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Augsburg/Offingen: Um Himmels Willen: Diese zwei jungen Männer wollen Priester werden

Augsburg/Offingen

Um Himmels Willen: Diese zwei jungen Männer wollen Priester werden

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    Kirchen-Austritte? Kristian Kempfle (links) und Linus Bertagnolli, hier im Garten des Augsburger Priesterseminars, wollen sich "gegen den Trend" zu Priestern ausbilden lassen.
    Kirchen-Austritte? Kristian Kempfle (links) und Linus Bertagnolli, hier im Garten des Augsburger Priesterseminars, wollen sich "gegen den Trend" zu Priestern ausbilden lassen. Foto: Annette Zoepf

    In einem großen, weitläufigen Garten steht ein Pavillon, darunter ein runder Holztisch mit brennenden Kerzen. Die Umgebung ist ruhig und friedlich. Zwei junge Männer haben an diesem Nachmittag Platz genommen und beginnen, von ihrem außergewöhnlichen Leben zu erzählen. Sie lernen einen uralten Beruf, den eigentlich jeder kennt. Ihre Arbeitgeberin zumindest – die kennen alle. Sie hat tausende Niederlassungen in Deutschland, selbst in den kleinsten Ortschaften. Lange kamen die Menschen dort wöchentlich hin. Doch heute wollen immer weniger Menschen damit zu tun haben.

    "Meistens sage ich, dass ich Theologie studiere", sagt Kristian Kempfle, 34 Jahre alt, einer der beiden Männer unter dem Pavillon. "Man muss abwägen, ob die Person Interesse hat. Und dann erzähle ich mehr." Linus Bertagnolli, 21 Jahre alt, ist der andere Mann, ihm geht es genauso. Anderen spontan erklären, was sie beruflich machen – das sei gar nicht so einfach. Weil Kempfle und Bertagnolli Priesterseminaristen sind. Das bedeutet, dass sie zum katholischen Priester ausgebildet werden. Sie leben im Augsburger Priesterseminar in der Nähe der Sportanlage Süd. Dort wohnen, lernen, essen, schlafen und beten insgesamt 14 Seminaristen den Großteil ihrer Zeit. Jedes zweite bis dritte Wochenende können sie nach Hause fahren. Was bewegt die jungen Männer dazu, diesen Weg zu gehen?

    Kristian Kempfle und Linus Bertagnolli im Gespräch im Garten des Priesterseminars.
    Kristian Kempfle und Linus Bertagnolli im Gespräch im Garten des Priesterseminars. Foto: Annette Zoepf

    Linus Bertagnolli und Kristian Kempfle lassen sich zu Priestern ausbilden

    "Es ist wie bei einer Beziehung", erklärt Kempfle. "Man möchte eine ernsthafte Beziehung eingehen, jedoch weiß man vorher noch nicht, ob man auch heiraten wird." So sei es auch als Teilnehmer im Priesterseminar. "Ob man geweiht wird, steht am Anfang auch noch nicht fest." Den klassischen Weg – Bewerbung schreiben, zum Vorstellungsgespräch kommen, Vertrag unterschreiben – gibt es hier nicht. Die beiden Priesterseminaristen fassen es zusammen: Wer sich für den "Gottes-Dienst" berufen fühlt, kommt auf den Regens zu. Er ist Chef beziehungsweise "Ausbildungsleiter" und trifft eine Vorauswahl. Dann belegt man ein Vorbereitungsjahr, in dem man die drei alten biblischen Sprachen lernt – Altgriechisch, Hebräisch, Latein – und ganz genau überlegt, ob man das mit der Berufung wirklich ernst meint.

    Dann folgen fünf Jahre hartes Theologiestudium an der Uni Augsburg. Neben der Bibel studiert man auch Fächer wie Philosophie, Kirchenrecht oder -geschichte. Um Priester zu werden, reicht es aber nicht aus, die Prüfungen zu bestehen. "Es braucht die innere Prüfung und ein objektives Ja", sagt Kempfle. Damit meint er das "Ja" vom Regens. Er empfiehlt die Kandidaten dem Augsburger Bischof Bertram Meier, der schließlich das letzte Wort hat.

