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Augsburg: Uniklinik-Chef Markstaller im Interview: "Es braucht einen Kraftakt"

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Uniklinik-Chef Markstaller im Interview: "Es braucht einen Kraftakt"

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    Klaus Markstaller ist seit einem Jahr Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Augsburg (UKA) – und damit Chef des größten Krankenhauses der Region.
    Klaus Markstaller ist seit einem Jahr Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Augsburg (UKA) – und damit Chef des größten Krankenhauses der Region. Foto: Marcus Merk

    Herr Markstaller, seit einem Jahr, seit Sie aus Wien nach Augsburg gewechselt sind, ist dieses Büro Ihr Arbeitsplatz. Was haben Sie hier verändert?
    KLAUS MARKSTALLER: Das Büro ist neu gestrichen worden, hat einen anderen Fußbodenbelag bekommen, auch hellere Möbel. Die Bilder an der Wand habe ich mitgebracht. Alles ist vielleicht etwas heller und frischer, als es vorher war.

    Auffrischen – ist das auch Ihr Ziel für das ganze Haus?
    MARKSTALLER: Die Uniklinik steht insgesamt sehr gut da. Aber natürlich finden auch hier große Veränderungen statt, die wir gestalten wollen. Das ist schon mehr als nur "auffrischen".

    Wo haben Sie angesetzt?
    MARKSTALLER: Die Aufgabe ist relativ klar: Erstens dieses Krankenhaus universitär und für die Zukunft auszurichten, zweitens die Herausforderungen im Gesundheitswesen vor Ort bestmöglich zu bewältigen. Dazu haben wir Handlungsfelder definiert. Jetzt wollen Sie sicher wissen, welche Handlungsfelder das sind.

    Richtig.
    MARKSTALLER: Zunächst sind da allgemein bekannte Herausforderungen: Fachkräftemangel, Inflation, Energiepreise, um ein paar zu nennen. Es gibt aber auch regionale Besonderheiten. Dazu zählt für uns die Rolle, die wir vom Zentralklinikum übernommen haben. Ein Vorteil davon: Das Klinikum hat einen sehr hohen Zulauf an Patienten, in jeglicher Fallschwere. Das wirkt sich positiv auf eine breite und fundierte Ausbildung, aber auch auf den Einsatz neuester Methoden im Rahmen von Forschungsstudien aus.

    Bei den Nachteilen wird es schnell um die Notfall-Versorgung gehen.
    MARKSTALLER: Richtig. Unsere Notaufnahme bewältigt das Dreifache an Patienten, für das sie ursprünglich konzipiert und gebaut wurde. Mehr als 50 Prozent der Patienten, die über die

    Wie? Neu ist das Problem ja nicht.
    MARKSTALLER: Wir müssen vor allem bei der Erstbegutachtung von Patienten stärker steuern. Ziel ist hier eine allgemeinmedizinische Notfallpraxis, die unser Lehrstuhl für Allgemeinmedizin mit der Kassenärztlichen Vereinigung betreibt – und zwar nicht nur als Bereitschaftspraxis nach der Kernarbeitszeit, sondern auch tagsüber. Wir wollen eine vorgelagerte Erstbegutachtung, an der die Patienten angeschaut werden: Brauchen sie ein Rezept, bekommen sie das in der Praxis. Brauchen sie einen Termin bei einem Arzt oder im Krankenhaus, kann der zeitnah ausgemacht werden. Brauchen sie eine Notfall-Behandlung, kommen sie in die Notaufnahme. Nach bisherigen Erfahrungen könnte dadurch die Zahl der Patienten in der Notaufnahme um rund ein Drittel – das wären immerhin 30.000 pro Jahr – reduziert werden. Das hätte auch große Vorteile für die Patienten. Starten wollen wir noch in diesem Jahr.

    Müsste nicht auch extern stärker umverteilt werden? Etwa so, dass zum Beispiel die Hessing-Klinik noch häufiger orthopädische Notfälle übernimmt?
    MARKSTALLER: Auch dazu laufen Gespräche mit anderen Krankenhäusern, Rettungsdienst, Trägern und Politik. Wir müssen Notfälle im Sinne der bestmöglichen Versorgung sinnvoller verteilen.

