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Augsburg: Von Rio nach Augsburg: Paralympics-Siegerin kämpft für Organspenden

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Von Rio nach Augsburg: Paralympics-Siegerin kämpft für Organspenden

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    Das Thema Organspende ist der ehemaligen Leistungssportlerin Franziska Liebhardt ein persönliches Anliegen.
    Das Thema Organspende ist der ehemaligen Leistungssportlerin Franziska Liebhardt ein persönliches Anliegen. Foto: Silvio Wyszengrad

    Als Franziska Liebhardt 2016 bei den Paralympics in Rio de Janeiro als Kugelstoßerin Gold gewann, stand sie nicht allein auf dem Siegertreppchen – auch wenn ihr dies niemand angesehen habe, wie sie heute erzählt. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war die damals 34-Jährige lungen- und nierentransplantiert. Grund dafür ist eine Autoimmunerkrankung. „Ich verdanke den sportlichen Erfolg meinen Organspendern“, sagt die mittlerweile 42-Jährige. Am Augsburger Maria-Ward-Gymnasium warb sie zuletzt mit ihrer Geschichte für die Organspende. „Wir müssen eine andere Kultur der Organspende etablieren“, sagt sie. „Im Moment sind Spenden noch die Ausnahme.“

    2021 wurde das Thema Organspende auf Initiative des „Bündnisses Organspende Bayern“ im bayerischen Lehrplan verankert. Ethische, rechtliche und medizinische Fragen sollen seitdem an allen weiterführenden Schulen des Freistaates im Unterricht besprochen werden und so die Bereitschaft für eine Organspende erhöhen. „Ein guter erster Schritt“, sagt Liebhardt. „Aber es braucht mehr als das.“

    Deutschland hängt bei Organspenden „im europaweiten Vergleich hinterher“

    Denn in Deutschland wartet man im Schnitt sechs bis zehn Jahre auf ein Spenderorgan. Über 8000 Menschen stehen laut der Deutschen Stiftung Organtransplantation derzeit bundesweit auf der Warteliste. 2023 gab es in Deutschland nur 965 Spenderinnen und Spender. „Wir hängen im europaweiten Vergleich hinterher“, sagt Florian Sommer, Oberarzt der Transplantationschirurgie am Uniklinikum Augsburg (UKA), der die Veranstaltung am Maria-Ward-Gymnasium zusammen mit der Schulleitung organisiert hatte. Das Transplantationszentrum an der Uniklinik ist auf Nieren spezialisiert, das mit Abstand am häufigsten transplantierte Organ. Das Einzugsgebiet des Zentrums umfasst den gesamten Raum Augsburg und Bayerisch-Schwaben bis in den westlichen Raum Baden-Württembergs.

    Hierzulande gilt derzeit die sogenannte Entscheidungslösung. Das bedeutet, Organentnahmen sind nur mit ausdrücklicher Zustimmung erlaubt, beispielsweise durch einen Organspendeausweis. Franziska Liebhardt war Anfang 20, als bei ihr eine Autoimmunerkrankung festgestellt wurde. Sie sei schon damals eine aktive Sportlerin gewesen, erzählt sie. Es verging nicht viel Zeit, bis sie nach der Diagnose eine Spenderlunge und später eine Spenderniere benötigte. Durch ihre Erkrankung erlitt Liebhardt zudem eine spastische Lähmung. Sie sagt, sie habe sich aber zurück ins Leben gekämpft und sei dann in den Behindertensport eingestiegen: „Das größte Glück in meinem Leben war für mich als Sportlerin nicht mein Sieg – es waren die erhaltenen Organe“, erzählt sie.

    Liebhardt: Organspende war „das größte Glück in meinem Leben“

    In Europa ist Spanien Spitzenreiter in puncto Organspende. Im vergangenen Jahr wurden dort im Schnitt 16 Organe pro Tag transplantiert – in Deutschland waren es nicht einmal drei. Die spanische Erfolgsquote hat mehrere Gründe. Während in Deutschland Organe nur nach festgestelltem Hirntod entnommen werden dürfen, ist das in Spanien bereits nach dem Herztod möglich. Zudem ist dort schon seit vielen Jahren die Widerspruchslösung gesetzlich vorgeschrieben. Demnach gilt prinzipiell jede Person als Organspender, die dem nicht aktiv widerspricht.

    Im Augsburger Transplantationszentrum werden am häufigsten Nieren transplantiert.
    Im Augsburger Transplantationszentrum werden am häufigsten Nieren transplantiert. Foto: Soeren Stache, dpa

    In Deutschland gab es 2020 einen ersten Anlauf zur Reform der Gesetzeslage, der jedoch scheiterte. „Die rechtlichen Voraussetzungen in Deutschland verhindern, dass wir den Patienten die bestmögliche Behandlung garantieren können“, sagt Sommer. „Wenn Patienten zu mir kommen, muss ich ihnen leider sagen, dass die Behandlung hierzulande nicht dem europäischen Standard entspricht.“ Sommer sieht in der Widerspruchslösung eine zukunftsweisende Maßnahme. „Aber auch wenn diese Regelung eingeführt wird, muss weiterhin informiert werden, damit Entscheidungen auf der Basis bestmöglicher Informationen getroffen werden können“, sagt er.

    Mentalitätswechsel auch in Augsburg nötig

    Neben einer gesetzlichen Reform braucht es nach Einschätzung des Experten auch einen Mentalitätswechsel. Wie schambehaftet das Thema Organspende in der Gesellschaft ist, weiß auch Liebhardt. In der Vergangenheit sah sie sich oft mit Vorurteilen konfrontiert. „Dass der Hirntod vorzeitig festgestellt wird wegen einer Gier nach Organen oder dass man hinterher sowieso nicht gesünder ist als vorher, das sind nur ein paar Beispiele“, erzählt sie. Viele Menschen würden das Thema auch verdrängen. „Aber sie müssen verstehen, dass sich ihre Lage jederzeit ändern kann“, sagt Liebhardt. Mit ihrer Arbeit möchte sie vor allem aufklären und Vorurteile ausräumen.

    Am Maria-Ward-Gymnasium schien sie damit Erfolg zu haben. „Vor ihrem Vortrag war ich mir nicht ganz sicher, wie ich zur Organspende stehe“, sagt Schülerin Marie Pfisterer. „Aber ihre Geschichte bewegt und mir ist jetzt diese riesige Lücke zwischen benötigten und gespendeten Organen bewusst geworden.“

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