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Impfzentrum Augsburg vor dem Aus

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Nach über 360.000 Impfungen sind die Tage des Impfzentrums gezählt

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    Wo sich früher die Menschen drängten, um eine Impfung zu erhalten, herrscht jetzt Leere. Ende des Monats schließt das Impfzentrum.
    Wo sich früher die Menschen drängten, um eine Impfung zu erhalten, herrscht jetzt Leere. Ende des Monats schließt das Impfzentrum. Foto: Fridtjof Atterdal

    Es ist gerade mal ein gutes Jahr her, als das Augsburger Impfzentrum die Polizei um Hilfe bitten musste, weil die Mitarbeiter dem Ansturm nicht mehr Herr wurden. 1000 Menschen standen im November 2021 vor dem Zentrum auf dem Fujitsu-Gelände Schlange, um sich den begehrten "Pieks" abzuholen. Heute geht es selbst am Samstag ruhig zu in der großen Halle, nur vereinzelt sieht man Menschen auf dem Weg zu einem der Impfärzte. Ab Januar werden Hausärzte und Apotheken die Impfung ganz übernehmen - das Zentrum schließt zum Ende des Jahres. Manche Beschäftigte bleiben beim Betreiber des Impfzentrums, manche haben sich eine neue Perspektive gesucht. 

    Die ehemalige Produktionshalle von Fujitsu, die das Impfzentrum erst Anfang diesen Jahres bezogen hatte, ist an einem Vormittag im Dezember nahezu menschenleer. An den Eingängen sitzen Security-Mitarbeiter, die nur wenig zu tun haben. Hin und wieder geht ein Mensch in der Dienstkleidung des Betreibers Bäuerle Ambulanz durch die fast 8000 Quadratmeter große Halle, Bürger auf dem Weg zum Impfen sind nicht zu sehen. Dass hier noch immer gearbeitet wird bemerkt man erst, wenn man an einer der Impfkabinen vorbeigeht, aus der leise Stimmen zu hören sind. 30 bis 40 Impfungen führen die Ärzte des Zentrums gerade am Tag durch - es waren einmal 2500 und mehr. 

    Noch wird in den Impfkabinen gearbeitet. Doch anstehen muss niemand mehr.
    Noch wird in den Impfkabinen gearbeitet. Doch anstehen muss niemand mehr. Foto: Fridtjof Atterdal

    "Wir halten unser niederschwelliges Impfangebot noch bis zum 30. Dezember aufrecht", sagt Bäuerle-Verwaltungsleiter Dominicus Sießmeir, der unter anderem die Beschaffung der Impfstoffe koordiniert. Denn das Angebot im Impfzentrum sei nach wie vor einzigartig. "Wir haben sieben verschiedene Impfstoffe vorrätig, sodass sich hier jeder wirklich mit dem gewünschten Impfstoff versorgen lassen kann", betont er. "Wir bieten die seltener gewünschten Impfstoffe an bestimmten Tagen an, damit wir keine Impfungen verwerfen müssen", so Sießmeir. Ob noch Menschen in den letzten Tagen das Angebot annehmen, oder es sogar nochmal zu einem Ansturm kommt, wisse man nicht. Da der Besuch des Impfzentrums mittlerweile auch ohne Termin möglich sei, brauche man eine Glaskugel um zu wissen, was jetzt noch passiert.

    Augsburger Impfzentrum: Mehr als 360.000 Impfdosen verabreicht

    Die erste Impfdosis wurde im Impfzentrum am 6. Januar 2020 verabreicht, erinnert sich Zentrumsleiter Stephan Hampel. Da waren mobile Impfteams von der Bäuerle Ambulanz bereits seit mehreren Tagen unterwegs, um in Altenheimen und Pflegeeinrichtungen zu impfen. Die Bilanz könne sich sehen lassen - bis zum 19. Dezember 2022 haben die Ärzte und Ärztinnen des Impfzentrums 361.449 Impfdosen verabreicht. In der Zahl sind auch 66.092 mobile Impfungen enthalten - die Statistik weist auch unerwartete Ergebnisse aus. "Wir haben mit unseren mobilen Teams mehr Obdachlose geimpft, als Schüler an Schulen", liest Sießmeier aus dem Zahlenwerk. 44.000 Impfungen wurden an Außenstehende wie die City-Galerie und andere Impfpunkte abgegeben. 28 Einrichtungen der Altenpflege und 30 Einrichtungen der Eingliederungshilfe haben die Mitarbeiter des Impfzentrums betreut.

    Dass zum 1. Januar 2023 die Arztpraxen und Apotheken komplett die Corona-Schutzimpfung übernehmen und die Impfzentren dicht gemacht werden, habe man aus den Medien erfahren. "Wir haben natürlich sofort mit unseren Mitarbeitern gesprochen, und ihnen das Aus des Impfzentrums mitgeteilt - ohne wirklich die Details zu kennen", so Hampel. Ob es wirklich so kommt, sei nicht klar gewesen, schließlich hieß es im vergangenen September schon einmal, dass die Impfzentren zurückgefahren würden. Die Informationspolitik der Landesregierung habe die Arbeit im Impfzentrum in den vergangenen zwei Jahren wieder zu einer Herausforderung werden lassen, sagt der Zentrumsleiter. "Die Zusammenarbeit mit der Stadt war hervorragend", lobt er, "doch die Stadt konnte nur umsetzen, was in München beschlossen wurde."

    Die Stadt weiß noch nicht, wie es mit dem Gebäude weitergeht

    Was mit dem Gebäude werden soll, ist noch nicht klar, heißt es von der Stadt. Der Mietvertag läuft bis Ende des Jahres. Es werde geprüft, ob die Notunterkunft für ukrainische Flüchtlinge, die im gleichen Gebäude betrieben wird, noch bis Ende März bleiben könne. Auch wie der Auszug des Impfzentrums vonstatten gehen soll, ist offen. "Dazu wissen wir bislang noch nichts", so Stephan Hampel. Das zuständige Umweltreferat sagt, man habe verschiedene Firmen aufgefordert, ein Angebot abzugeben. Nach Sichtung der Angebote werde der Auftrag vergeben. Es liefen die finalen Abstimmungen.

    Roberto Gorgis will künftig Linienbusse fahren.
    Roberto Gorgis will künftig Linienbusse fahren. Foto: Fridtjof Atterdal

    Bis zu 600 Menschen waren in Spitzenzeiten im Impfzentrum beschäftigt. "Wir haben in zwei Schichten sieben Tage die Woche geimpft", sagt Sießmeir. Die verbleibenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen sich jetzt fast alle einen neuen Job suchen. Einige konnten bei Bäuerle bleiben und werden jetzt in den "Medical-Points" der Flüchtlingseinrichtungen beschäftigt, die Bäuerle für die Regierung von Schwaben betreut, sagt Hampel. Chefin der Medical-Points wird die bisherige Laborleiterin des Impfzentrums, Heike Bergner. "Ich darf Teil des Bäuerle-Teams bleiben und künftig sechs Dependencen in Flüchtlingseinrichtungen leiten", freut sie sich. 

    Einen ganz neuen Lebensplan hat Roberto Gorgis, der im Impfzentrum in der Logistik tätig war und unter anderem Menschen mit dem Caddy übers Gelände fuhr. "Ich habe durch diese Arbeit erkannt, wie gerne ich mit Menschen arbeite und dass mir das Fahren richtig Spaß macht", sagt der gelernte Koch. Er will jetzt eine Ausbildung zum Busfahrer bei den Stadtwerken machen. 

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