von Verbrauchern finden, die ihn als Landwirt unterstützen, indem sie ihm seine Produkte regelmäßig abnehmen. Er denkt dabei an einen Preis von monatlich 50 Euro bei einen Bezugstermin pro Woche. Für Senioren und Studenten soll es einen ermäßigten Tarif geben und darüber hinaus die Möglichkeit, Patenschaften für Bedürftige zu übernehmen. Ergänzen möchte er das Angebot mit Erzeugnissen anderer Landwirte und Gärtner, etwa Öl, Eier, Käse, Nudeln, Obst, Honig sowie Wurst und Fleisch. Bei Hoffesten, Veranstaltungen und Workshops sollen die Gärtner mit ihren Abnehmern zusammenkommen.
Das Ziel der Solawi: Unabhängig vom Handel werden
Salzmanns Vision ist, dass das Projekt, sprich seine Gärtnerei, innerhalb von zehn Jahren auf die neue Solawi übergeht, „vergleichbar mit einer Genossenschaft“. Ziel sei es, eines Tages vom Handel unabhängig zu werden. Momentan vermarktet Salzmann nach eigenen Angaben ein Viertel seiner Produkte über die Solawi.
Der Rest gehe an den Handel beziehungsweise werde verschenkt oder komme der Augsburger Tafel zugute. Sobald eine Tomate oder eine Gurke von Wuchs, Größe und Aussehen nicht vollkommen sei, sei die Ware über den Handel nicht mehr zu vertreiben, bedauert Salzmann. Zunächst aber stehen für den Biogärtner und seine Solawi der Aufbau eines eigenen Kundenstamms an. Die Erntebezieher sollen auch auf den Äckern mitarbeiten dürfen. Des Weiteren sucht Salzmann nach einer Verteilstelle oder einem Laden, möglichst in der Innenstadt oder zentrumsnah.
Sein Hof im Norden des Bärenkellers liege zu sehr am Stadtrand, um diese Funktion zu erfüllen, sagt er. Mit einem Hauptdepot in der Innenstadt und mehreren Verteilstellen in den Stadtteilen hat sich die bestehende Solawi über die Jahre hinweg eine entsprechende Infrastruktur aufgebaut. Diese sieht Bruno Marcon, der seit Mai für die Gruppierung „Augsburg in Bürgerhand“ im Stadtrat sitzt, durch das Ausscheiden Salzmanns nicht gefährdet. Dank eines neuen Landwirts und eines ausgeweiteten Angebots eines weiteren Betriebs sei ein ausreichendes Angebot gesichert.
Grundsätzlich sieht Marcon in Augsburg Potenzial für eine weitere Solawi. Gerade wegen Corona sei vielen Verbrauchern die Bedeutung von regionalen Anbietern bewusst geworden. Die Pandemie wiederum habe in diesem Jahr dazu geführt, dass die geplanten Veranstaltungen nicht stattfinden konnten, kontert der Vereinsvorsitzende den Vorwurf Salzmanns, dass vieles möglich gewesen, aber nicht umgesetzt worden sei.
Bruno Marcon: Trennung von Biogärtner war gemeinsamer Beschluss
Wichtig ist Marcon der Hinweis, dass nicht Salzmann die Zusammenarbeit aufgekündigt habe, sondern die Trennung ein gemeinsamer Beschluss gewesen sei. „Wir werden sehen, ob er sich mit seinem Vorhaben behaupten kann.“
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