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Augsburg: "Urlaub zuhause": Hausmittelchen in Augsburgs Natur

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"Urlaub zuhause": Hausmittelchen in Augsburgs Natur

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    Hannes Proeller weiß: In Augsburg ist gegen (fast) jede Beschwerde ein Kräutlein gewachsen. Auch sein Sohn Theo stapft schon gerne durch die Natur.
    Hannes Proeller weiß: In Augsburg ist gegen (fast) jede Beschwerde ein Kräutlein gewachsen. Auch sein Sohn Theo stapft schon gerne durch die Natur. Foto: Diana Zapf-Deniz

    Kräuter sammeln inmitten der Stadt und dabei noch Ernest Hemingway begegnen, geht das? In Augsburg auf jeden Fall. Bei einer Kräuterwanderung mit Hannes Proeller, dem Inhaber mehrerer Apotheken, kommt man aus dem Staunen nicht mehr heraus. Hier ein Rundgang - mit heilender Wirkung.

    Der Naturheilkunde hat sich Apotheker Proeller verschrieben und verweigert sich dabei keinesfalls der Schulmedizin. Für ihn bildet beides zusammen die optimale Ergänzung. Mit ihm entdeckt man Augsburg ganz neu. Treffpunkt ist am Zeugplatz. Proeller kommt mit seinem zweijährigen Sohn Theo munter angeradelt. Während Theo am Spielplatz klettert und rutscht, legt Proeller los: „Schauen Sie sich um. Hier haben wir schon fantastische Bäume der Naturheilkunde.“

    Er geht zu einer Linde. „Die Blüten als Tee zubereitet helfen wunderbar bei einer Erkältung.“ Da die Linde nur zwei Tage im Jahr blühe, rät er davon ab, dass alle zur Blütezeit genau zu dieser Linde gehen. „Jeder kann in seiner eigenen Umgebung Kräuter suchen und die Augen offen halten. Es gibt nicht den einen Platz.“ Kurz darauf blickt Proeller am Motorradparkplatz zwischen die Pflastersteine. „Ich wette, das ist eine Echte Kamille.“ Schwups, zieht er sein Taschenmesser heraus und schneidet die Blüte auf. „Hier sehen Sie es, der Blütenboden ist hohl und es ist echte Arzneikamille.“

    Der in Urbino (Italien) promovierte Apotheker ist von der Vegetation Augsburgs begeistert: „Wir haben hier das Glück, dass wir den Lech und die Kanäle haben. Sie sind die Vegetationsbrücke zwischen uns und den Alpen.“ Die alpine Flora und Fauna spüle der Lech durch die Samen geradewegs in die Augsburger Innenstadt. „Wir finden in der Stadt mehr Artenvielfalt als in der Lechebene oder auf den konventionell bewirtschafteten Feldern“, ist Proeller überzeugt. Das hat einen weiteren Grund: In der Stadt gebe es wenige Pestizide und Herbizide.

    Aus den Blüten der Linde kann ein Tee zubereitet werden. Dem Gebräu wird heilende Wirkung bei Halsschmerzen nachgesagt.
    Aus den Blüten der Linde kann ein Tee zubereitet werden. Dem Gebräu wird heilende Wirkung bei Halsschmerzen nachgesagt. Foto: Herbert Dettweiler (Symbolfoto)

    Weiter geht’s zum Moritzplatz, wo uns Proeller das optimale Mittel gegen Mückenstiche vorstellt. Kein Problem. Proeller bückt sich und ruft erfreut: „Der Wegerich wächst an allen Orten, an denen wir gestochen werden können. Ob Breit- oder Spitzwegerich ist egal.“ Schon hat er mehrere Blätter gepflückt und beginnt, sie zwischen seinen Handflächen zu walgen. Nach kurzer Zeit hört man ein saftiges Geräusch. „Das muss ganz batzig sein. Je batziger, desto besser.“ Denn der Saft ist es, der den Juckreiz lindert.

