Die eisigen Temperaturen am Montagvormittag unterstrichen die frostige Stimmung, die derzeit bei vielen Unternehmern herrscht. Weil der Lockdown eine Öffnung ihrer Geschäfte verhindert oder diese teils stark einschränkt, fehlen Einnahmen, immer mehr Betriebe und Soloselbstständige stehen vor dem Aus. Ihrem Frust machten die Verantwortlichen zuletzt über den Unternehmerkreis "Zukunft in Not" Luft. Ein Bündnis, das sich Ende vergangenen Jahres gegründet hat und nun rund 500 Mitglieder stark ist. Am Montag zeigten nun rund 200 Unternehmer auf dem Rathausplatz erneut, was der Lockdown für sie und ihre Branche bedeutet.
Reisebranche aus dem Raum Augsburg kritisiert fehlende Lobby
"One-Way-Ticket in den Ruin" steht beispielsweise auf dem Plakat hinter Heidi Birner und Gerhard Hackenbuchner. Sie beide führen Reisebüros in Diedorf (Creativ-Reisen) und Wertingen (HG-Reisen). "Unsere Branche geht bei all den geplanten Hilfsmaßnahmen total unter", ärgert sich Birner. Die Reisebranche sei eine der ersten gewesen, die in den Lockdown ging, und werde wohl eine der letzen sein, die diesen verlässt.
"Großen Konzernen wie der Tui wird geholfen, aber die Reisebüros, die irgendwann mal wieder die Reisen dieses Konzerns verkaufen sollen, lässt man kaputtgehen", schimpft Gerhard Hackenbuchner. Beide Reisebüroinhaber mussten bereits Mitarbeiter ausstellen, anders ginge es nicht. Sie wünschen sich deshalb schnelle Lockerungen, damit Reisen wieder möglich wird.
Dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CSU) zuletzt vor Reisen zu Ostern abgeraten hat, sei für die Branche zudem ein Schlag ins Gesicht. "Wir müssen auch endlich durchsetzen, dass Reisende, die einen negativen Corona-Test vorweisen können, nicht noch zusätzlich in Quarantäne müssen", fordert Hackenbuchner. Solche Vorgaben würden die Kunden abschrecken.
Sportstudios der Region Augsburg fürchten um Gesundheit ihrer Kunden
Sorgen um ihre Kunden macht sich unterdessen Kerstin Koch. Sie leitet an drei Standorten im Augsburger Umland die "Feel it"-Kursstudios. "Ich habe dieses Unternehmen gegründet, weil es mir wichtig war, Menschen dabei zu unterstützen, gesund zu sein. Geistig wie körperlich." Jetzt dabei zuzusehen, wie das alles wegfällt, tue ihr weh, so die Unternehmerin. Sie wünscht sich eine schnelle Öffnung. "Nicht nur Corona ist schlecht für die Gesundheit. Auch der Wegfall unseres Sportangebots ist für diese nicht gut", schildert sie. Auch ihre Trainerinnen, wie Sonja Grothe, brennen auf ein Ende des Lockdowns. "Mir sind als Selbstständige sämtliche Einnahmequellen weggebrochen", erzählt Grothe. Zwar würde sie Online-Kurse geben, dies würde aber nur einen Bruchteil der Ausfälle kompensieren.
Über Perspektivlosigkeit klagt wenige Meter weiter auf dem Rathausplatz Iris Braunwart-Brühl. Sie hat ein Kosmetikstudio in Oberndorf bei Donauwörth. "Ohne meinen Mann könnte ich für mich und meine Tochter nicht einmal mehr Essen kaufen", schildert sie ihre Lage. Wann sie ihre Dienste wieder anbieten darf, weiß sie nicht, ebenso wenig, wie sie an die angekündigten Neustarthilfen kommen soll. "Online gibt es die Formulare noch nicht und bei der Hotline weiß man noch nicht einmal, dass es diese bald geben soll."
Kollegen, so erzählt sie, hätten bereits ihre Rücklagen für die Rente investiert, um ihre Studios am Leben zu halten. "Aber was mache ich dann im Alter? Ich bin 52 und kann mir sicher keine neue Rente ansparen", so Braunwarth-Brühl. Auch für sie gibt es nur eins: Der Lockdown muss ein Ende haben. "Wir haben sämtliche Hygienemaßnahmen getroffen, die es gibt. Deshalb müssten Behandlungen, bei denen man die Maske aufbehält, ohne größeres Risiko einzugehen wieder erlaubt werden. Sonst weiß ich nicht, wo das alles endet."
Auch Sabine Hofmann von gleichnamigem Dessous- und Wäscheladen in der Maxpassage in Augsburg hat darauf keine Antwort. "Ich stand vor der Krise wirklich gut da. Aber dieser Lockdown ist Kapitalvernichtung pur", berichtet sie sichtlich aufgebracht. Privat habe sie alle Kosten auf das Minimum reduziert, ihr Finanzpolster sei dahin. "Jetzt geht es ans Eingemachte", sagt die Geschäftsfrau. Seit 60 Jahren gibt es das Handelsgeschäft bereits, sie selbst leitet es seit 30 Jahren. "Der Laden ist wie mein drittes Kind", sagt Hofmann. Sie fordert daher die sofortige Öffnung des Handels unter Einhaltung strenger Hygieneregeln sowie die Auszahlung aller von der Politik versprochenen Hilfen.
Augsburgs Handwerk sorgt sich um Ausbildung der Azubis
Dass auch Branchen, denen es vermeintlich weiter gut geht, das Ende des Lockdowns fordern, zeigen Bernd Zimmerly (Elektrohaus Zimmerly) und Andreas Vogg (Zimmerly). Zwar hätten sie in ihren Handwerksbetrieben nach wie vor eine gute Auslastung, doch andere Krisen hätten gezeigt, dass der Einbruch im Handwerk oft nur verzögert ankomme. Derzeit mache ihnen aber vor allem die Ausbildung ihrer Lehrlinge Sorgen, weil auch Berufsschulen und weitere Bildungseinrichtungen geschlossen sind. "Mir hat neulich einer meiner Lehrlinge gestanden, dass er beim Online-Unterricht nicht mehr folgen kann", erzählt Vogg.
Wie es nun gelingen soll, den jungen Mitarbeiter trotzdem zu einem guten Abschluss zu führen, weiß der Unternehmer noch nicht genau. "Wir müssen daher so schnell wie möglich vorhandene Zahlen und Daten zu Infektions-Orten und -Wegen auswerten und anhand dieser belastbaren Fakten Öffnungsszenarien erarbeiten", fordern die beiden Unternehmer.
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