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Augsburg: Trauer um Sternenkinder: Betroffene initiiert einen Ort der Erinnerung

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Trauer um Sternenkinder: Betroffene initiiert einen Ort der Erinnerung

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    Elisabeth Strätling-Busch hat das Thema Sternenkinder jahrelang beschäftigt. Die Kita-Leiterin hatte einst selbst solch einen Schicksalsschlag erlitten.
    Elisabeth Strätling-Busch hat das Thema Sternenkinder jahrelang beschäftigt. Die Kita-Leiterin hatte einst selbst solch einen Schicksalsschlag erlitten. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Zehn Jahre hatte Elisabeth Strätling-Busch gebraucht, um darüber sprechen zu können, ohne in Tränen auszubrechen. Im Jahr 2005 hatte sie ihren Sohn Lukas tot zur Welt bringen müssen. Sie befand sich in der 27. Schwangerschaftswoche, als bei einer Routineuntersuchung festgestellt wurde: ihr Baby lebt nicht mehr. Lukas wurde ein Sternenkind. So nennt man Kinder, die keine Chance auf ein Leben hatten. Für sie und die hinterbliebenen Familien wurde unlängst im Augsburger Stadtteil Hammerschmiede ein Denkmal errichtet und damit ein Platz des Gedenkens geschaffen.

    Der neue Erinnerungsort liegt mitten in der Hammerschmiede. Wer vom Parkplatz der Katholischen Kirche Christkönig zum Gotteshaus geht, kommt an ihm vorbei. Eine runde Bank lädt zum Verweilen ein, die Bepflanzung bietet einen geschützten Rahmen. Das künstlerische Denkmal, das aus zwei Steinen besteht, zeigt ein Paar mit einem Stern dazwischen. "Der Ort ist für alle Menschen gedacht, egal ob und welcher Konfession sie angehören", sagt Elisabeth Strätling-Busch. Trauer kennt keine Grenzen. Die inzwischen 59-Jährige hatte die Idee für das Denkmal und gewann dafür Unterstützer. Die Leiterin der Kindertagesstätte Christkönig weiß selbst, wie schlimm solch ein Schicksalsschlag ist.

    Sternenkinder: Sie war umringt von weinenden Eltern

    "Die entsetzliche Mitteilung und die zehn Stunden Wehen, um das tote Kind auf die Welt zu bringen, hatte große Trauer in unserer Familie ausgelöst", erzählt sie ganz offen. 18 Jahre sind seitdem vergangen, doch manche Bilder und Erfahrungen haben sich bei ihr eingeprägt. Etwa wie Sohn Lukas gemeinsam mit anderen früh- und tot geborenen Kindern in einem gemeinsamen Sarg, umringt von vielen weinenden Eltern, andächtig zu Grabe getragen wurde. 

    "Ältere Frauen aus meiner eigenen Familie, aber auch aus der Nachbarschaft kamen zu Besuch, um uns zu trösten." Was sie dabei auch erfuhr, habe sie sehr getroffen. Denn manche der Mitfühlenden hatten auch solch ein Schicksal erlitten. Nur, in den vorangegangenen Generationen sei ganz anders mit dem Thema umgegangen worden.

    So sieht das Denkmal für die Sternenkinder aus.
    So sieht das Denkmal für die Sternenkinder aus. Foto: Klaus Rainer Krieger

    "Männer durften früher bei der Geburt eines Sternenkindes nicht dabei sein. Die verstorbenen Kinder wurden den Eltern nicht gezeigt, sie wurden in der Klinik entsorgt statt beerdigt." Elisabeth Strätling-Busch ließ das Thema nicht los. Sie recherchierte. "Ich las in einer Statistik, dass jede dritte Frau oder jedes dritte Paar diese Erfahrung macht." Manche Paare seien mehrmals betroffen. 

    "Immer wieder hörte ich von Trauernden, dass das soziale Umfeld häufig kaum Verständnis habe für den Verlust und die seelische Verletzung." Sie habe eine Vorstellung davon bekommen, wie wichtig die Trauerarbeit ist, damit das weitere Leben für Mütter, Paare und Familien psychisch gesund gelingen könne. Als Elisabeth Strätling-Busch vor neun Jahren die Leitung der katholischen Kindertagesstätte Christkönig in der Hammerschmiede übernahm, begegneten ihr Mütter und Kolleginnen mit ähnlichen Erfahrungen. So sei die Idee für den Erinnerungsort erstanden, sagt sie. Strätling-Busch begann nach Unterstützung zu suchen.

    Ort des Trostes und der Kraft in der Augsburger Hammerschmiede

    "In den Gemeindegremien der Pfarrei gab es schnell eine große Zustimmung zu diesem Projekt." Ein Arbeitskreis um Pfarrer Michael Kratschmer, weiteren Gemeindemitgliedern sowie Mitarbeiterinnen der Kita und betroffenen Müttern sei gebildet worden. Pfarrhaushälterin Petra Miller, die sich seit Jahren künstlerisch betätige, habe die Gestaltung des Sternenkinder-Denkmals übernommen. Für anfallende Kosten seien der Innovationsfonds des Bistums Augsburg sowie die Arbeitsgemeinschaft Hammerschmiede aufgekommen. Elisabeth Strätling-Busch sagt, sie sei dankbar über so viele offene Ohren und Unterstützung. Sie alle hofften, dass der neue Erinnerungsort für Sternenkinder für Hinterbliebene zu einem Ort des Trostes und der Kraft wird. "Der Ort ist genau da, wo wir als Eltern unsere verstorbene Kinder sehen - in unserer Mitte."

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