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Augsburg: Verzweiflung bei Augsburgs Metzgern: "Uns steht das Wasser bis zum Hals"

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Verzweiflung bei Augsburgs Metzgern: "Uns steht das Wasser bis zum Hals"

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    Die Metzgermeister Peter Happacher, Nikolaus Wollmann, Metzgermeisterin Susanne Brosche, Innungsobermeister Rainer Naumann und Maximilian Settele (von links) plagen Zukunftssorgen.
    Die Metzgermeister Peter Happacher, Nikolaus Wollmann, Metzgermeisterin Susanne Brosche, Innungsobermeister Rainer Naumann und Maximilian Settele (von links) plagen Zukunftssorgen. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Bei Augsburgs Metzgern geht die blanke Existenzangst um. Einige sagen, ihnen stehe das Wasser bis zum Hals. Wie vielen anderen Handwerkern und Unternehmen auch, macht die Energiekrise den familiengeführten Fleischerbetrieben schwer zu schaffen. Peter Happacher von der gleichnamigen Metzgerei im Spickel meint: "Irgendwann fragt man sich, wofür man noch aufsteht und arbeitet." Die Metzgermeister und -meisterinnen erzählen, wie sich die explodierenden Strom- und Gaspreise auf ihr Geschäft auswirken. Auch ein bekannter Bäcker liefert eine düstere Zukunftsprognose.

    Die Metzgerei Mayer ist seit 1886 in der Ulmer Straße im Augsburger Stadtteil Oberhausen zu finden. Viele Kunden schätzen hier besonders den warmen Mittagstisch. Susanne Brosche sagt, eigentlich müsste sie die Preise für die Speisen erhöhen. "Aber wer kauft denn ein Mittagessen von über zehn Euro?" Brosche führt die Metzgerei bereits in der siebten Generation. "Ich will nicht der Depp der Familie sein, der den Betrieb schließen muss", sagt die 44-Jährige offen. Wenn sich die Lage aber nicht ändere oder gar noch verschärfe, sieht Brosche das Unternehmen bedroht. Nicht nur sie. In der Stadt Augsburg sind inzwischen nur noch acht familiengeführte Metzgerbetriebe ansässig, die ihre Waren selbst produzieren. Sie alle plagen akute Zukunftsängste. Darum haben sie jetzt die Initiative ergriffen.

    Augsburgs Metzger haben Angst vor der Zukunft

    Die Fleischerinnung Augsburg lud Politiker ein, um ihre prekäre Situation und die Dringlichkeit einer Unterstützung des Handwerks, aufzuzeigen. Bei Innungsobermeister Rainer Naumann in Augsburg treffen sich die Metzgermeister und -meisterinnen mit den Bundestagabgeordneten Hansjörg Durz (CSU) und Maximilian Funke-Kaiser (FDP) sowie dem Landtagsabgeordneten Harald Güller (SPD). Von den Grünen kam niemand. Metzgermeister Maximilian Settele hat den Politikern Stromrechnungen mitgebracht. Die Stromkosten des Haunstetter Familienbetriebs haben sich zuletzt verzehnfacht.

    Seit dem Jahr 1962, berichtet Settele, sei ihre Metzgerei Kunde bei den Stadtwerken gewesen. 5,5 Cent Arbeitspreis, also der reine Energiepreis ohne Steuern, Umlagen und Abgaben, habe man vergangenes Jahr für die Kilowattstunde Strom gezahlt. Letzten Dezember aber hätten die Stadtwerke den Vertrag aufgelöst. "Ich hätte mich dann auf 27 Cent auf drei Jahre binden müssen, das war damals schon eine utopische Vorstellung", berichtet der 31-jährige Metzgermeister. Zu dem Zeitpunkt habe man nicht ahnen können, dass sich die Situation durch einen Krieg verschärfen sollte. "Uns blieb nur der Spotmarkt", so Settele weiter. Auf dem Spotmarkt wird kurzfristig lieferbarer Strom gehandelt. Die Preise dort sind zuletzt enorm gestiegen. Nun im August habe er 54 Cent Arbeitspreis pro Kilowattstunde gezahlt. "Allein für eine Woche hatten wir Stromkosten in Höhe von 3500 Euro. Das kann auf Dauer so nicht funktionieren. Ich weiß nicht, ob ich nächstes Jahr so weitermachen kann." Ähnliche Erfahrungen schildert sein Augsburger Kollege Peter Happacher.

    Knapp 10.000 Euro Stromkosten in einem Monat

    Vergangenes Jahr hätten die monatlichen Stromkosten der Metzgerei im Spickel zwischen 2500 und 3000 Euro betragen. Inzwischen seien dem Betrieb alle Gas- und Stromverträge gekündigt worden. Über eine Strommaklerin wurde ein neuer Anbieter gefunden. Natürlich zu teureren Konditionen. "Im August lagen wir bei knapp 10.000 Euro allein für Strom." Dazu kämen die Preiserhöhungen der Lieferanten und die steigenden Lohnkosten. Das alles könne man aber nur in einem gewissen Rahmen an die Kundschaft weitergeben. "Eigentlich müsste die Leberkässemmel jetzt zehn Euro kosten. Aber das geht natürlich nicht", sagt Happacher. Den Stromverbrauch zu reduzieren, da sind sich alle einig, sei in ihrem Gewerbe kaum möglich. Die Tiefkühlräume etwa könnten weder abgestellt, noch deren Temperatur hochgefahren werden. Kleine Änderungen in den Produktionsabläufen – mehr gehe nicht.

    "Die Hälfte aller Bäcker wird es in zwei Jahren nicht mehr geben"

    Dass die prekäre Situation in der Politik angekommen sei, bekräftigen alle drei durch den Bund geplanten 200-Milliarden-Entlastungspaket profitieren werden, können sie zu diesem Zeitpunkt freilich nicht sagen. "Die Zeit drängt, wir brauchen kurzfristige Lösungen", betont Nikolaus Wollmann von der Metzgerei Wollmann in der Firnhaberau. Nicht nur bei Augsburgs Metzgern scheint die Lage mehr als angespannt. André Heuck, Inhaber der Bäckerei Cumpanum, befürchtet, dass es in zwei Jahren die Hälfte aller Bäcker nicht mehr geben werde.

    "Viele, die Nachfolgerprobleme haben, werden bald schließen, etliche werden insolvent gehen", glaubt der Bäckermeister. Er kritisiert, dass man immer noch nicht wisse, wie Strom- und Gaspreisdeckel funktionieren sollen. Die Energie sei nicht das einzige Problem. Er zählt auf: "Steigende Lohnkosten und Rohstoffpreise und dazu noch die spürbare Kaufzurückhaltung – da wird es wirklich existenziell." Mit besonderen Angeboten, wie mit einem Familienbrot für 3,33 Euro, möchte er Kunden zurückholen beziehungsweise halten. "Nur die Treue unserer Kunden kann uns helfen."

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