Am Samstagabend ist das Binswanger-Bierzelt so voll, dass kein Blatt Papier mehr zwischen die Feiernden passt. Sie stehen auf den Bänken, singen, schunkeln und trinken. Für Nachschub sorgen die Bedienungen, die sich unermüdlich und mit viel Körpereinsatz einen Weg durch die Menge bahnen und dabei auch noch volle Bierkrüge stemmen. Wenn die Krüge leer werden, schlängeln sich Abräumer durch die Feiernden und tragen die Gläser zum Spülen, damit sich die Bedienungen ganz den Gästen widmen können. Abräumer ist einer der wenigen Jobs auf dem Plärrer, den man bereits mit 16 Jahren machen kann. Er gehört nicht zu den leichten Tätigkeiten, wie ich als Reporter im Selbstversuch an diesem Abend feststellen darf. Meine "Ausbilderin" und Kollegin heißt Michelle, ist 16 Jahre alt und schafft vier Krüge in jeder Hand. Und dabei hat sie auch noch ein Lächeln auf den Lippen.
Für die Gäste ist der Plärrer ein großes Fest, auf dem man Feiern und Spaß haben kann. Für die Festwirte, Schausteller und Gastronomen bedeutet er Lebensunterhalt. Mehr als 350 Menschen sorgen in Augsburg auf dem Plärrer dafür, dass Fahrgeschäfte fahren, Losbuden mit Preisen bestückt sind und die Gäste jederzeit ihren Hunger und Durst stillen können, weiß Schaustellerchef Josef Diebold. Einen Teil der Aufgaben übernimmt Stammpersonal, das mit den Geschäften reist und auf allen Volksfesten zu Hause ist. Doch an jeder Station bietet der Jahrmarkt auch eine Vielzahl von Arbeitsplätzen für Aushilfen. Und wenn man gerne mit Menschen arbeitet, gebe es Tätigkeiten für alle Altersgruppen - vom Schüler bis zum Rentner, weiß der Schaustellerchef. Wer Musik mag, ist sicher im Bierzelt gut aufgehoben.
Plärrer-Aushilfe: Die richtige Technik ist wichtig für das Abräumen
Nach 20 Minuten brennen meine Unterarme wie Feuer. Natürlich trage ich fünf Krüge in jeder Hand, und ich frage mich, wie die jungen Leute ihre Sechs-Stunden-Schichten durchhalten. Offenbar sieht man mir meine Schwierigkeiten von Weitem an, denn eine Bedienung nimmt mich zur Seite und begutachtet kopfschüttelnd meine Tragetechnik. "So machst du dir die Handgelenke kaputt, da hast du ganz schnell keinen Spaß mehr", lässt sie mich wissen und stellt mehrere Krüge so zusammen, dass sich die Henkel ineinander verkanten und aus dem fragilen Gebilde plötzlich ein Stabiles wird. Wir stellen fest, dass ich für sechs Krüge zu kurze Finger habe und ich ein "Fünf-Krug-Träger" bin. Die Krüge drückt sie mir an Hüfte und Bauch, stellt noch einen sechsten in die Mitte und mit einem Mal trägt sich das Gewicht recht entspannt. Selbst das Abräumen will offenbar gelernt sein.
Für Michelle ist Abräumer ihr erster Job. Die Maria-Ward-Schülerin kann das Geld, das sie hier verdient, gut gebrauchen. Zwar sind die Osterferien bereits vorbei, aber auch am letzten Plärrer-Wochenende wird sie wieder mit ihren jungen Kolleginnen und Kollegen durch das Festzelt laufen, Krüge, schmutziges Geschirr und Cocktail-Gläser einsammeln und auch beim Spülen helfen, wenn Not am Mann ist. "Als ersten Job finde ich das Bierzelt interessant - auch wenn es hart ist, die sechs Stunden durchzuhalten", sagt die Schülerin.
Wer auf dem Plärrer eine Arbeit sucht, komme am besten persönlich vorbei, sagt Josef Diebold. Er ist in Augsburg so etwas wie der Jobvermittler geworden - nicht, weil er der Schaustellerchef ist, sondern weil sein Karussell das erste Fahrgeschäft ist, auf das man vom Haupteingang aus trifft. "Schon beim Aufbau stehen die Leute da und suchen Arbeit", berichtet er. "Ich sehe inzwischen den Menschen an, wofür sie womöglich geeignet sind", verrät Diebold. Einen Senior würde er kaum als Karteneinsammler an das Fahrgeschäft Breakdance stellen - wohl aber als Losverkäufer an die Glückspyramide.
Augsburger Plärrer: Aus drei Tagen in der Glückspyramide wurden 30 Jahre
So wie Heinz. Der 72-Jährige wollte eigentlich nur für drei Tage an der Glückspyramide aushelfen - das war vor 30 Jahren. Seitdem zieht es ihn immer wieder als Aushilfe auf den Plärrer. "Das Betriebsklima ist gut, die Gäste sind nett und ich verdiene etwas - was will man mehr", versucht er seine Plärrerfaszination in Worte zu fassen. Früher war er einmal Fachverkäufer in einem Modegeschäft - den Umgang mit den Kunden hat der Rentner offensichtlich nicht verlernt.
Serkan Dülger ist Gastronom, seine Familie betreibt eine Bar. Doch wenn der Plärrer kommt, macht er für zwei Wochen "Urlaub" und arbeitet auf dem Breakdance. Mit einem breiten Lächeln im Gesicht hilft er gerade zwei jungen Frauen aus der Gondel und passt auf, dass sie sicher zum Ausgang gelangen. "Ich liebe Volksfeste", sagt der 27-Jährige, den es seit 2016 immer wieder auf den Plärrer zieht. "Ich animiere die Leute, sammle ihre Chips ein und wünsche eine gute Fahrt", beschreibt er seine Tätigkeit. "Ich mag es einfach, Menschen eine Freude zu machen."
Bei der Glücksfee warten Luftballons darauf, von den Gästen mit Dartpfeilen abgeworfen zu werden. Nach jedem Gast hängt Christin Reif neue Ballons an die Wand und sorgt dafür, dass alles wieder ordentlich aussieht. "Ich war mit der Schwester der Chefin in einer Klasse - so hat sich das ergeben", erzählt die Auszubildende. Wenn ihre Mitschüler Ferien machen, nimmt Christin ihren Platz bei der Glücksfee ein. "Für mich bietet sich das an, nebenbei Geld zu verdienen und die Arbeit mach großen Spaß", sagt sie. "Es ist immer etwas los, jeden Tag etwas Neues, und es wird nie langweilig", wirbt sie für einen Job auf dem Plärrer.