Es ist ein brütend heißer Samstagnachmittag, 17.30 Uhr, als passiert, was auf keinen Fall passieren sollte: Aus der Dienstwaffe eines Polizisten, der am Rande des Fußball-Bundesligaspiels zwischen dem FC Augsburg und Borussia Mönchengladbach im Einsatz ist, löst sich versehentlich ein Schuss. Die Kugel durchschlägt erst die Scheibe eines Polizei-Fahrzeugs und trifft dann einen leeren Fan-Bus der Gastmannschaft. Unbeteiligte werden nicht verletzt, vier Polizeibeamte schon. Es ist die Bilanz eines Vorfalls, der etliche Fragen aufwirft – und auf die es nun erste Antworten gibt.
Vier Polizisten wurden am Rande des FCA-Heimspiels verletzt
Von den vier verletzten Polizisten sind drei inzwischen wieder im Dienst, einer ist aufgrund eines schweren Knalltraumas nach wie vor krankgeschrieben. Auch der mutmaßlich Verantwortliche ist derzeit nicht dienstfähig. Wie ein Sprecher der Bayerischen Bereitschaftspolizei auf Anfrage unserer Redaktion sagt, steht er unter Schock und kann derzeit nicht vernommen werden. Welche Konsequenzen der Vorfall für ihn habe, sei noch offen – nur so viel: "Die Verhängung disziplinarrechtlicher Maßnahmen wird aktuell geprüft." Im Raum könnten auch strafrechtliche Konsequenzen stehen, dies komme aber auf die Umstände an.
Und die sind derzeit noch unklar. Was bekannt ist: Der Schuss kam aus der Dienstwaffe eines Beamten, der zum Unterstützungskommando (USK) der Polizei gehört. Die Waffe selbst, eine SFP9 von Heckler und Koch, ist seit Ende der 2010er-Jahre in Bayern üblicherweise im Einsatz, auch Streifenpolizisten tragen sie bei sich. Wie der Sprecher der Bereitschaftspolizei betont, seien alle Beamten ausführlich im Umgang mit ihr geschult, auch die Waffe weise Sicherheitsmechanismen auf. "Unbeabsichtigte Schussabgaben sind die absolute Ausnahme."
Waffe bei FCA – Mönchengladbach im Einsatz: Landeskriminalamt ermittelt
Dies bestätigt auch das Bayerische Landeskriminalamt (LKA), das die Ermittlungen übernommen hat. Zu aktuellen Erkenntnissen könne man keine näheren Angaben machen, heißt es dort, man befrage derzeit alle Beteiligten. Gegebenenfalls würden auch Gutachten in Auftrag gegeben. Dabei könnte etwa die Frage geklärt werden, ob die Waffe möglicherweise defekt gewesen sei. Nach Informationen unserer Redaktion deutet darauf aktuell aber wenig hin. Nach Abschluss der LKA-Ermittlungen, die wohl mehrere Tage andauern werden, wird dann ein Bericht an die Staatsanwaltschaft übergeben.
Wie häufig Polizistinnen und Polizisten in Bayern unbeabsichtigte Schüsse abgeben, wird nach Angaben des Landeskriminalamts nichts gesondert erfasst. Die Zahl fließt jedoch in die Gesamt-Statistik ein. Wie eine LKA-Sprecherin auf Anfrage mitteilt, wurden im vergangenen Jahr in Bayern offiziell 20 "Schussabgaben" registriert: sieben Warnschüsse, neun Schüsse gegen Personen, vier gegen Sachen – zum Beispiel gegen ein Auto, wenn eine Person flüchtet. Die Gesamtzahl der abgegebenen Schüsse ist nach Angaben der Sprecherin relativ konstant. 2021 waren es 26 (16 Warnschüsse, sieben gegen Personen, drei gegen Sachen), im Jahr zuvor 23 (elf Warnschüsse, zehn gegen Personen, zwei gegen Sachen). Unbeabsichtigte Schüsse seien in dieser Statistik inbegriffen, so die Sprecherin.
Verantwortlicher gehört wohl zum Unterstützungskommando (USK)
Das USK ist eine Spezialeinheit, die bei der Bereitschaftspolizei angesiedelt ist. Sie kommt in der Regel in Ausnahmesituationen zum Einsatz – etwa, wenn von einem möglicherweise erhöhten Gewaltpotenzial auszugehen ist, wie bei einem Fußballspiel. Aufgrund dieser Sonderrolle üben die Angehörigen des Unterstützungskommandos regelmäßig den Umgang mit Waffen – häufiger als etwa Streifenbeamte.
Für umso auffälliger hält der Polizeiwissenschaftler Thomas Feltes den Vorfall am Augsburger Stadion. Auch wenn man den Verlauf der Ermittlungen noch abwarten müsse, kämen für ihn letztlich nur zwei Optionen infrage: Es sei zu einem Zwischenfall beim Laden oder Entladen der Waffe gekommen. Oder mit der Waffe sei hantiert worden. Beides dürfe so "auf keinen Fall passieren".