    Über all dem schwebt die nahende Krankenhausreform. Was würde es für die Uniklinik bedeuten, wenn ringsum kleinere Kliniken in die Knie gingen?
    MARKSTALLER: Wir brauchen alle Krankenhäuser in der Region. Aber natürlich liegt es auch an uns allen, diese regionale Struktur möglichst gut zu organisieren. Das ist ein Kraftakt für alle, aber den braucht es auch. Grundsätzlich läuft die regionale Vernetzung immer besser.

    Zurück zur Uniklinik. Wo sehen Sie sonst noch Handlungsbedarf?
    MARKSTALLER: Ich habe eine überraschende Feststellung gemacht: Im Vergleich zu anderen Unikliniken haben wir viel weniger operative Fälle. Vergleichbare Häuser liegen bei etwa 25 betriebenen OP-Sälen pro 1000 Betten, wir bewegen uns etwa bei der Hälfte. Auch das ist eine Entwicklung aus der überbordenden Notfall-Tätigkeit. Da die meisten dieser Fälle konservativ behandelt werden, hat sich das Haus gewissermaßen angepasst. Viele spitzenmedizinische Leistungen, die wir ja den Patienten anbieten wollen, sind aber operativer Natur.

    Was haben Sie also getan?
    MARKSTALLER: Das Programm "OPMax" gestartet, was so viel wie die Maximierung von benötigten OP-Kapazitäten bedeutet. Wir haben 29 OP-Säle, von denen ein Drittel gar nicht betrieben wurde, weil die Kapazitäten fehlten. Jetzt haben wir schrittweise begonnen, diese Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.

    Einfach so mehr operieren – wie geht das?
    MARKSTALLER: In der Medizin gibt es einen Grundsatz: Notfall schlägt Elektivmedizin. Wir wollen nun den planbaren, elektiv komplexen Fällen wieder mehr Raum geben und sicherstellen, dass diese Patientengruppe zeitnah in unserer Region behandelt werden kann. Da geht es ja oft um schwerwiegende Fälle, wie etwa Tumorbehandlungen. Konkret haben wir etwa zusätzlich zehn Prozent der Betten der einzelnen Fachrichtungen "gesperrt", wenn darauf ein komplexer elektiver Fall geplant ist. Das kann man nicht beliebig ausweiten, akute Notfälle müssen wir ja auch versorgen. Aber das ist ein konkreter und schnell umsetzbarer Schritt Richtung Spitzenmedizin.

    Die Uniklinik rechnet für 2023 mit einem Defizit von rund 15 Millionen Euro. Wie soll es da gelingen, Spitzenmedizin auszubauen und gleichzeitig die Versorgung nicht zu vernachlässigen?
    MARKSTALLER: Das ist kein Widerspruch – im Gegenteil: Forschung und Lehre auf höchstem Niveau gehen mit einem Ausbau der Krankenversorgung einher. Daraus rekrutieren wir auch Forschungsfragestellungen und -daten. Wir sind in einem Transformationsprozess, der sich natürlich auch finanziell tragen soll, aber dieser Herausforderung stellen wir uns.

    Und dann ist da noch der Neubau. Wie weit sind die Planungen?
    MARKSTALLER: Wir wollen möglichst schnell vorankommen, aber solch ein Großprojekt braucht sorgfältige Planung. Wo es geht, versuchen wir, Überlegungen bereits in den laufenden Betrieb einfließen zu lassen – medizinisch, etwa im Bereich Digitalisierung. Aber auch die äußeren Rahmenbedingungen können noch etwas verbessert werden: Man könnte zum Beispiel die Eingangshalle angenehmer gestalten.

    Herr Markstaller, wie viele Stunden hat Ihr Arbeitstag?
    MARKSTALLER: (lacht) Unter dem Gesichtspunkt der Gesundheitsprävention wahrscheinlich zu viele – aber die Aufgabe und Zusammenarbeit mit allen Beteiligten machen mir viel Freude.

    Zur Person

    Prof. Dr. Klaus Markstaller, in Nürnberg geboren und 54 Jahre alt, ist seit Januar 2023 Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Augsburg (UKA). Zuvor leitete er die Abteilung für Anästhesie und Intensivmedizin des Universitätsklinikums AKH Wien. Er ist verheiratet.

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