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Augsburg - Theologe zu umstrittenem Pater: Schwer erträglich

Augsburg

Theologe zu umstrittenem Augsburger Pater: "Aussagen schwer erträglich"

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    Die Petrusbruderschaft ist eine traditionalistische Gruppierung in der katholischen Kirche. Ein Mitglied aus Augsburg fiel zuletzt mit mehreren fragwürdigen Äußerungen zu Corona auf.
    Die Petrusbruderschaft ist eine traditionalistische Gruppierung in der katholischen Kirche. Ein Mitglied aus Augsburg fiel zuletzt mit mehreren fragwürdigen Äußerungen zu Corona auf. Foto: M. Murat, dpa (Symbol)

    Herr Ernesti, in einem offiziellen Rundschreiben hat ein Pater der Augsburger Petrusbruderschaft Verschwörungserzählungen verbreitet. Unter anderem wird die Impfung als "schädlich" und als "experimentelle Gentherapie" bezeichnet, es werden Parallelen zur Situation in der NS-Zeit gezogen, die Rede ist von der "Polizei als Büttel einer korrupten Politik". Was halten Sie von solchen Äußerungen?
    JÖRG ERNESTI: Ich persönlich finde solche abstrusen Aussagen schwer erträglich. Sie widersprechen der Vernunft und dem Geist der Solidarität, die wir in diesen schwierigen Zeiten als Gesellschaft so nötig haben. Keiner der geäußerten Gedanken hat übrigens aus meiner Sicht Patentrecht: Ich finde sie allesamt im Milieu der Verschwörungstheoretiker und Impfgegner.

    In der Augsburger Niederlassung der Petrusbruderschaft sind zwei Patres tätig, die Gottesdienste in St. Margareth besuchen selten mehr als 60 Menschen. Welche Rolle spielt die Bruderschaft innerhalb der katholischen Kirche?
    ERNESTI: Historischer Hintergrund ist die Piusbruderschaft Erzbischof Marcel Lefebvres, eines rechten Kritikers der Erneuerung durch das letzte Konzil. Als Lefebvre 1988 gegen den Willen des Papstes Bischöfe geweiht und damit eine Spaltung vollzogen hat, sind viele seiner Anhänger diesen Weg nicht mitgegangen. Für diese wurde eine Art „Auffangbecken“ gegründet, wo bis heute zumeist die alte, vorkonziliare Liturgie gefeiert wird. In Wigratzbad bei Lindau unterhält die Priesterbruderschaft ein internationales Priesterseminar. Sie erhebt den Anspruch, auf dem Boden der katholischen Lehre zu stehen.

    Die Augsburger Petrusbruderschaft ist in der Kirche St. Margareth unterhalb des Milchbergs beheimatet.
    Die Augsburger Petrusbruderschaft ist in der Kirche St. Margareth unterhalb des Milchbergs beheimatet. Foto: Silvio Wyszengrad

    Inwiefern sind die Äußerungen des Augsburger Paters mit der Haltung der katholischen Kirche vereinbar?
    ERNESTI: Von ihrem Ursprung her ist die Bruderschaft modernitätskritisch. Solche Äußerungen sind schlichtweg nicht vereinbar mit der gegenwärtigen Haltung der katholischen Kirche. Papst Franziskus hat immer wieder zur Impfung aufgerufen. Er und sein Vorgänger Benedikt XVI. sind längst geboostert. Auch die deutschen Bischöfe sind in dieser Frage einmütig wie selten: Wer sich impfen lässt, schützt sich und andere. In den Pfarrgemeinden bemühen sich jeden Sonntag viele Ehrenamtliche, dass alle die Gottesdienste ohne Ansteckungsgefahr feiern können.