    Die Blätter von Birken eignen sich für Smoothies und für Salate

    Auf dem Weg in die Altstadt steht eine Birke. „Ihre jungen Blätter sind ein hervorragendes Mittel für eine Entgiftungskur. Sie eigenen sich aber auch für Smoothies, als Tee, Tinktur oder für den Salat“, weiß der Apotheker. Bei einer leichten Blasenentzündung empfiehlt er daher einen Tee aus drei „Drogen“: Brennnesselblättern, Birkenblättern und einem ganzen Ackerschachtelhalm ohne Wurzel. „Die Pflanzenteile werden immer dann gesammelt, wenn sie am kräftigsten sind“, rät er. Blätter im Frühjahr oder Sommer. Die Samen und die Wurzeln im Herbst. Droge, so erklärt Proeller, sei in der Pharmazie übrigens der Teil der Pflanze, die den Wirkstoff enthält.

    In einem vernachlässigten Hinterhof in der Jakobervorstadt blüht der Apotheker richtig auf. Wo er hinsieht, entdeckt er zauberhafte kleine Blüten. Eine gelbe zarte Blüte namens Nelkenwurz, schmackhaft in jedem Salat. Daneben eine kleine pinkfarbene Blüte mit dem verheißungsvollen Namen Storchenschnabel. Denn das Geranium, ein Alpenkraut, soll bei unerfülltem Kinderwunsch helfen. „Bis man ein Storchenkissen mit diesen kleinen Blümchen gefüllt hat, hat das schon was Meditatives“, schmunzelt er und denkt, dass allein die Entspannung der besseren Empfängnis dienlich sein könnte. Doch das ist natürlich nur eine Vermutung.

    Kräuter suchen in Augsburg: Hirtentäschel soll bei Liebeskummer helfen

    Kein Schritt davon entfernt wächst das Hirtentäschel. „Es hilft, dass man das Herz bei Liebeskummer nicht verliert, denn seine Blätter sind lauter kleine Herzen“, erzählt Hannes Proeller beinahe poetisch. „Aber wo ist nur das Weidenröschen“, murmelt er suchend vor sich hin – und findet es gleich darauf. Das Weidenröschen soll bei Prostatabeschwerden helfen und ist oftmals an ungepflegten Parkplätzen zu finden.

    Nahe der City-Galerie ist der Äußere Stadtgraben. Auch er ist ein wahres Paradies für Kräuterjäger. Während Theo gemütlich in der Wiese sitzt und einen Schmetterling beobachtet, ist Proeller auf einmal im urbanen Dschungel verschwunden. Freudig kommt er nach einer Weile zurück. „Sehen Sie mal, was ich hier habe.“

    Apotheker Hannes Proeller sammelt in Augsburg Kräuter

    Dabei wedelt er mit einem beblätterten Pflanzenstil. „Ein Johanniskraut – Hypericum!“ Er zupft ein Blättchen der Sonnenscheinpflanze ab und hält es gegen das Licht. Dabei werden kleine Perforationen sichtbar. Diese sind mit dem wertvollen Rotöl gefüllt. Zerreibt man das Blatt, färben sich die Hände rötlich. Johanniskraut wirkt beruhigend, es hat außerdem eine heilende Wirkung.

    Das Johanniskraut war die Heilpflanze des Jahres 2019. Die Pflanze wirkt beruhigend.
    Das Johanniskraut war die Heilpflanze des Jahres 2019. Die Pflanze wirkt beruhigend. Foto: NHV Theophrastus (Symbolfoto)

    Brennnesseln wiederum eignen sich hervorragend als Tee zum Entwässern des Körpers, schmecken als Suppe und die Samen sind Superfood Nummer eins und lecker auf Joghurt, weiß unser kräuterkundiger Begleiter. Die Blätter kann man auch mit einer Panade herausbacken. Holunder (Hollerküchle, Sirup), Rosskastanie (Seifenstoffe), der herzstärkende Weißdorn, Löwenzahn für den Salat und Gundermann lassen sich ebenso finden wie das Schöllkraut, dessen gelbe Milch gegen Warzen hilft, oder Beinwell, der Schwellungen lindert.

    Am Ende der Kräutertour ist ein Besuch im Kräutergarten am Roten Tor Pflicht. Hier finden sich rund 40 verschiedene Kräuter sowie über 50 Minz- und Thymiansorten, die für den Eigengebrauch behutsam gepflückt werden dürfen. Bei all den Minzsorten sticht dann doch ein Name heraus: Es ist die Mojito-Minze. Sofort denkt man an den erfrischenden Cocktail. Liest man das genauer, entdeckt man, dass es sich hier um die Hemingway-Minze handelt. Denn Ernest Hemingway, so sagt man, trank seinen Mojito in Havanna gerne mit diesem Kraut.

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