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Augsburg: Urteil im Fall der Flaggen-Schändung: Staat Israel drängte auf Strafe

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Urteil im Fall der Flaggen-Schändung: Staat Israel drängte auf Strafe

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    Der 19-jährige Angeklagte (links) sitzt neben seinem Dolmetscher. Er musste sich vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten, weil er die Schändung einer Israel-Flagge gefilmt hatte.
    Der 19-jährige Angeklagte (links) sitzt neben seinem Dolmetscher. Er musste sich vor dem Augsburger Amtsgericht verantworten, weil er die Schändung einer Israel-Flagge gefilmt hatte. Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

    Die Schändung der Israel-Flagge auf dem Augsburger Rathausplatz im vergangenen Oktober hat auch zu diplomatischen Kontakten zwischen dem Staat Israel und der Bundesrepublik geführt. Israel hatte nach Bekanntwerden der Tat durch ein über das soziale Medium TikTok verbreitetes Handy-Video ein juristisches Strafverlangen an das Auswärtige Amt gerichtet. Dem wurde nun Rechnung getragen. Ein 19-jähriger syrischer Asylbewerber ist am Mittwoch von Jugendrichter Fabian Espenschied nach dem Jugendstrafrecht verurteilt worden. 

    Er hatte die Tat gefilmt, juristisch eine Beihilfe zur Verletzung von Flaggen- und Hoheitsrechten ausländischer Staaten und der Sachbeschädigung. Der Haupttäter,18, ist nach der Anklageerhebung untergetaucht. Er wird von der Polizei gesucht.

    Prozess wegen Israel-Flagge in Augsburg: Der Angeklagte wirkt eingeschüchtert

    Mittwoch, 13 Uhr: Im Sitzungssaal 120 des Strafjustizzentrums warten mehr Medienmitarbeiter als Zuhörer auf den Prozess. Der junge Syrer betritt im Schlepptau der Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe den Saal. Er wirkt eingeschüchtert angesichts der Kameras, die auf ihn gerichtet sind. Vorsorglich hatte die Justiz Sicherheitskontrollen durch die Polizei am Eingang zum Sitzungssaal verfügt. Ein Arabisch-Dolmetscher steht dem Angeklagten zur Seite, der sich erst seit fünf Monaten in Deutschland aufhält. 

    Wie berichtet, war am Abend des 13. Oktober ein junger Mann auf einen Fahnenmast am Rathausplatz geklettert, hatte die Israel-Flagge heruntergerissen, war darauf herumgetrampelt und hatte versucht, sie vor den Augen zahlreicher Passanten mit einem Feuerzeug anzuzünden. Eine mutige Passantin hatte ihn daran gehindert. Der jetzt Angeklagte hatte die Tat mit einem Handy gefilmt, dieses Video dann dem Haupttäter überspielt, der es dann auf TikTok verbreitete. 

    Schnell war der Haupttäter auf den Mast am Augsburger Rathausplatz emporgeklettert und hatte die Flagge heruntergerissen.
    Schnell war der Haupttäter auf den Mast am Augsburger Rathausplatz emporgeklettert und hatte die Flagge heruntergerissen. Foto: Screenshot Facebook Honestly Concerned e. V.

    Der jetzt Angeklagte hatte sich am Ende des Videos noch selbst gefilmt und den Kletterer mit den Worten: "Sieh her Palästina: zieht es runter" angefeuert. Weil der Filmer selbst zu erkennen war, hatte die Polizei mithilfe eines Gesichtsscanners des Landeskriminalamtes nach einer Übereinstimmung in den Polizeiakten gesucht. Mit Erfolg. Am selben Tag hatte sich auch der Haupttäter mit einem Artikel unserer Redaktion in der Hand auf der Inspektion Mitte gestellt. Bei der Durchsuchung der Zimmer der beiden jungen Syrer in einer Asylunterkunft wurde lediglich eine Fahne der syrischen Opposition gefunden. Fünf Tage nach der Tat allerdings hatte ein Polizist beide Männer auf der Pro-Palästina-Demo in Augsburg gesehen. Mehr Anhaltspunkte für eine politische Tätigkeit fanden sich nicht. 

    Angeklagter vor Augsburger Richter: "Wusste nicht, dass das strafbar ist"

    "Ich war damals erst kurze Zeit in Deutschland. Ich wusste nicht, dass das strafbar ist", lässt der Angeklagte über den Dolmetscher mitteilen. Er habe das eher als "Quatsch" aufgefasst. Sein Kumpel habe ihn davor unter Druck gesetzt und immer wieder gesagt, er solle ihn bei der Tat filmen. Wenn er gewusst hätte, dass das strafbar ist, hätte er es nicht gemacht, beteuert der junge Mann. Er entschuldigt sich mehrmals für sein Verhalten. Auf die Frage des Richters, wo sich sein Freund derzeit aufhalte, antwortet er: "In Hessen oder Essen". Genauer könne er es nicht sagen.

    Der Jugendgerichtshilfe hat der Angeklagte berichtet, dass er wegen des Krieges in seinem Heimatland im Jahr 2021 zu seinem Onkel nach Zypern geflüchtet ist. Im September 2023 sei er dann allein nach Augsburg gekommen, wo sein älterer Bruder lebe. Er spiele gern Fußball und besuche zurzeit die Berufsschule. Sein Ziel: eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroniker. Die Mitarbeiterin der Jugendgerichtshilfe bezeichnet den Angeklagten als zurückgezogen, freundlich, aber auch überfordert und überfragt. "Ihm war nicht bewusst, welche Ausmaße seine Tat angenommen hat." Sie regt an, den 19-Jährigen mit der jüdischen Gemeinde in Augsburg zu konfrontieren.

    Staatsanwalt: Das Sicherheitsgefühl der Juden beeinträchtigt

    Staatsanwalt Johannes Zehendner will die angebliche Unwissenheit des Angeklagten nicht gelten lassen. Er macht dem jungen Syrer klar, dass durch die Tat das Sicherheitsgefühl der Juden deutlich beeinträchtigt wurde, darüber hinaus durch die Verbreitung in den sozialen Medien. "Damit können alte Wunde schmerzhaft wieder aufgerissen werden", sagt der Ankläger. Er fordert zwei Freizeitarreste, 80 Hilfsstunden und Gesprächsauflagen, bei denen der Angeklagte sich mit dem jüdischen Leben und dem Nationalsozialismus beschäftigen soll. Richter Espenschied folgt dem Plädoyer weitgehend. 

    So fällt das Urteil gegen den Filmer der Flaggen-Schändung aus

    Er verurteilt den jungen Mann zu Gesprächen über Antisemitismus, zu 80 Stunden sozialen Hilfsdiensten sowie zu einer Geldauflage von 200 Euro, die an das Jüdische Kulturzentrum in Augsburg zu zahlen sind. Der Richter verzichtet aber auf die Freizeitarreste. 

    Es hätte dem Angeklagten klar sein müssen, dass die Tat in einem zeitlichen Zusammenhang mit dem Hamas-Massaker in Israel hätte aufgefasst werden können. Durch das Hissen der Flagge sei doch Anteilnahme mit den Opfern des Massakers ausgedrückt worden, meint der Richter an den Syrer gewandt. Dieser, der ohne Anwalt erschienen ist, nimmt das Urteil am Ende der einstündigen Verhandlung sofort an. Es ist damit rechtskräftig. Das Urteil wird wiederum auf diplomatischem Weg dem Staat Israel zugesandt.

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