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Augsburg: Verdi-Streik legt den Nahverkehr lahm – Fahrer fordern bessere Bedingungen

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Verdi-Streik legt den Nahverkehr lahm – Fahrer fordern bessere Bedingungen

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    Im Busbetriebshof an der Lechhauser Straße hielt Verdi eine Streikwache ab.
    Im Busbetriebshof an der Lechhauser Straße hielt Verdi eine Streikwache ab. Foto: Silvio Wyszengrad

    Der Warnstreik der Gewerkschaft Verdi hat den Nahverkehr am Freitag zum Erliegen gebracht. Von den 140 Fahrzeugen, die sonst am Morgen ausrücken, blieben fast alle im Depot. Lediglich auf den Stadtteillinien im Bärenkeller, in Haunstetten und Inningen/Bergheim, die zum Teil an private Busfirmen vergeben sind, waren einige Fahrzeuge im Einsatz. Die meisten Fahrgäste, an einem Werktag wickeln die Stadtwerke mehr als 150.000 Fahrten ab, schienen über den angekündigten Ausstand im Bilde: An den Haltestellen kaum Wartende, der Großteil wich auf Auto oder Rad aus oder blieb gleich im Homeoffice. Es war ein Streik unter besonderen Vorzeichen – es geht nicht nur ums Geld, es geht auch um die Frage, ob und wie die Stadtwerke in Zukunft überhaupt noch genug Fahrer finden. Schon jetzt fehlt so viel Personal, dass der Takt ausgedünnt werden muss. Und die Aussichten sind nicht rosig.

    Am Königsplatz waren am Freitagmorgen statt Bussen und Straßenbahnen einige Radler unterwegs.
    Am Königsplatz waren am Freitagmorgen statt Bussen und Straßenbahnen einige Radler unterwegs. Foto: Silvio Wyszengrad

    Während am Königsplatz am Freitag wegen des Streiks gähnende Leere herrschte, war das Busdepot an der Lechhauser Straße mit Fahrzeugen voll. Vor der Einfahrt harrten etwa 40 Fahrer und Fahrerinnen als Streikposten aus. Betriebsratsvorsitzender Karl Schneeweis sagt, der Fahrermangel, der ab 20. März einen weiter ausgedünnten Busfahrplan zur Folge haben wird, hänge mit der Attraktivität des Berufs zusammen. "Wir fahren mit Vollgas auf eine Mauer zu. Es war vorhersehbar, dass das kippt, und jetzt ist es so weit", so Schneeweis, der vor über 30 Jahren als Fahrer bei den Stadtwerken angefangen hat.

    Man trage während einer Schicht Verantwortung für Hunderte Fahrgäste, werde aber wie ein Hilfsarbeiter bezahlt, klagt ein Fahrer. Schneeweis erzählt, dass manche Kollegen das Trinken vermeiden, weil es mit den Toilettenpausen an den Endhaltestellen knapp werde. Der Verkehr sei in den vergangenen Jahren dichter geworden, was längere Fahrzeiten bedeute. "Abgeknapst hat man das an den Standzeiten an den Endhaltestellen", so Schneeweis. Im vergangenen Jahr habe man 30 Kündigungen gehabt, in den kommenden Jahren rolle eine Pensionierungswelle an, weil die Fahrer, die vor 30 Jahren im Zuge der Einführung des Fünf-Minuten-Takts eingestellt wurden, geballt in den Ruhestand gehen. Die Bewerberlage, so Schneeweis, sei überschaubar. 

    Fahrer bei den Augsburger Stadtwerken: rund 2700 Euro Einstiegsgehalt

    Das Einstiegsgehalt für einen Neuling bei der Beschäftigungsgesellschaft ASG liegt bei etwa 2500 Euro plus 200 Euro Zulage. Nach einigen Jahren kann man in die Hauptgesellschaft AVG mit dem regulären Tarifvertrag wechseln, wo noch eine Zusatzversorgung dazukommt. Im Lauf der Jahre kann man sich im Gehaltsgefüge nach oben arbeiten. Im Zuge der EU-Marktliberalisierung vor knapp 20 Jahren kamen die Verkehrsbetriebe in Deutschland unter Druck, die Kosten zu senken – die Folge waren Sparbemühungen und Fremdvergaben. Mit Kritik an den Stadtwerken hält sich Schneeweis zurück. "Wenn die Verkehrswende kommen soll, wie sie von Berlin gewollt ist, muss mehr Geld fließen." Hier sei die Politik auf allen Ebenen gefragt. Aus den Stadtratsfraktionen war hingegen zuletzt Kritik an Stadtwerke-Geschäftsführer Walter Casazza laut geworden, der den Personalmangel, der branchenweit ein Thema ist, nicht in den Griff bekomme

    Karl Schneeweis, Betriebsratsvorsitzender bei den Stadtwerken.
    Karl Schneeweis, Betriebsratsvorsitzender bei den Stadtwerken. Foto: Silvio Wyszengrad

    Bei den Fahrgästen werden Streik und Fahrplanausdünnung differenziert gesehen. Klaus Heider, 55, sagt, er habe Verständnis für den Streik, auch wenn Alternativen nicht so einfach seien. "Ich wohne relativ weit außerhalb, deshalb kommt das Fahrrad nicht infrage", so Heider. Mit dem Bus-Takt ist er momentan recht zufrieden. Die anstehenden Einschränkungen passten aber nicht in die Zeit. Marion Ziegler, 65, sagt, sie habe Verständnis für den Streik, aber auch für etwaigen Unmut von Fahrgästen. "Wenn man auf die öffentlichen Verkehrsmittel angewiesen ist, stört das schon sehr. Allerdings geht es um ein wichtiges Thema. Es ist ja nicht so, dass die Streikenden einfach so mehr Geld wollen, sondern sie brauchen es." Mit den anstehenden Einschränkungen werde man die Fahrten besser planen müssen. Mit der letzten Preiserhöhung passe das kaum zusammen. "Ich bin erstaunt, wie viel teurer eine Streifenkarte ist, dafür, dass weniger Leistung erbracht wird.“

    Die Stadtwerke hatten im Vorfeld des Freitags auf AVV-Regionalbusse oder den innerstädtischen Bahnverkehr verwiesen. Ein Großteil der Fahrgäste dürfte aber mit dem Auto oder dem Rad gefahren sein. Auf den Straßen gab es Stau. Der Verkehrsdaten-Dienstleister Tomtom ermittelte im Morgenverkehr mehr Verzögerungen. Während laut Tomtom freitags um 8 Uhr im Durchschnitt 13 Minuten für zehn Kilometer Fahrstrecke benötigt werden, waren es am Streik-Freitag 16 Minuten. Von deutlich mehr Kunden berichtete die Taxi-Genossenschaft. Er gehe mindestens vom doppelten Aufkommen gegenüber einem normalen Freitag aus, so Vorstand Ferdi Akcaglar. Man habe die Kapazitäten am Streiktag entsprechend aufgestockt. Die nächste Tarifverhandlung findet am 10. März statt. Ob es im Vorfeld noch mal zu Warnstreiks kommt, ist offen.

    Auf einigen Straßen, hier die Karlstraße, herrschte Stau, weil Fahrgäste aufs Auto umstiegen.
    Auf einigen Straßen, hier die Karlstraße, herrschte Stau, weil Fahrgäste aufs Auto umstiegen. Foto: Silvio Wyszengrad
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