So richtig ist der gute Bismarckturm via Schiene zwar nicht zu erreichen. Aber die Tram-Endhaltestellen in der Nähe des Uniklinikums (Linie 2/A-West PR) und in Stadtbergen (Linie 6) sind über einen sonnigen und über die Felder verlaufenden Fuß- und Radweg miteinander verbunden. Dieser bildet sozusagen die Taltransversale, von der aus – an einem Feldkreuz rechtsabweisend – der „Gipfelaufstieg“ zum Turm beginnt. So ein halbes Stündchen wandert man – zunächst die 2er-Tram verlassend und die B300 überquerend – zu ihm. Und dann brauchen wir nochmals so 30 Minuten, um in Stadtbergen in die brave 6er einzusteigen. Nur ein Katzensprung ist es nun zu Herz Jesu in Pfersee, wo wir uns nebenan beim Bäcker eine Tasse Kaffee genehmigen können. Doch zunächst genießen wir den Ausblick vom Bismarckturm auf die Stadt. Ganz genau stimmt es aber nicht mit der Aussage, er sei eine Augsburger Legende. Er hat nämlich nur Gastrechtsstatus auf der nachbarlichen Westheimer Flur.
Doch die Augsburger können beruhigt sein: Das „Gipfelgrundstück“ mit dem schönsten Blick auf die Stadt gehört streng grundbuchamtlich der Stadt Augsburg. So wie der Turm auch. Als externe Besitzung. Man hat ja schließlich nicht nur Schulden. Und dann gibt es noch etwas anzusprechen. Sorry, liebste Friedberger Nachbarn: Dem Blick von Euch aus runter zu uns gebührt leider nur die Silbermedaille ... Groß wurde die Einweihung des Bismarckturmes am 3. September 1905 gefeiert und stolz war man auf den „Eisernen Kanzler“. Weit nach Augsburg hinein leuchtete von der Turmspitze aus ein abendliches Feuer. Und die riesige Rauchsäule entsprach wohl nicht den jetzt zulässigen Emissionswerten …
Einst wurden überall Ehrentürme für Kanzler Bismarck errichtet
240 solcher Ehrentürme – selbst in Kamerun und Chile gab es solche – wurden nach dem Tode Bismarcks errichtet. Dann wurde es aber still um das historische Denkmal. So ganz lieb hatte man jetzt den Herrn Reichskanzler a. D. nicht mehr. Nach dem Ersten Weltkrieg ist der Turm schnöde zugesperrt und im Zweiten Weltkrieg unfein als Flakturm zweckentfremdet worden. Später musste er sich zwangsweise für Übungen des hoffnungsvollen Augsburger Kletternachwuchses zur Verfügung stellen, ehe den Turm der kommunale Erholungsverein Augsburg (EVA) 1979 unter seine Fittiche nahm.
Das andere Highlight unseres Sommer-Tramausflugs bildet die am 29. Mai 1910 geweihte „Pferseer Kathedrale“ Herz Jesu. Auf den Weg wurde sie gebracht von dem damals in Göggingen wirkenden Architekten Professor Michael Kurz. Er kreierte bahnbrechend die moderne deutsche Kirchenarchitektur in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Schon beim Bau von Herz Jesu wird dies erkennbar. Während die imposante äußere Baulichkeit noch vom Neubarock geprägt ist, wendet sich Michael Kurz bei der Ausgestaltung des Innenraums schon dem modern werdenden Jugendstil zu. Und dies prägend für ganz Süddeutschland! Aber er geht dann noch einen Schritt weiter: In den 1920er-Jahren schuf er die St. Antonkirche, nicht weit von Herz Jesu entfernt und schön am Wittelsbacher Park gelegen. Entstanden ist dort eine Hallenkirche im Stile der Neuen Werkkunst. Übrigens eine der ersten im ganzen Reich. Sie ist also lohnenswert, so eine Trambahn-Tour in die Stadtgeschichte und zur Stadtarchitektur. Zumal die Straßenbahn im Großen und Ganzen pünktlich ist.
Info: Örtliche und regionale Wandertipps sind das Metier unseres Autors Heinz Münzenrieder, der früher als Augsburger Stadtdirektor tätig war.