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Farbattacke von Letzter Generation auf Uni Augsburg: "Was wollen sie damit erreichen?"

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Unverständnis nach Farbattacke auf Uni: "Was wollen sie damit erreichen?"

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    Am Tag danach wurde an der Uni Augsburg versucht, die Spuren der "Letzten Generation" zu beseitigen. Der Schaden dürfte laut Polizei weit über 10.000 Euro liegen.
    Am Tag danach wurde an der Uni Augsburg versucht, die Spuren der "Letzten Generation" zu beseitigen. Der Schaden dürfte laut Polizei weit über 10.000 Euro liegen. Foto: Annette Zoepf

    Seit über 30 Jahren putzt Hamsa Cinar an der Augsburger Universität die Fenster. "So etwas habe ich noch nicht erlebt", murmelt der 65-Jährige, der in einem Drehleiterkorb steht. Schon am Montagabend hatte der Fensterputzer begonnen, die Glasscheiben im ersten Stock des Präsidiumsgebäudes zu säubern. Zuvor hatten zwei Männer mit manipulierten Feuerlöschern Fassade und Fenster des Gebäudes mit knalloranger Farbe besprüht. Die Protestbewegung "Letzte Generation" bekannte sich zu der Tat. Während einer der beiden Beschuldigten die "Farbattacke" begründet, wird an der Uni Kritik an den Aktivisten laut. Bei Studierenden herrscht Unverständnis.

    Fensterputzer Hamsa Cinar bearbeitet am Dienstagmittag mit einer Art stumpfem Kratzer die Farbe, die auf den Scheiben klebt. "Das geht nicht so leicht herunter", meint er. Es ist kalt und beginnt zu regnen. Angenehme Arbeit sieht anders aus. Doch Cinar beschwert sich nicht. Die Spuren der Farbattacke müssen beseitigt werden. "An den Fensterrahmen wird das schwieriger", stellt er fest. Wohl auch am Putz der Fassade. Etwas Farbe wurde dort bereits weggebracht, aber längst noch nicht alles. 

    Hamsa Cinar reinigt nach dem Farbanschlag die Fenster am Präsidiumsgebäude der Universität Augsburg.
    Hamsa Cinar reinigt nach dem Farbanschlag die Fenster am Präsidiumsgebäude der Universität Augsburg. Foto: Annette Zoepf

    "Wir müssen schauen, wie sich das reinigen lässt", sagt Uni-Sprecherin Corina Härning. Die Polizei spricht von einem zunächst geschätzten Schaden von weit über 10.000 Euro. Auch am Tag nach der Aktion bleiben immer wieder Studentinnen und Studenten vor dem Gebäude stehen, um sich die beschmierte Fassade anzusehen, Bilder werden gemacht. Viele bringen überhaupt kein Verständnis für die Aktivisten auf, die sagten, sie wollten auf diese Art ein Zeichen gegen den aus ihrer Sicht viel zu zögerlichen Kurs der Bundesregierung bei der Bekämpfung des Klimawandels setzen.

    Augsburger Uni mit Farbe besprüht: Mitleid mit Fensterputzer

    "Was wollen sie damit erreichen?", fragt sich die 19-jährige BWL-Studentin Emily. Der Ansatz der "Letzten Generation", Sachen zu zerstören, sei zu extrem, pflichtet ihr Kommilitone Patrick, 23 Jahre alt, bei. "Die wenigsten hier akzeptieren die Aktion", sagt der 28 Jahre alte Andreas, der ebenfalls BWL studiert. Er befürchtet, dass die Protestierenden vor nichts mehr zurückschrecken, um noch mehr Aufmerksamkeit zu erreichen. Einige von ihnen bedauern zudem Fensterputzer Cinar. "Er ist jetzt derjenige, der die ganze Scheiße wegmachen darf", sagt der 24-jährige Benedikt, Student der Wirtschaftsinformatik. Er klingt verärgert.

    Ein 21-Jähriger meint, er verstehe das Anliegen der Aktivisten per se. Dennoch halte er eine Universität für den falschen Ort solch eines Protests. "Gerade wir Studenten haben doch ein gutes Bewusstsein für die Klimaschutz-Thematik." Zudem hätten erst vor zwei Wochen an der Universität Veranstaltungen zu dem Thema stattgefunden. Manuela Rutsatz von der Uni bestätigt: "Wir hatten eine sogenannte Public Climate School mit rund 50 Veranstaltungen für die Öffentlichkeit." Das Thema werde fachlich an vielen Stellen bearbeitet. Sie verweist noch einmal auf das Zentrum für Klimaresilienz, mit dem die Universität einen Schwerpunkt auf dieses wichtige Thema gesetzt habe. Kritik nehmen die Aktivisten der "Letzten Generation" in Kauf, wie einer der beiden Tatverdächtigen, Micha Frey, im Gespräch deutlich macht. Weitere Aktionen der Bewegung in Augsburg schließt der Rheinland-Pfälzer, selbst ein Student, nicht aus.

    Gerade Universitäten, die über schockierende Forschungsergebnisse beim Klimawandel verfügten, müssten an die Bundesregierung appellieren, begründet Frey, warum die "Letzte Generation" seit einiger Zeiten Universitäten ins Visier nimmt. "Solche Aktionen richten sich auch an die Studierenden, damit diese den Klimanotstand nicht vergessen." Sie würden eingeladen kritisch zu hinterfragen, ob das Studium gerade das Sinnvollste sei, um ihre Zukunft zu sichern, oder ob nicht der Kampf um die Lebensgrundlagen mindestens genauso viel Zeit und Aufmerksamkeit brauche, so der 25-Jährige. Dass ihr "Farbanschlag" auch bei jungen Menschen auf Unverständnis stößt, wird in Kauf genommen. 

    "Gruppe der Letzten Generation ist in Augsburg neu"

    "Wir erleben beide Seiten. Unsere Erfahrung ist, dass wir nach Protesten vor Ort bei unseren Vorträgen größeren Zulauf erhalten. Es gibt auch diejenigen, die das gut finden und sich bestenfalls uns anschließen." Unter den Studierenden, mit denen unsere Redaktion sprach, war jedenfalls niemand, der solch einen Solidarisierungs-Gedanken hegte. Micha Frey, der bereits nach Klimaprotesten in anderen Städten im Gefängnis saß, geht davon aus, dass es in Augsburg künftig zu weiteren, ähnlichen Aktionen kommen kann. 

    So sah es an der Uni kurz nach der Tat aus.
    So sah es an der Uni kurz nach der Tat aus. Foto: Silvio Wyszengrad

    In Augsburg sei die Gruppe der Letzten Generation neu und deshalb noch kleiner als in anderen Städten, aber sie wachse. Die Augsburger Polizei hatte Frey und seinen 49 Jahre alten Mitstreiter aus dem Raum München zunächst in Gewahrsam genommen, die beiden nach polizeilichen Maßnahmen anschließend wieder freigelassen. Gegen sie wird nun wegen Sachbeschädigung ermittelt. Derweil hat Fensterputzer Hamsa Cinar noch einige Arbeit mit den Fenstern. Aber nicht mehr lange, sagt er, und er könne in Rente gehen.

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