Am rot-weißen Absperrband ist Schluss. Anwohnerinnen und Anwohner stehen davor, manche schauen ungläubig, machen mit ihren Handys Fotos. Sie rätseln, wie das nur passieren konnte. Wie ein gefällter Riese liegt der rund 20 Meter lange Baum mitten auf dem Spielplatz, der jetzt gesperrt ist. Das breite Wurzelwerk ist komplett aus dem Boden gerissen, ein paar Pflastersteine hängen noch daran. Bei dem schweren nächtlichen Gewitter mit Sturmböen, das die Feuerwehren in Augsburg für mehrere Stunden auf Trab gehalten hat, wurden mehrere Bäume entwurzelt. Aber dieser Fall in der Wohnanlage an der Josef-Haas-Straße weckt schlimme Erinnerungen, wie auch eine Mutter erzählt. Und: Es ist nicht der einzige betroffene Spielplatz.
"Mama, unser Spielplatz ist weg", hätten ihre beiden älteren Kinder gerufen, als sie am Freitagmorgen aus dem Fenster schauten, erzählt Sibylle Pöhlmann, die mit ihrer Familie gegenüber wohnt. Der Spielplatz liegt inmitten von Mehrfamilienhäusern in der Josef-Haas-Straße im Textilviertel. Die meisten von ihnen gehören zu einer Wohnanlage der Wohnbaugruppe Augsburg, auch der Spielplatz zählt zur WBG. Der Baum, offenbar eine über 20 Jahre alte Ulme, ist mit seinem wuchtigen Stamm in eine Spielhütte aus Holz mit einer Rutsche eingeschlagen. Sie frage sich jetzt im Nachhinein, "inwieweit von dem Baum eine Gefahr ausgegangen war", sagt die 34-jährige Unglück auf dem Spielplatz in Oberhausen denken müssen.
Baum bei Unwetter entwurzelt: Erinnerung an Tragödie auf Augsburger Spielplatz
Dort war im Juli 2021 ein riesiger Ahorn plötzlich umgestürzt und hatte eine Mutter mit ihrer Tochter auf einer Wippe unter sich begraben. Das 22 Monate alte Mädchen starb, die Mutter erlitt schwere Verletzungen. Von dem Baum war offenbar schon eine Weile eine tödliche Gefahr ausgegangen. Die Staatsanwaltschaft wirft in diesem Unglücksfall einem Baumkontrolleur fahrlässige Tötung vor. Ein Prozess im September soll klären, ob die Tragödie hätte verhindert werden können und ob jemand dafür strafrechtlich zu belangen ist. Sibylle Pöhlmann jedenfalls findet den umgestürzten Baum vor ihrer Haustür "beängstigend". "Wie die Rutsche zerbeult ist, das ist schon krass."
Anwohner und weitere Schaulustige mutmaßen, der Baum habe vielleicht zu wenig Halt gehabt. Tatsächlich zeigt das Loch im Boden, dass das Wurzelwerk aufgrund von Kies und Steinen nicht allzu tief im Boden verankert war. Da der Grund der WBG gehört, ist diese für Baumkontrollen und Verkehrssicherheit zuständig. Es ist nicht der einzige Spielplatz, der aufgrund des Unwetters gesperrt wurde.
In Augsburg wurden mehrere Bäume entwurzelt
Beim Flößerpark in Lechhausen brach ebenfalls in der Nacht auf Freitag ein Baum und traf Spielgeräte. Wie vonseiten der Stadt betont wird, wurden bei dem Sturm auch vollkommen gesunde Bäume abgerissen oder entwurzelt. Das lasse sich nicht ausschließen und werde immer wieder vorkommen, heißt es. Besondere Schadbilder würden vom Amt für Grünordnung intern ausgewertet.
Wie viele Bäume bei dem Unwetter im Stadtgebiet in Mitleidenschaft gezogen wurden, lässt sich bislang nicht genau beziffern, es waren jedoch einige. Ein Baum etwa landete im Herrenbach, an einer Tankstelle in der Donauwörther Straße krachte einer um, in der Hammerschmiede fiel einer in die Stromleitung, ein geparktes Auto wurde in der Johannes-Haag-Straße im Textilviertel von einem Baum getroffen. Laut Polizei kam es in der Nacht zu keinen Verletzten. Die Aufräumarbeiten werden sich noch durch die nächsten Tage ziehen. Viel zu tun hatte die Feuerwehr.
Über 80 Einsätze der Feuerwehren
Wie Berufsfeuerwehr-Sprecher Anselm Brieger berichtet, waren alle Feuerwehren aus den Stadtteilen mehrere Stunden wegen umgestürzter Bäume im Einsatz, auch standen Gehwege, Fahrbahnen und Unterführungen unter Wasser. Bei der Integrierten Leitstelle, die aufgrund der eingehenden Notrufe aus dem gesamten Zuständigkeitsgebiet noch personell verstärkt worden sei, seien um die 80 Einsätze allein im Augsburger Stadtgebiet gezählt worden. Man habe in diesem Sommer immer wieder folgenreiche Gewitter gehabt, meint Brieger. "Aber das Unwetter heute Nacht war herausragend."
Als ein besonders schweres Gewitter werden es auch die Menschen aus der Wohnanlage in der Josef-Haas-Straße in Erinnerung behalten. Anwohner Philipp Bowe hatte gehört, wie der riesige Baum umfiel. "Zuvor hatte es noch extrem gescheppert. Irgendwo muss ein Blitz eingeschlagen haben, wenig später fiel der Baum um." Die Baumkrone habe noch die Fenster seiner Wohnung gestreift. "Wäre der Baum nur einen Meter näher am Grundstück gestanden, hätte er die Fenster durchschlagen", sagt der 41-Jährige, der zusieht, wie Mitarbeiter der WBG zunächst seine Terrasse von den vielen Ästen befreien. Der Baum an sich soll erst Anfang nächster Woche entfernt werden. Die Stadt rät in den nächsten Tagen zu erhöhter Vorsicht im Bereich von Bäumen. Es sei mit abgebrochenen und herabfallenden Ästen in den Baumkronen zu rechnen.