    Corona-"Kritiker" haben den Rundbrief in sozialen Netzwerken geteilt, er wurde dort tausendfach gelesen. Normalerweise erreicht das Schreiben bis zu 400 Personen. Wie ist zu bewerten, dass der Pater einen offiziellen Kanal der Bruderschaft für seine Thesen genutzt hat?
    ERNESTI: Ich möchte vermuten, dass man solche windigen Thesen nur äußern kann, wenn man bei den Adressaten mit einer positiven Resonanz rechnet. Der Einfluss auf unsere Pfarrgemeinden wird gering sein. Dort sind die allermeisten Gottesdienstbesucher geimpft.

    Die Priesterbruderschaft St. Petrus feiert Gottesdienste nach "Römischem Ritus". Das bedeutet unter anderem, dass Latein gesprochen wird.
    Die Priesterbruderschaft St. Petrus feiert Gottesdienste nach "Römischem Ritus". Das bedeutet unter anderem, dass Latein gesprochen wird. Foto: Silvio Wyszengrad

    Sie sind Dekan der Theologischen Fakultät an der Universität Augsburg, wo unter anderem die zukünftigen Pfarrer ausgebildet werden. Werden solche Positionen auch bei Ihnen vertreten?
    ERNESTI: Nein, dafür lege ich meine Hand ins Feuer.

    Sind Ihnen weitere kirchliche Organisationen in und um Augsburg bekannt, die ähnliche Positionen mit Blick auf Pandemie und Impfung vertreten?
    ERNESTI: Ich finde es erstaunlich, dass ähnliche impfkritische Positionen auch bei nicht-katholischen Gruppierungen anzutreffen sind. Einzelne orthodoxe Patriarchen haben die Impfung als Teufelswerk bezeichnet. Bei neoprotestantischen, also freikirchlichen Gruppierungen, herrscht eine allgemeine Impfskepsis vor. Das kann man auch bei den entsprechenden Augsburger Gemeinden beobachten. Es kommt also in der Pandemie zu seltsamen geistigen Koalitionen.

    Entstehung, Größe, Überzeugungen: Das ist die Petrusbruderschaft

    Was ist die Petrusbruderschaft?

    Weltweit gehören der Priesterbruderschaft nach eigenen Angaben über 500 Priester, Diakone und Seminaristen an. Seit 1988 ist sie eine Gesellschaft apostolischen Lebens päpstlichen Rechts – sie untersteht also nicht einer Diözese wie der Diözese Augsburg.

    Wie entstand die Petrusbruderschaft?

    Jörg Ernesti, Dekan der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Augsburg, erklärt: Historischer Hintergrund der Priesterbruderschaft St. Petrus sei die Piusbruderschaft Erzbischof Marcel Lefebvres, eines rechten Kritikers der Erneuerung durch das Zweite Vatikanische Konzil. Als Lefebvre 1988 gegen den Willen des Papstes Bischöfe geweiht und damit eine Spaltung vollzogen habe, hätten viele seiner Anhänger das nicht mitgetragen. Für sie sei, so Ernesti, eine Art „Auffangbecken“ gegründet worden: die Petrusbruderschaft.

    Wo steht die Petrusbruderschaft?

    Nach Einschätzung von Theologe Ernesti ist die Petrusbruderschaft von ihrem Ursprung her modernitätskritisch – sie erhebe aber den Anspruch, auf dem Boden der katholischen Lehre zu stehen.

    Der "Distriktsobere" der Petrusbruderschaft in Deutschland hat sich deutlich vom Inhalt des Rundbriefs distanziert. Es handle sich um eine "Privatmeinung, die nicht für die Auffassung der Priesterbruderschaft St. Petrus steht". Dass er hierfür ein öffentliches Organ genutzt habe, sei "nicht hinnehmbar". Wie bewerten Sie diese Aussagen?
    ERNESTI: Die Stellungnahme des Distriktoberen lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Position des Lehramts in dieser Frage ist eindeutig.

    Zur Person

    Prof. Dr. Dr. Jörg Ernesti ist Dekan der Theologischen Fakultät an der Universität Augsburg und lehrt Mittlere und Neue Kirchengeschichte.

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