    Nach dem Theologiestudium folgt der zweijährige Pastoralkurs. Nach einem Jahr wird man zum Diakon geweiht, nach dem zweiten Jahr zum Priester. "Ab der Diakonweihe wird‘s ernst", sagt Bertagnolli. Diese sei nämlich unumkehrbar. Man wird in den Klerus aufgenommen und verpflichte sich dem Zölibat, zum Gehorsam gegenüber dem Bischof und zum Stundengebet. "Für mich sind das keine Einschränkungen, sondern Hilfestellungen", erklärt Kempfle. "Das hat eine extrem persönliche Dimension. Es gibt mir Klarheit, wofür ich mich entschieden habe, nämlich ein Leben ganz für Gott und die Menschen zu führen." Auch Bertagnolli sagt: "Die Vorstellung zölibatär zu leben, fühlt sich richtig an". Aber warum? "Um des Himmelreichs Willen", antwortet der 21-Jährige und zitiert dabei aus der Bibel.

    Im Priesterseminar in Augsburg leben 14 angehende Priester

    "Im Glauben geht's darum, die Liebe Gottes anzunehmen und darauf zu antworten", betont Kempfle, "und auch darum, nach dem Tod bei Gott zu sein". Das sei bei vielen heutzutage nicht mehr so präsent. Für ihn, sagt der 34-Jährige, sei der Zölibat ein "unglaublich starkes Symbol" und ein "lebendiges und glaubhaftes Zeugnis". Bertagnolli ergänzt, dieses "Lebensmodell" sei auch aus pragmatischen Gründen sinnvoll. Man könne sich erstens besser auf Gott konzentrieren und sich zweitens mehr auf seine Mitmenschen ausrichten. So habe man beispielsweise ohne Familie einen "Zeitvorteil". Der Höhepunkt der Priesterausbildung sind Priesterweihe und Primiz, also die erste heilige Messe, die man als frisch geweihter Priester feiert. „Dies ist vergleichbar mit einer Hochzeit“, sagt Bertagnolli.

    Bis dahin vergehen aber mindestens acht Jahre und daraufhin verschreibt man sein ganzes Leben der Kirche. Was bewegt die beiden Männer dazu, das zu tun? Bertagnolli ist in einer katholischen Familie in der Nähe von Sonthofen (Allgäu) aufgewachsen. Mit der Kirche habe er schon immer viele positive Erfahrungen gehabt, für ihn sei sie Heimat gewesen. "Es kam irgendwann die Frage, ob ich mit Gott in meinem Leben ernsthaft vorangehen will", erinnert sich Bertagnolli, "und zu dieser Frage habe ich ,Ja' gesagt". Zudem habe es in der neunten Klasse einen spirituellen Moment gegeben – welchen genau, möchte er nicht erzählen. Nach dem Abitur ging es dann gleich los.

    Kirche-Austritte? Katholische Priesterseminaristen handeln gegen den Trend

    Etwas anders war es beim "Spätberufenen" Kempfle. Der gelernte Großhandelskaufmann, aufgewachsen in Offingen (Landkreis Günzburg), hatte eigentlich andere Ziele: ein Haus, Kinder und Familie. Katholisch war er zwar von Beginn an, aber den Glauben habe er damals als "alt und staubig" empfunden. 16 Jahre lang war er berufstätig. Irgendwann sei ihm die "persönliche Beziehung zu Gott" aber immer wichtiger geworden. "Der Gedanke, zum Priester berufen zu sein, hat mir große Freude bereitet", erinnert er sich, "auch wenn es erst befremdlich war". Nach einer geistlichen Begleitung und einer Auszeit habe er dann seinen weitreichenden Entschluss gefasst.

    Kempfle und Bertagnolli handeln gewissermaßen "gegen den Trend": Während die Kirche massenweise Mitglieder verliert, wird sie für die beiden zum Lebensmittelpunkt. „Es ist nichts, was man sich selbst ausdenkt“, sagt Bertagnolli. „Beim ersten Schritt geht immer Gott auf einen zu. Gott ruft einen an und die Frage ist, ob man rangeht." Die beiden Männer vom Pavillon haben nicht aufgelegt.

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